GLOBALISIERUNG

Wohlstand in einer postglobalen Welt - Short Cut Recap mit Rana Foroohar und Holger Görg

Ist die Ära der Globalisierung zu Ende? Und wenn ja, wie können wir Wohlstand in einer postglobalen Welt schaffen? Wir haben Rana Foroohar und Holger Görg eingeladen, diese Frage mit uns zu diskutieren.

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

18. JANUAR 2023

LESEDAUER

5 MIN

Von der Pandemie bis zum Krieg in der Ukraine und dem darauf folgenden politischen und wirtschaftlichen Chaos haben die jüngsten Entwicklungen die Fragilität des globalen Handels und der Lieferketten ans Licht gebracht. In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Homecoming: The Path to Prosperity in a Post-Global World“ (Der Weg zum Wohlstand in einer post-globalen Welt) argumentiert die Kolumnistin der Financial Times und CNN-Analystin Rana Foroohar, dass wir dringend von der Globalisierung zur Regionalisierung übergehen müssen, um eine gerechtere und wohlhabendere Zukunft einzuleiten. Aber ist die Globalisierung wirklich vorbei – oder wird sie nur anders aussehen?

Wir haben sie eingeladen, ihre Thesen bei unserem New Economy Short Cut mit dem Leiter des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Holger Görg, zu diskutieren.

Rana Foroohar gab zu Beginn der Diskussion einen Einblick in die ihrem Buch zugrundeliegende Analyse und warum sie glaubt, dass die Globalisierung in ihrer jetzigen Form gescheitert ist. Im Rahmen der neoliberalen Globalisierung wurde davon ausgegangen, dass Kapital, Waren und Arbeit gleichermaßen nahtlos dorthin gelangen, wo sie am produktivsten eingesetzt werden können. Rana argumentiert, dass sich diese Annahme als fehlerhaft erwiesen hat, da sich Kapital viel schneller bewegt als Güter oder Menschen. Dies führte zwar zu mehr globalem Wachstum als je zuvor, aber auch zu mehr Ungleichheit, sowohl innerhalb als auch zwischen den Ländern.

Die Befürworter des alten neoliberalen Modells haben zwar nie bestritten, dass die zunehmende Globalisierung zunächst Arbeitsplätze in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften vernichten könnte, aber sie nahmen gleichermaßen an, dass sich die Löhne letztlich angleichen und alle profitieren würden. Stattdessen führten die zunehmende wirtschaftliche Unsicherheit und die wachsende Ungleichheit in vielen Ländern der Welt, darunter auch in den USA und Deutschland, zu sozialen Unruhen und populistischen Aufschwüngen. Covid und später der Ukraine-Krieg machten die Fallstricke des neoliberalen Globalisierungsmodells noch deutlicher.

"Plötzlich wurde klar, dass es tatsächlich eine Rolle spielt, woher Länder ihre Energie beziehen und ob sie die Produktion wichtiger Produkte auslagern. Wir sehen heute einen Trend zur Regionalisierung und Lokalisierung".
Rana Foroohar

Wichtig sei es jetzt, so Foroohar, statt über Antiglobalisierung über die Frage zu sprechen, wie die Vorteile der Globalisierung wieder gerechter zwischen Menschen und Regionen verteilt werden können.

Holger Görg merkte an, dass es zwar gute Gründe gebe, über die Zukunft der Globalisierung zu diskutieren, dass aber insgesamt die jährlichen weltweiten Exporte seit den 1970er Jahren (mit kleinen Ausnahmen während der Finanzkrise 2008/9 und der Covid-Pandemie) gestiegen seien und voraussichtlich weiter steigen würden. Gleichzeitig räumte er ein, dass die ungleiche Verteilung der Vorteile der Globalisierung erhebliche politische Gegenreaktionen ausgelöst hat. Zwar sei die Debatte über die Globalisierung bereits seit mehreren Jahrzehnten geführt, allerdings führte die aktuelle Polykrise zu einer breiteren Neubewertung der globalen Lieferketten durch die Unternehmen. Wo früher Entscheidungen nur auf der Grundlage der Produktionskosten getroffen wurden, werden jetzt auch andere Faktoren berücksichtigt. Für einige Produkte und Unternehmen könnte dies einen geringeren Globalisierungsgrad bedeuten, für andere eine stärkere Diversifizierung. Entscheidend ist laut Görg die Frage, welche dieser Entscheidungen zur Regel und welche zur Ausnahme werden.

Er fügte hinzu, dass neben geopolitischen und wirtschaftlichen Erwägungen auch die Umweltkosten globaler Lieferketten zunehmend an Bedeutung gewinnen, nicht zuletzt aufgrund des Drucks der Verbraucher.

"Der Umweltaspekt könnte einen großen Einfluss darauf haben, die Produktion wieder stärker zu regionalisieren."
Holger Görg

Der „Elefant im Raum“, so Görg, ist die Zukunft des Handels mit China. Während die USA schon vor 20, 30 Jahren ernsthaft über ihre Chinastrategie nachdachten, machte Deutschland weiter wie bisher. Während die deutsche Politik mittlerweile an einer neuen Strategie für die Zusammenarbeit mit China arbeiteten, seien die Unternehmen weiterhin uneins. Große multinationale Unternehmen änderten zwar ihre Risikoeinschätzung, aber nicht in dem Maße, dass sie China als Hochrisikostandort einstufen würden.

Rana Foroohar hingegen konzentrierte sich auf einen weiteren „Elefanten“: Technologie. Während sich im Handel mit traditionellen Gütern Veränderungen beobachten ließen, sei bei den Dienstleistungen ein konkurrierender Trend im Gange. Mit dem technologischen Fortschritt und der Umstellung der Unternehmen auf flexiblere Arbeitsmodelle und Home-Office könnte dies eine ganz neue Globalisierungswelle auslösen, einzig dieses Mal von ‚white collar‘-Jobs.

Abschließend erörterten die beiden die Frage, ob das „Onshoring“ der Produktion in die Heimat primär durch Regierungsmaßnahmen oder strategische Unternehmensentscheidungen vorangetrieben wird. In den USA, so Rana, drängt die Regierung mit dem IRA auf tiefgreifende Veränderungen, während die Unternehmen theoretisch die Macht haben, das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Kapital zu verschieben, indem sie sich für eine höhere Produktivität der Arbeitskräfte einsetzen. Dies erfordere jedoch einen Kraftakt über mehrere Dekaden. Holger Görg fügte hinzu, dass das Gleichgewicht zwischen unternehmerischen und politischen Entscheidungen und das Ausmaß, in dem Staaten protektionistische Maßnahmen ergreifen wollen, schwer vorhersehbar ist, aber dass die Zukunft und das Ausmaß der Globalisierung letztendlich immer noch stark von den Entscheidungen der Unternehmen abhängen, wo sie produzieren und verkaufen wollen.

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Nach drei Jahrzehnten schlecht gemanagter Integration ist die Globalisierung durch soziale Unzufriedenheit und den Aufstieg populistischer Kräfte bedroht. Es gilt dringend die negativen Nebeneffekte auf viele Menschen zu beheben - und klarer zu definieren, welche Herausforderungen auf lokaler oder regionaler, und welche über Grenzen hinweg angegangen werden sollten.

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