NEUES LEITMOTIV
Die New Paradigm Papers des Monats Juni
Einmal im Monat präsentiert das Forum New Economy eine Handvoll ausgewählter Forschungsarbeiten, die den Weg zu einem neuen Wirtschaftsparadigma weisen.
VON
MAREN BUCHHOLTZVERÖFFENTLICHT
15. JUNI 2023LESEDAUER
5 MINAre climate change policies politically costly?
Davide Furceri, Michael Ganslmeier, Jonathan Ostry
In dieser neuen empirischen Studie werden auf der Grundlage von OECD-Daten aus über dreißig fortgeschrittenen Volkswirtschaften zwischen 2001 und 2015 die Bestimmungsfaktoren für die politische Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen ermittelt. Die Autoren stellen fest, dass nicht-marktbasierte Maßnahmen wie Emissionsgrenzwerte und FuE-Subventionen im Durchschnitt politisch weniger kostspielig sind als marktbasierte Instrumente wie CO2-Steuern. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass die politische Unterstützung der Maßnahmen wesentlich vom Zeitpunkt abhängt. In Zeiten zunehmender sozialer Ungleichheit und steigender Energiekosten sowie bei der Verabschiedung der Maßnahmen in Wahlkampfzeiten ist Klimapolitik eher mit politischen Kosten verbunden. Regierungen können dazu beitragen, mehr Unterstützung für die Klimapolitik zu gewinnen, wenn sie ärmere Haushalte durch Instrumente der Umverteilung, der sozialen Sicherung und der aktiven Arbeitsmarktpolitik bei der grünen Transformation unterstützen. Kurz gesagt: Klimapolitische Maßnahmen erhalten eher breite Unterstützung in der Bevölkerung, wenn sie gerecht ausgestaltet sind:
"(...) Klimapolitik ist letztlich eine soziale Frage, was bedeutet, dass ausreichende soziale Mechanismen der sozialen Absicherung unerlässlich sind, um die Umsetzung weitreichender, aber notwendiger Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ermöglichen."
Mapping modern economic rents: the good, the bad, and the grey areas
Mariana Mazzucato, Josh Ryan-Collins and Giorgos Gouzouli
Ein großer Teil des in modernen Volkswirtschaften erwirtschafteten Überschusses wird in Form von „schlechten“ Renten abgeschöpft – sei es in Form von unproduktiven Finanzaktivitäten, der Überausbeutung natürlicher Ressourcen, der zunehmenden Monopolstellung von digitalen Plattformen oder immer weiter steigenden Immobilienpreisen. Mazzucato et al. argumentieren, dass die zunehmende Finanzialisierung und Marktkonzentration dazu geführt haben, dass sich diese unproduktiven Renten in den letzten Jahrzehnten angehäuft haben. Im Gegensatz zu den (vorübergehenden) „guten“ Renten, die Innovation und Investitionstätigkeit im Schumpeterschen Sinne der schöpferischen Zerstörung ankurbeln, tragen die (dauerhaften) „schlechten“ Renten dazu bei, Marktunvollkommenheiten und die steigende Vermögenskonzentration weiter anzutreiben, und führen zu kurzfristigen Unternehmensentscheidungen, die häufig zu Lasten der Arbeitnehmer gehen. Den Autoren zufolge ist die zunehmende Zahl von Aktienrückkäufen und aggressiven M&A-Strategien US-amerikanischer Unternehmen ein Anzeichen für eine wachsende Tendenz zum Rentierkapitalismus. Die derzeitigen Methoden zur Messung der wirtschaftlichen Wertschöpfung berücksichtigen nicht die unterschiedlichen wirtschaftlichen Auswirkungen von „guten“ und „schlechten“ Renten. Mit diesem Papier legen die Autoren die Grundlage für eine neue Forschungsagenda, die mehr Klarheit über moderne Renten und wirtschaftliche Wertschöpfung bringen soll.
"Was in der heutigen Diskussion oft fehlt, ist ein Verständnis dafür, wie verschiedene Akteure in der Wirtschaft zur Schaffung neuer Märkte und neuer Renten beitragen und wie diese Akteure dann für ihre Beiträge belohnt werden (...)"
Tax Design, Information, And Elasticities: Evidence From The French Wealth Tax
Bertrand Garbinti, Jonathan Goupille-Lebret, Mathilde Muñoz, Stefanie Stantcheva, Gabriel Zucman
Dieses aktuelle Arbeitspapier trägt zur Literatur über Vermögensungleichheit bei, in dem es untersucht, wie sich Steuerreformen auf die Elastizität des steuerpflichtigen Vermögens auswirken. Am Beispiel der Reform der Vermögenssteuer in Frankreich im Jahr 2011 untersuchen die Autoren, wie sich Änderungen der Informationspflichten auf das Verhalten der Steuerzahler auswirken. Seit der Reform wird nicht mehr die Vermögenszusammensetzung erfasst, sondern nur noch das Gesamtvermögen. Mittels einer neuen statistischen Methode (Dynamic Bunching) leiten die Autoren kontrafaktische Verteilungen von einer Kontrollgruppe ähnlicher, aber nicht betroffener Steuerzahler ab. Die empirischen Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die Steuerpflichtigen nach der Reform im Laufe der Jahre einen immer größeren Teil ihres Vermögens nicht angeben. Darüber hinaus scheint die Tendenz zur Steuervermeidung im Laufe der Zeit zuzunehmen und auch die unteren Vermögensklassen einzuschließen. Dies deutet nach Ansicht der Autoren darauf hin, dass eine Reduktion der Informationspflichten die Möglichkeit zur Steuervermeidung erhöht und Verluste bei den Steuereinnahmen nach sich zieht.
The cyclical behaviour of fiscal policy: A meta-analysis
Philipp Heimberger
Ob Fiskalpolitik prozyklisch, kontrazyklisch oder azyklisch wirkt, wird in der Literatur intensiv diskutiert. Die vorliegende Meta-Regression untersucht diese Frage erstmals auf der Basis der empirischen Ergebnisse in über 150 Studien und berücksichtigt dabei auch die Wechselwirkungen zwischen finanzpolitischen Entscheidungen und Wirtschaftswachstum. Den Ergebnissen dieser ersten quantitativen Synthese zufolge wirken Staatsausgaben im Durchschnitt stärker prozyklisch als Steuern. Im weltweiten Vergleich tendiert der globale Norden eher zu antizyklischer Fiskalpolitik, während der globale Süden eher zur Prozyklizität neigt. Zudem beeinflusst der Wahlzyklus die Konjunkturwirkung von Fiskalpolitik, wie es die Literatur zu ‘politischen Konjunkturzyklen’ annimmt.
The dysfunctional taboo: monetary financing at the Bank of England, the Federal Reserve, and the European Central Bank
Will Bateman & Jens van‘t Klooster
Als Reaktion auf die Pandemie legte die EZB außergewöhnlich umfangreiche Programme zum Ankauf von Staatsanleihen auf und brach damit scheinbar das ‚Tabu‘ der monetären Staatsfinanzierung. Die historische Schilderung in diesem Papier zeigt einige Beispiele für solche ‚Tabubrüche‘ auf. Die monetäre Finanzierung des öffentlichen Sektors ist in der Vergangenheit trotz öffentlicher Bekenntnisse zur Zentralbankunabhängigkeit häufig als wirtschaftspolitisches Instrument für außergewöhnliche Zeiten eingesetzt worden. Während des gesamten 20. Jahrhunderts haben die Federal Reserve und die Bank of England ihren jeweiligen Regierungen als Kreditgeber der letzten Instanz gedient. Beide Zentralbanken kauften in großem Umfang Staatsschulden auf, um Weltkriege zu finanzieren, den Wiederaufbau zu ermöglichen und die Finanzmärkte während der globalen Finanzkrise nach 2008 zu stabilisieren. Auch europäische Zentralbanken, darunter die Bundesbank, kauften vor Beginn der WWU regelmäßig Staatsanleihen auf dem Primärmarkt. In der Geschichte der Bundesbank identifizieren die Autoren ebenfalls bis zu den 1990er Jahren Beispiele für eine Art der ‚makrofinanziellen monetären Finanzierung‘, d.h., die finanzielle Unterstützung der Staatsverschuldung durch die Notenbank wurde als ein unbeabsichtigter Nebeneffekt der Gewährleistung des Funktionierens des Finanzmarktes betrachtet.
"Während der gesamten Zeit [der europäischen Staatsschuldenkrise] weigerte sich die EZB, die bisher übliche bedingungslose Unterstützung für die Märkte für Staatsanleihen zu leisten. Als das SMP im Jahr 2011 verlängert wurde, traten beide deutschen EZB-Ratsmitglieder aus Protest zurück. Das ist, wie wir heute sehen, überraschend: Vor der WWU hatte die Bundesbank den Standpunkt vertreten, dass stabile Anleihemärkte eine Voraussetzung für Geldwertstabilität sind."