NEUES LEITMOTIV

Die New Paradigm Papers des Monats Oktober

Einmal im Monat präsentiert das Forum New Economy eine Handvoll ausgewählter Forschungsarbeiten, die den Weg zu einem neuen Wirtschaftsparadigma weisen.

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

19. OKTOBER 2023

LESEDAUER

4 MIN

Industriepolitik mit Konditionalitäten: Eine Taxonomie und Fallbeispiele

Von Mariana Mazzucato & Dani Rodrik

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Die Industriepolitik erlebt weltweit einen Aufschwung. Die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, aber auch Länder wie Brasilien und Südafrika investieren in Maßnahmen zur Förderung der heimischen Industrie und zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums. Diese neue Industriestrategie zielt darauf ab, umweltfreundlichere, integrativere und widerstandsfähigere Volkswirtschaften zu schaffen. In einem kürzlich veröffentlichten Paper argumentieren Mariana Mazzucato und Dani Rodrik, dass der Schlüssel zu diesem neuen Ansatz darin liegt, eine Neuorientierung des Wirtschaftswachstums im Sinne von weniger Ungleichheit und mehr Nachhaltigkeit in Instrumente wie Subventionen, Kredite, Zuschüsse und geistige Eigentumsrechte in öffentlich-privaten Partnerschaften einzubetten. Diese Konditionalität gewährleistet einen gerechten Zugang und eine gerechte Verteilung der Vorteile und wird von den Autoren als zentrales Element der Gestaltung einer Gemeinwohl-Wirtschaft angesehen. Obwohl das Konzept der Konditionalität historisch implizit in der Industriepolitik enthalten ist, argumentieren Mazzucato und Rodrik, dass es immer noch unterentwickelt und nicht umfassend erforscht ist. Mit diesem Paper wollen die Autoren einen Rahmen für das Verständnis der verschiedenen Formen der Konditionalität in politischen Maßnahmen wie Finanzierungsvereinbarungen, Partnerschaftsabkommen und Steueranreizen schaffen, wobei der Schwerpunkt auf der Förderung eines inklusiven und nachhaltigen Wirtschaftswachstums liegt.

Warum Frauen gewonnen haben

Von Claudia Goldin

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In dieser neuen Studie untersucht die Nobelpreisträgerin Claudia Goldin die Rolle der Erwerbsbeteiligung von Frauen auf dem Weg zur rechtlichen Gleichstellung mit Männern in den USA. Ihre historische Analyse reicht bis zur Bürgerrechtsbewegung zurück. Zwischen 1905 und 2023 identifiziert Goldin 155 Schlüsselmomente, in denen Errungenschaften im Bereich der Frauenrechte erzielt wurden. Sie stellt fest, dass knapp die Hälfte (45 %) davon in nur ein Jahrzehnt – die Jahre zwischen 1963 und 1973 – fielen. Sie führt diese Fortschritte allem voran auf die deutliche Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen zurück, sowie die Gründung von Frauenrechtsorganisationen, die Anerkennung der Bedeutung des Frauenwahlrechts und den unermüdlichen Einsatz verschiedener Kongressabgeordneter im selben Zeitraum.

Die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Inflation: Durchschnittswerte, Saisonalität und Extreme

Von Maximilian Kotz, Friderike Kuik, Eliza Lis, Christiane Nickel

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Während das Verständnis der weitreichenden wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels zunimmt, ist das Wissen über seine Auswirkungen auf die vergangene und zukünftige Inflation noch begrenzt. In einem aktuellen EZB-Working Paper verwenden Maximilian Kotz et al. einen globalen Datensatz monatlicher Verbraucherpreisindizes, um die kausalen Zusammenhänge zwischen Klimaschwankungen und Inflation zu identifizieren und deren Auswirkungen in einer sich erwärmenden Zukunft abzuschätzen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass steigende Durchschnittstemperaturen zu einem nichtlinearen Inflationsdruck führen, der bis zu einem Jahr anhält und sowohl Länder mit hohem als auch mit niedrigem Einkommen betrifft. Die Projektionen fortgeschrittener Klimamodelle zeigen, dass die zukünftige globale Erwärmung, sofern keine beispiellosen Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden, zu einem jährlichen Anstieg der Nahrungsmittelpreise und der Gesamtinflation führen wird, der auf der Grundlage der Klimaprojektionen für 2035 zwischen 0,92 und 3,23 bzw. 0,32 und 1,18 Prozentpunkten pro Jahr liegt. Darüber hinaus zeigen ihre Schätzungen, dass die extreme Hitze des Sommers 2022 in Europa zu einem Anstieg der Lebensmittelinflation um 0,67 Prozentpunkte (mit einer Spanne von 0,43 bis 0,93) geführt hat und dass die für 2035 prognostizierte künftige Erwärmung die Auswirkungen solcher Extremereignisse um 50 % verstärken würde. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Klimawandel eine Bedrohung für die Preisstabilität darstellt, indem er die Inflation anheizt, ihre saisonalen Muster verändert und die Auswirkungen extremer Klimaereignisse verstärkt.

Nullsummen-Denken und die Wurzeln der politischen Spaltung in den USA

Von Sahil Chinoy, Nathan Nunn, Sandra Sequeira & Stefanie Stantcheva

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In einer neuen Studie haben Forscher der Harvard University, der University of British Columbia und der London School of Economics eine repräsentative Stichprobe von 20.400 US-Bürgern befragt, um den Zusammenhang zwischen Nullsummendenken, politischen Präferenzen und politischen Ansichten zu untersuchen. Beim Nullsummendenken wird angenommen, dass Maßnahmen, die einer Person oder Gruppe Nutzen bringen, zulasten anderer gehen müssen. Die Ergebnisse deuten auf einen starken Zusammenhang zwischen Nullsummendenken und einer stärkeren Unterstützung für staatliche Umverteilung, ethnisch- und geschlechtsspezifische Maßnahmen sowie eine restriktivere Einwanderungspolitik hin. Darüber hinaus können die ForscherInnen die Wurzeln des Nullsummendenkens sowohl auf die persönlichen Erfahrungen einer Person als auch auf ihren familiären Hintergrund zurückführen. Zu diesen Faktoren gehören das Ausmaß der Aufwärtsmobilität zwischen den Generationen, die Frage, ob sie selbst oder ihre Vorfahren in die Vereinigten Staaten eingewandert sind, die Nähe zur Einwandererbevölkerung und die Frage, ob sie selbst oder ihre Vorfahren versklavt waren oder in Gebieten mit einer Geschichte der Versklavung gelebt haben.

Die politischen Kosten der Austerität

Von Ricardo Duque Gabriel, Mathias Klein & Ana Sofia Pessoa

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Diese Studie von Ricardo Duque Gabriel et al. präsentiert neue empirische Erkenntnisse über die politischen Auswirkungen von Haushaltskonsolidierungen. Die ForscherInnen nutzen hierfür eine innovative regionale Datenbank, die mehr als 200 Wahlen in verschiedenen europäischen Ländern umfasst. Zu den Auswirkungen der Haushaltskonsolidierung gehören ein bemerkenswerter Anstieg des Stimmenanteils extremer politischer Parteien, eine geringere Wahlbeteiligung und eine zunehmende politische Fragmentierung. Die Studie unterstreicht den starken Zusammenhang zwischen ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklungen und der Unterstützung extremistischer Parteien durch die Wählerschaft. Die Autoren zeigen auch, dass Sparmaßnahmen erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen, die sich in einem Rückgang des BIP, der Beschäftigungsquoten, der privaten Investitionen und der Löhne niederschlagen. Rezessionen, die durch Sparmaßnahmen verursacht werden, verstärken die politischen Auswirkungen von Wirtschaftsabschwüngen erheblich, indem sie das Misstrauen in die politische Landschaft erhöhen.

NEUES LEITMOTIV 4. AUGUST 2023

Die New Paradigm Papers des Monats August

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NEUES LEITMOTIV 3. JULI 2023

Die New Paradigm Papers des Monats Juli 2023

Einmal im Monat präsentiert das Forum New Economy eine Handvoll ausgewählter Forschungsarbeiten, die den Weg zu einem neuen Wirtschaftsparadigma weisen.

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Nach ein paar Jahrzehnten allzu naivem Marktglaubens brauchen wir dringend neue Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – und mehr: ein ganz neues Paradigma als Leitfaden. Wir sammeln alles zu den Leuten und der Community, die sich mit dieser großen Frage beschäftigen, sowie mit der historischen wie heutigen Wirkung von Paradigmen und Narrativen – ob in neuen Beiträgen, Auftritten, Büchern und Veranstaltungen.

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