NEUES LEITMOTIV
Die New Paradigm Papers des Monats November
Einmal im Monat präsentiert das Forum New Economy eine Handvoll ausgewählter Forschungsarbeiten, die den Weg zu einem neuen Wirtschaftsparadigma weisen.
VON
SONJA HENNENVERÖFFENTLICHT
23. NOVEMBER 2023LESEDAUER
5 MINDas (steuerliche) Geschlechtergefälle bei elterlichen Übertragungen. Evidenz aus administrativen Erbschafts- und Schenkungssteuerdaten
Daria Tisch, Manuel Schechtl
Diese Studie untersucht, wie das deutsche Steuersystem in Verbindung mit konservativen Einstellungen in wohlhabenden Familien Frauen indirekt benachteiligt. Tisch und Schechtl identifizieren zwei Hauptgründe: Zum einen, weil Männer im Schnitt deutlich mehr erben und auch mehr Schenkungen als Frauen erhalten. Zum anderen, weil das, was Frauen bekommen, im Schnitt weniger wert ist. Hinzu kommt, dass Frauen oft andere Schenkungen erhalten als Männer. Frauen bekommen eher Immobilien und andere Wertgegenstände wie Aktien oder Bargeld, Männer eher das Familienunternehmen oder Forst- und Landbetriebe. Unternehmen werden im Steuersystem besonders günstig behandelt, so dass Männer stärker von den bestehenden Steuerbefreiungen profitieren. Töchter hingegen erben Vermögen, die höher besteuert werden, wie zum Beispiel Bargeld. Die Forscher bezeichnen dies als „Gender Tax Gap“ oder „Gender Gift Gap“. Das Steuersystem ist somit ein weiterer Faktor, der bei der Reproduktion der geschlechtsspezifischen Vermögensungleichheit eine Rolle spielt.
Milliardär-Politiker: Eine globale Perspektive
Daniel Krcmaric, Stephen C. Nelson, Andrew Roberts
Diese Studie untersucht die Repräsentanz von Milliardären in politischen Ämtern. Die Autoren stützen ihre Untersuchung auf einen Originaldatensatz von über 2.000 Personen, die in der Forbes Billionaires List aufgeführt sind. Sie stellen fest, dass Milliardärspolitiker ein überraschend häufiges Phänomen sind: Mehr als 11% der Milliardäre weltweit haben ein politisches Amt inne oder streben es an. Diese Quote der politischen Partizipation ist selbst im Vergleich zu anderen Elitegruppen, die dafür bekannt sind, Politiker aus ihren Reihen hervorzubringen, als hoch einzustufen. Darüber hinaus konzentrieren die Milliardäre in der Studie ihre politischen Ambitionen auf einflussreiche Positionen, weisen eine starke Erfolgsbilanz bei Wahlen auf und tendieren ideologisch eher zur Rechten. Die Studie zeigt auch erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern, die darauf hindeuten, dass die Anzahl der Milliardärspolitiker in einem Land nicht einfach das Produkt der Gesamtzahl der Milliardäre ist, sondern vielmehr mit dem Regimetyp zusammenhängt. Insbesondere in Autokratien treten Milliardäre sehr viel häufiger formell in die Politik ein als in Demokratien.
Wirtschaftswachstum unter transformativer KI
Philip Trammell & Anton Korinek
Dass die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz die Arbeitswelt verändern wird, scheint klar. Aber wie genau wird sich KI auf Wachstum und Arbeitsproduktivität auswirken? Dieser Frage gehen Philip Trammell und Anton Korinek in einem neuen Working Paper nach. Sie untersuchen die möglichen Mechanismen, durch die KI Veränderungen im Wachstum der Pro-Kopf-Produktion und der Lohnquote bewirken könnte. Die Autoren beginnen mit der Untersuchung von Modellen, in denen KI zu einer Steigerung der Produktionsleistung beiträgt, möglicherweise durch eine erhöhte Substituierbarkeit von Arbeit durch Kapital oder durch die Automatisierung von Aufgaben. Dies spiegelt die Idee wider, dass KI es dem Kapital ermöglicht, sich „selbst zu reproduzieren“, was zu beschleunigtem Wachstum und einer Verringerung der Lohnquote führt. In einem weiteren Schritt untersuchen sie Modelle, in denen KI die Wissensproduktion steigert, also die „Selbstverbesserung“ des Kapitals erleichtert und dadurch das Wachstum weiter beschleunigt. Insgesamt deutet die Literatur laut Korinek und Trammell darauf hin, dass eine hinreichend fortgeschrittene KI wahrscheinlich beide Effekte haben wird.
Kapital vs. Arbeit: Der Einfluss von Einkommensquellen auf die Einstellung gegenüber dem obersten 1 Prozent
Oscar Barrera-Rodriguez, Emmanuel Chavez
Ändert sich die Wahrnehmung des Einkommens der obersten 1% der Einkommensbezieher, wenn Informationen über die Art ihres Einkommens zur Verfügung gestellt werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich dieses neue Working Paper des World Inequality Lab. Die Autoren führten eine randomisierte Online-Umfrage unter 2000 französischen Befragten durch, um zu untersuchen, wie sich die Präsentation von Informationen über das Einkommen der obersten 1% auf die Einstellungen gegenüber dieser Gruppe auswirkt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Befragten dazu neigen, das Einkommen der obersten 1% zu überschätzen, dass sie keine klare Vorstellung von ihrem Anteil an Kapital und Arbeit haben und dass sie möchten, dass die oberen 1% einen höheren Einkommensteuersatz als den derzeitigen zahlen. Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Bereitstellung von quantitativen Informationen über die Einkommensquellen der obersten Einkommensklasse die Einstellungen gegenüber den Reichen durchweg negativ verschiebt, die Befragten den Reichsten also kritischer gegenüberstehen.
Monetäre Architektur und die Grüne Transformation
Steffen Murau, Armin Haas und Andrei Guter-Sandu
Die Frage, wie der Übergang zur Klimaneutralität finanziert werden kann, ist nach wie vor offen. Eine neue Studie trägt zur bestehenden Literatur bei, indem die Autoren einen neuen systematischen Rahmen für eine grüne „monetäre Architektur“ entwickeln. Die Autoren konzeptualisieren dabei das Geld- und Finanzsystem als ein sich ständig weiterentwickelndes und hierarchisches Netzwerk ineinander greifender Bilanzen. Am Beispiel der Vereinigten Staaten simulieren die Autoren eine systemische Finanzierungsdimension, die den gesamten verfügbaren Elastizitätsspielraum in der monetären Architektur ausnutzt. Dies impliziert eine Arbeitsteilung zwischen „Feuerwehr“-Bilanzen wie Zentralbanken oder Finanzministerien und „Arbeitspferd“-Bilanzen – darunter außerbilanzielle Finanzinstitutionen oder Schattenbanken. Die Autoren schlagen vor, dass öffentliche „Arbeitspferd“-Bilanzen eine Bilanzausweitung initiieren und dann den Rest der monetären Architektur – insbesondere Schattenbanken – für die langfristige Finanzierung nutzen sollten. „Feuerwehren“ sollten eine Rolle bei der Verhinderung systemischer Instabilität und der Bewältigung einer möglichen Schrumpfung spielen.