UNGLEICHHEIT

Bringt eine Erbschaftsteuer doch nichts? Re-Cap zum Launch unseres Vermögens-Simulators

Aus unserer Newsletter Reihe.

VON

THOMAS FRICKE

VERÖFFENTLICHT

20. NOVEMBER 2023

LESEDAUER

4 MIN

Was würde wirklich etwas ändern an den Vermögensverhältnissen in Deutschland? Eine höhere Steuer auf Vermögen oder Erbschaften? Oder ein Startkapital für alle? Dass es mehr bringen könnte, den Vielen Vermögen zu ermöglichen, hatten wir ein wenig geahnt, als wir mit Timm Bönke und Charlotte Bartels den Vermögens-Simulator zu entwickeln begannen, den wir vergangene Woche vorgestellt haben. Dass sich die prozentualen Anteile der reichsten zehn Prozent so gut wie gar nicht ändern, wenn mehr Erbschaftsteuern eingetrieben würden, wirkte dann doch erst einmal überraschend. Dabei ist das bei näherem Hinsehen gar kein so großes Wunder.

Zwar konnte beim Simulieren nicht eingerechnet werden, was es hieße, viele der Ausnahmen abzuschaffen, die hohe Unternehmenserbschaften derzeit bekommen. Selbst das würde die Kernbotschaft aber nicht grundsätzlich ändern, wie einige Gegentests zeigen. Wenn eine Vermögen- oder Erbschaftsteuer so wenig an den Verhältnissen ändern würde, habe das auch mit dem Ausmaß der Konzentration von Vermögen zu tun, die es in Deutschland heute gebe, so Charlotte Bartels. Nur 30 Prozent der Deutschen erben in ihrem Leben überhaupt etwas. Und in den meisten Fällen liegen die Summen deutlich unter den gängigen Freibeträgen. Kleines Rechenexempel: würden jährlich zehn Prozent der gängig geschätzten 300 bis 400 Milliarden Erbschaften und Schenkungen versteuert, ergäbe das 30 bis 40 Milliarden Euro – bei einem Gesamtvermögen von mehreren Billionen Euro ist das zu wenig, um an den Prozentverhältnissen viel zu verschieben.

Das heißt nicht, dass es deswegen nichts bringt, Erbschaften konsequenter zu besteuern – und sei es, um etwa ein Startkapital für junge Menschen zu finanzieren. Nur dass das wenig an der Verteilung ändert – was wiederum nach Auswertung des Vermögens-Simulators bei der Einführung eines Startkapitals durchaus der Fall wäre.

Über Details lässt sich streiten. Und wie genau eine gute Kombination von Instrumenten aussähe, ist aus den ersten Ergebnissen des Simulators in dieser Phase nicht ableitbar. Das wird in der nächsten Phase des Projekts ausgelotet. Eine große Erkenntnis bringen die isolierten Maßnahmen-Tests dennoch: dass es viel weniger ändern würde als gängig vermutet, die Reichen ein bisschen zu besteuern – und deutlich mehr, der Masse ein Startkapital zu geben.

Das zu erkennen, ist schon ein großer Fortschritt für die immer wieder hoch emotionalen Debatten über Reich und Arm, in denen es bis vor Kurzem oft schon an guten Daten mangelte. Schon dafür hat sich die Entwicklung des Vermögens-Simulators gelohnt.

Für alle, die nicht dabei sein konnten, gibt es auf unserer neuen Rebalance-Website alles jetzt nochmal zum Nachsehen und -lesen. Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze gibt es hier. Dazu eine kurze Einführung, das Interview mit Charlotte Bartels und die Präsentation der Simulator-Ergebnisse, ebenso wie kurze Interviews zu Startkapital und Steuern mit Mario Czaja von der CDU, Norbert Walter-Borjans und Fabio de Masi. Wie ungleich Vermögen in Deutschland verteilt sind, haben wir derweil in einem neuen Basic Paper zusammengetragen.

Und wenn Sie noch ein paar Minuten haben, lohnt es, den Mitschnitt von Keynote und Talk des weltweit renommierten Ungleichheitsforschers Branko Milanovic nachzusehen.

Dieser Text stammt aus unserer zweiwöchig erscheinenden Newsletter-Reihe. Zur Anmeldung geht es hier.

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Das Gefälle zwischen Arm und Reich scheint selbst in einem Land wie Deutschland zunehmend den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Um den Trend umzukehren, ist es wichtig, die wirklichen Ursachen des Auseinandergehens von Einkommen und Vermögen zu verstehen.

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