UNGLEICHHEIT
Zweiteilige Forum New Economy Studie – Zur Ungleichheit in Deutschland
In einer zweiteiligen Studie im Auftrag des Forum New Economy untersuchen Charlotte Bartels und Carsten Schröder den Stand und die Treiber von Ungleichheit in Deutschland.
VON
FORUM NEW ECONOMYVERÖFFENTLICHT
11. DEZEMBER 2020LESEDAUER
5 MINWie ungleich Deutschland wirklich ist
Es hat fast schon etwas Tragikomisches: gerade ein paar Tage ist es her, dass Forscher meldeten, die Ungleichheit im Land nehme durch Corona weiter zu– schon gibt es die Gegenmeldung: die Ungleichheit nehme durch Corona eher ab. Im Grund wie fast immer, wenn es um die große Frage nach der Ungleichheit in Deutschland geht. Es dürfte kein gesellschaftlich auch nur ansatzweise so emotionales Thema geben, zu dem es so hastig immer auch Entwarnungsversuche gibt – und es so schwer zu sein scheint, die Wahrheit mal festzulegen. Dass das so ist, war für uns Anlass, vor eineinhalb Jahren ein Projekt anzustoßen, in dem hoch renommierte Forscher mit internationaler Unterstützung ausloten sollten, was wirklich bekannt ist – und was nicht. Die ersten beiden Studien sind jetzt fertig – und weiter unten abrufbar.
Wer sich da reinliest, ahnt rasch, wie es kommen kann, dass so unterschiedliche Aussagen zu ein und derselben Frage kursieren, wie ungleich es im Land zugeht – und dass es trotzdem einen zentralen Befund gibt. Es gibt halt nicht überall und immer und nur Ungleichheit auf allen Ebenen. Wer darlegen will, dass alles nicht so schlimm ist, kann daher darauf verweisen, dass etwa die Stundenlöhne seit geraumer Zeit nicht mehr auseinanderdriften – oder dass die relative Verteilung der bestehenden Vermögen seit Jahren nicht mehr größer geworden ist. Das stimmt, nur spiegelt es lediglich (selektiv gewählte) Bruchstücke der Wirklichkeit. Die Stundenlöhne sind zuvor, in den 1980er- und 1990er-Jahren, drastisch auseinandergelaufen – und der Abstand ist selbst im Aufschwung nach 2005 nicht spürbar gesunken (anders als es alte Trickle-Down-Thesen hätten vermuten lassen). Ist das dann wirklich Grund zur Entwarnung? Die Monatslöhne drifteten derweil ohnehin weiter auseinander, weil viele nur noch Teilzeit oder in Zeitarbeit schaffen. Ähnliches gilt in Sachen Vermögen: die sind in der oberen Hälfte seit etwa 2012 nicht weiter auseinandergedriftet. Nur lag das vor allem daran, dass die obere Mittelschicht dank steigender Immobilienpreise reicher geworden ist – der Abstand zwischen denen ganz oben und der finanziell unteren Hälfte der Bevölkerung hat sich dagegen drastisch erhöht.
Egal, wie man es dreht und wendet: das Problem ist real. Auch wenn die Wirklichkeit nicht durchweg schwarz (oder weiß) ist. Umso spannender ist, was die Forscher zu den Ursachen des Auseinanderdriftens herausgefunden haben.
Zweiteilige Forum New Economy Studie – Zur Ungleichheit in Deutschland
Teil I und II dieses mehrjährigen Forschungsprojekts wurden von Charlotte Bartels und Carsten Schröder vom DIW durchgeführt und sind nun als Forum New Economy Basic Paper Nr. 2 und Forum New Economy Working Paper Nr. 7 erschienen.
Teil I – Forum New Economy Basic Paper
Dieses Papier hat drei grundsätzliche Ziele. Erstens: Bei der Messung von Ungleichheit werden oft viele kritische Entscheidungen getroffen. In diesem Papier werden deshalb die wichtigsten methodischen Entscheidungen überprüft, darunter die der Bezugseinheit (z.B. Individuen vs. Haushalte) und der Datenquelle (z.B. administrative vs. Umfragedaten). Zweitens wird ein Überblick über die Literatur zu Einkommens-, Konsum- und Vermögensungleichheiten gegeben. Drittens verwendet das Papier einen intertemporal harmonisierten Datensatz, basierend auf der deutschen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (siehe Bönke et al., 2013), um eine konsistente Zeitreihe von Einkommens-, Konsum- und Vermögensungleichheiten in Deutschland zu erstellen.
Teil II – Forum New Economy Working Paper
Dieses Papier untersucht die Treiber von Ungleichheit. Insbesondere quantifizieren die Autoren den Beitrag der Mieteinkommen an der Einkommensungleichheit und den des Immobilienvermögens an der Netto-Vermögensungleichheit zwischen 2002 und 2017 in Deutschland. Außerdem wird nach Regionstypen (städtisch vs. ländlich, große vs. kleine Gemeinden) und Bundesländern differenziert. Ergebnis: Wohnvermögen, Wohneigentum und Mieteinnahmen insbesondere in großen Gemeinden und städtischen Gebieten haben zugenommen; Mieteinnahmen erklären einen zunehmenden Anteil der Einkommensungleichheit; und der Beitrag des Hauptwohnsitzes an der Vermögensungleichheit hat zugenommen, während der Beitrag anderer Immobilien gesunken ist. Außerdem finden die Autoren eine höhere Mietbelastung für das zweite Quintil und das oberste Quintil der Einkommensverteilung.