GLOBALISIERUNG, NEUES LEITMOTIV

From glorious globalization to a world in crises – and back?

Eine Zusammenfassung des Berlin Summit „Winning back the people“, Mai 2024

VON

ANNE ZWEYNERT DE CADENA

VERÖFFENTLICHT

3. JULI 2024

LESEDAUER

3 MIN.

Die Globalisierung wurde über Jahrzehnte hinweg basierend auf dem Versprechen vorangetrieben, dass alle davon profitieren würden und dass die zunehmende Verflechtung der Volkswirtschaften Stabilität und Frieden auf der Welt garantieren würde.

 

Auch wenn die Globalisierung weltweit für Wachstum und Wohlstand gesorgt hat, hat die ungleiche Verteilung der Gewinne in den letzten Jahren zu einer zunehmenden Unzufriedenheit benachteiligter Gruppen und Regionen mit einer immer tieferen Handels- und Finanzintegration geführt. In den USA und in Europa haben die Regierungen begonnen, ihre wirtschaftlichen Prioritäten zu überdenken, und damit einen Trend zu einer ausgewogeneren Form der Globalisierung in Gang gesetzt, die die Vorteile des Freihandels mit der Bewältigung wichtiger nationaler Probleme in Einklang bringt.

 

Spätestens seit der Amtszeit von Donald Trump greifen Regierungen zunehmend auf geoökonomische Mittel zurück, um wirtschaftliche und außenpolitische Ziele zu erreichen, was letztlich zu einer Eskalation geopolitischer Spannungen geführt hat. Von nationalen Sicherheitsbedenken getriebenes De-Risking steht auf der Tagesordnung und markiert eine deutliche Zäsur in der Geschichte der Globalisierung.

 

Auf dem Berlin Summit Ende Mai haben Moritz Schularick, Adam Tooze, Daniela Schwarzer und Rob Johnson im Rahmen einer Podiumsdiskussion erörtert, was dies für die Bemühungen um eine neue wirtschaftspolitische Agenda bedeutet, die dazu beitragen soll, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen und die Schäden des übertriebenen Marktliberalismus der letzten Jahrzehnte zu beheben.

 

Moritz Schularick und Adam Tooze führen den Beginn der jüngsten geopolitischen Konfrontation auf den Zusammenbruch unseres Wirtschafts- und Finanzsystems in der Finanzkrise von 2008 und deren Folgen – insbesondere die Austeritätspolitik – zurück, die den Niedergang des Westens und den Aufstieg Chinas und anderer Schwellenländer in Gang setzte.

 

Der darauffolgende Übergang von einer regelbasierten zu einer machtbasierten Ordnung stellt eine große Herausforderung für Europa dar. Wie Daniela Schwarzer betonte, ist Europa weltweit von einer regelbasierten Ordnung abhängig, und sein Einfluss bei Verhandlungen ist nun relativ gering. Sie sieht im Wiederaufbau einer europäischen Sicherheitsordnung eine Voraussetzung dafür, dass wir eine Vision für unser Wirtschafts- und Demokratiemodell entwickeln. Regierungen werden viel mehr in ihre eigene Sicherheit investieren müssen. Angesichts einer enormen Versicherheitlichung (oder Securitization), die dazu genutzt werden kann, außergewöhnliche Maßnahmen unter Umgehung demokratischer Regeln und Verfahren zu ergreifen, appellierte sie jedoch, die sozioökonomische Kluft und das Gefühl der Menschen, abgekoppelt zu sein, nicht zu vernachlässigen. Die Bewältigung dieser verschiedenen Herausforderungen, so Schwarzer, stellte letztlich einen finanziellen Zielkonflikt dar.

 

„Die Kosten für den Schutz der Errungenschaften, die wir in Europa und anderen Teilen der westlichen Welt haben, werden höher sein. Und hier liegt die große und schwierige Abwägung, die wir machen müssen. Denn wenn uns die Sicherheit mehr kostet, wo sollen wir dann sparen?“ Daniela Schwarzer

 

Moritz Schularick bekräftigte, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf die Wechselwirkung zwischen der Sicherheitsagenda und progressiven wirtschaftspolitischen Projekten richten müssen. Beide sollten gemeinsam und nicht als gegensätzlich betrachtet werden. Eine Erpressbarkeit im Verteidigungsbereich würde unsere Ambitionen gefährden, ein wirtschaftlich erfolgreiches, sicheres und einflussreiches Europa zu sein, globale öffentliche Güter zu schaffen und den Klimawandel zu bekämpfen.

 

„In dieser neuen Ordnung (…) werden wir sehr genau darüber nachdenken müssen, wie die Sicherheitsagenda uns in die Lage versetzen wird, progressive wirtschaftspolitische Projekte voranzutreiben.“ Moritz Schularick

 

Adam Tooze sieht in der Securitization in erster Linie eine große konzeptionelle Veränderung, die seiner Meinung nach keine grundlegenden makrosozialen oder makroökonomischen Zielkonflikt darstellt.

Die gesamte Podiumsdiskussion können Sie hier (in englischer Sprache) anschauen:

ZUM THEMA GLOBALISIERUNG

KNOWLEDGE BASE

Nach drei Jahrzehnten schlecht gemanagter Integration ist die Globalisierung durch soziale Unzufriedenheit und den Aufstieg populistischer Kräfte bedroht. Es gilt dringend die negativen Nebeneffekte auf viele Menschen zu beheben - und klarer zu definieren, welche Herausforderungen auf lokaler oder regionaler, und welche über Grenzen hinweg angegangen werden sollten.

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