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Earth4All - Ein Leitfaden für Wellbeing

Sandrine Dixson-Declève und Per Espen Stoknes stellen Erkenntnisse aus dem neu veröffentlichten Bericht des Club of Rome "A survival guide for our planet" vor, in dem sie eine drastische Wende in der internationalen Wirtschafts- und Klimapolitik fordern.

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

2. SEPTEMBER 2022

LESEDAUER

3 MIN

Die Welt steht an einem Scheideweg. Ein Weg führt zu einer wohlhabenden Zukunft für viele, sicher innerhalb der planetarischen Grenzen. Der andere zum Kollaps unseres bestehenden wirtschaftlichen und politischen Systems und einer erheblichen Verringerung des globalen Wohlstands. Eine neue Studie des Club of Rome fordert daher drastische politische Veränderungen und skizziert einen „planetarischen Überlebensleitfaden“.

Sandrine Dixson-Declève und Per Espen Stoknes, zwei der Autoren des Earhth4All-Berichts, eines Projekts des Club of Rome und weiterer Forschungsinstitute, stellten das der Studie zugrunde liegende Modell Anfang dieser Woche auf unserem Symposium 50 Jahre Grenzen des Wachstums vor.

Bevor er auf die Einzelheiten des Modells einging, rekapitulierte Per Espen Stoknes den dramatischen weltweiten Anstieg der Ungleichheit. In Verbindung mit den globalen ökologischen Trends ergeben sich laut Stoknes nur zwei mögliche Szenarien, wie die Welt sich entwickeln könne. Szenario eins, bei dem wir so weitermachen wie bisher und die verheerenden Trends der letzten Jahrzehnte beibehalten. Und ein zweites, das einen gewaltigen Sprung und außergewöhnliche sozio-ökonomische Veränderungen erfordert, aber zu einer gerechteren und wohlhabenderen Zukunft für alle führen könnte.

Im Gegensatz zu den üblichen makroökonomischen Gleichgewichtsmodellen arbeitet Earth4All mit einem Simulationsmodell, das bis ins Jahr 2100 reicht. Das Modell umfasst zehn verschiedene Weltregionen und berücksichtigt alle neun planetarischen Grenzen. Der Zweck des Modells besteht laut Stoknes darin, unser Denken herauszufordern und die Einbeziehung von Komplexität und langfristigen Trends in die Simulation zu ermöglichen. Im Mittelpunkt des Modells steht die Wechselbeziehung zwischen Wohlstand und Vertrauen. Wenn die Ungleichheit zunehme, sinke das soziale Vertrauen. In dem Maße, wie das soziale Vertrauen abnimmt, verringere sich auch die Geschwindigkeit des öffentlichen Handelns. Dies führe zu weniger stabilen Regierungen, ineffektiven Maßnahmen, bei denen eine Regierung die Maßnahmen der Vorgängerregierung rückgängig macht, sowie zu einem allgemeinen Anstieg der Koordinierungskosten. Ein langsameres Tempo des öffentlichen Handelns wiederum resultiere in größerer Ungleichheit. Ein Teufelskreis. Unser Ziel müsse es daher sein, Wege in der Politikgestaltung zu finden, um diesen Kreislauf zu durchbrechen und stattdessen eine Wellbeing Economy zu schaffen, so Stoknes.

Um politische Empfehlungen herauszuarbeiten, fokussiert sich das Modell auf fünf zentrale Wirkhebel, die entscheidend sind, um die Welt von ihrem derzeitigen, destruktiven Weg abzubringen. Dazu gehören die Beendigung der Armut, die Bekämpfung der Ungleichheit, die Verbesserung der Gleichstellung der Geschlechter, ein verändertes Ernährungssystem und der Übergang zu sauberer Energie. Für jeden dieser fünf Bereiche werden in dem Bericht drei zentrale politische Empfehlungen ausgesprochen. In Bezug auf die Ungleichheit sind dies beispielsweise die progressive Besteuerung, die verstärkte gewerkschaftliche Organisierung und eine allgemeine globale Grunddividende.

Als ein zentrales Ergebnis des Berichts stellen die Autoren die außerordentliche Rolle der Ungleichheit heraus.

"Ohne eine Umverteilung des Reichtums kann die Klimakrise nicht gelöst werden. Die Geschwindigkeit des Handelns in Bezug auf die planetarischen Grenzen ist abhängig von der Geschwindigkeit des Handelns in Bezug auf Ungleichheit und Armut."
Per Espen Stoknes

Sandrine Dixson-Declève fügte hinzu, dass das Wissen über die Dringlichkeit der Krise und mögliche Lösungsansätze an jeden Bürger weitervermittelt werden müsse. Das Earth4All-Modell zeige deutlich das Potenzial für einen Wandel, so Dixson-Declève.

"Wie auch immer es aussehen mag, wir brauchen ein neues Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Wir müssen unser Weltbild von einer extraktiven zu einer regenerativen Wirtschaft verändern. Wie erschließen wir dieses Potenzial? Indem wir klare Lösungen anbieten."
Sandrine Dixson-Declève

Um dies zu erreichen, müssen die globalen Gemeingüter wirksamer besteuert und die Gewinne daraus wieder an die Bürger zurückverteilt werden. Dixson-Declève betonte auch die Notwendigkeit, Frauen zu stärken und dafür zu sorgen, dass sie stärker in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

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