NEUES LEITMOTIV

Die New Paradigm Papers des Monats April

Einmal im Monat präsentiert das Forum New Economy eine Handvoll ausgewählter Forschungsarbeiten, die den Weg zu einem neuen Wirtschaftsparadigma weisen.

VON

DAVID KLÄFFLING

VERÖFFENTLICHT

30. APRIL 2025

LESEDAUER

5 MIN.

Convergence? Thoughts about the Evolution of Macroeconomics Over the Last 40 Years

Olivier Blanchard

Zum 40-jährigen Jubiläum der NBER Macro Annual Conference blickt Olivier Blanchard auf die Entwicklung der Makroökonomie in den vergangenen vier Jahrzehnten zurück. Dabei stützt er sich auf die Einschätzungen von 27 renommierten Makroökonom:innen. Sein Fazit: Die Disziplin hat sich methodisch stark weiterentwickelt, insbesondere durch die vermehrte Nutzung von dynamisch-stochastischen allgemeinen Gleichgewichtsmodellen (DSGE). Der Vorteil dieser Modelle liegt darin, dass sie eine einheitliche Struktur bieten, um Forschung zu betreiben und Diskussionen zu führen. Zudem lassen sich zahlreiche Erweiterungen in diese Grundstruktur integrieren – etwa kurzsichtige Präferenzen, kognitive Verzerrungen, Heterogenität oder wirtschaftliche Friktionen wie Kreditbeschränkungen.

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Paths to the Periphery

James A. Robinson

In einem kürzlich veröffentlichten Artikel basierend auf seiner Nobelvorlesung aus dem Dezember 2024 fasst James Robinson seine Forschung zur Bedeutung von Institutionen für wirtschaftliches Wachstum zusammen. Während inklusive Institutionen (z. B. Rechtsstaatlichkeit) durch breit angelegte Anreize und Chancen Wachstum fördern, stehen dem extraktive Institutionen (z. B. Kolonialismus) entgegen, indem sie nur einigen Wenigen Vorteile bringen. Länder entwickeln extraktive Institutionen aus zwei Gründen: Machtverhältnisse (z. B. Eliten, die ihre Stellung absichern) und vom allgemeinen Wohlstand abweichende normative Ziele, also kulturelle/religiöse Überzeugungen, die bestimmte Praktiken rechtfertigen, auch wenn sie nicht zu wirtschaftlichem Wachstum führen. Diese Heterogenität zeigt, dass institutioneller Wandel nicht nur politische Reformen erfordert, sondern oft eine Neuverhandlung tief verwurzelter Überzeugungen.

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Fairness Across the World

Ingvild Almås, Alexander Cappelen, Erik Sørensen, Bertil Tungodden

Wann wird Ungleichheit als unfair wahrgenommen – und hängen diese Wahrnehmungen vom kulturellen Kontext ab? Eine neue Studie liefert globale Evidenz zur Akzeptanz von Ungleichheit, basierend auf einem groß angelegten Experiment mit über 65.000 Personen in 60 Ländern. Die Ergebnisse zeigen: Weltweit wird Ungleichheit deutlich eher akzeptiert, wenn sie leistungsbasiert ist, statt durch strukturelle Benachteiligungen entsteht. Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern: So akzeptieren etwa 70 % der befragten Chines:innen ungleiche Verteilungen aufgrund von Zufall, während es in Norwegen nur 10 % sind. Generell stehen Fairnesspräferenzen (meritokratisch, libertär oder egalitär) und Überzeugungen über die Ursachen von Ungleichheit in engem Zusammenhang mit den wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Merkmalen eines Landes. Westliche Länder bevorzugen tendenziell meritokratische Vorstellungen, glauben aber seltener daran, dass Leistung tatsächlich die Ursache von Ungleichheit ist.

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The Political Power of Firms

Matilde Bombardini, Francesco Trebbi

Wie lässt sich der politische Einfluss von Unternehmen messen? In der Literatur wird meist zwischen instrumenteller Macht (direkter, gezielter Einfluss) und struktureller Macht (indirekter, systemischer Einfluss) unterschieden. Eine neue Studie konzentriert sich auf die instrumentelle Macht und bietet einen umfassenden Überblick über die Kanäle, über die große Konzerne in modernen Demokratien Einfluss ausüben – nicht nur durch bekannte Mittel wie Wahlkampfspenden und Lobbyarbeit, sondern auch über weniger transparente Wege wie gemeinnütziges Engagement, politische Verbindungen, „dark money“, öffentliche Kampagnen oder Mobilisierung von Mitarbeitenden. Mit Fokus auf die USA quantifizieren die Autor:innen den politischen Einfluss von Unternehmen anhand von Faktoren wie Abstimmungsverhalten im Kongress, Interessenvertretung, politischen Verbindungen, Graswurzelaktivitäten und Philanthropie. Die Analyse zeigt, dass der politische Fußabdruck der S&P-500-Unternehmen in den Jahren 2015–16 in etwa so groß war wie ihre gesamten CEO-Vergütungen.

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Nach ein paar Jahrzehnten allzu naiven Marktglaubens brauchen wir dringend neue Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – und mehr: ein ganz neues Paradigma als Leitfaden. Wir sammeln alles zu den Leuten und der Community, die sich mit dieser großen Frage beschäftigen, sowie mit der historischen wie heutigen Wirkung von Paradigmen und Narrativen – ob in neuen Beiträgen, Auftritten, Büchern und Veranstaltungen.

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