DER STAAT

Warum die Amerikaner trotz Boom so wütend sind

Wir haben Katherine Cramer und Jon Cohen eingeladen, mögliche Erklärungsansätze aus ihrer neuen Studie zu diskutieren.

VON

FORUM NEW ECONOMY

VERÖFFENTLICHT

25. APRIL 2024

LESEDAUER

1 MIN

Die amerikanische Wirtschaft floriert, die Arbeitslosigkeit ist auf ein Rekordtief gesunken und die Inflation geht zurück. Trotz dieser positiven wirtschaftlichen Entwicklungen sind die AmerikanerInnen unzufrieden mit dem aktuellen Zustand der US-Wirtschaft und der Leistung der Regierung Biden.

In ihrer neuen Studie für die American Academy of Arts and Sciences untersuchen Katherine Cramer und Jonathan Cohen die Gründe dafür. Ihr zentrales Ergebnis ist, dass relative wirtschaftliche Unsicherheit und Abwärtsmobilität einen großen Teil des Aufstiegs des Populismus erklären. Im Rahmen unserer Reihe New Economy Short Cut haben wir die beiden eingeladen, darüber mit Teresa Ghilarducci (The New School, New York) zu diskutieren.

Cramer und Cohen fanden heraus, dass es der amerikanischen Wirtschaft laut vieler wirtschaftlicher Indikatoren zwar gut geht, sich dies aber nicht in der Wahrnehmung der AmerikanerInnen niederschlägt. Ghilarducci kommt in ihrem Forschungsbericht zu einem ähnlichen Ergebnis. Sie stellt fest, dass die Menschen kein Problem mit den Reichen per se haben. Es geht vielmehr um relative wirtschaftliche Unsicherheit, d.h. die Menschen machen sich Sorgen um ihren eigenen Status und ihre Kinder. Das Hauptproblem ist die Abwärtsmobilität, d.h. die Menschen haben das Gefühl, dass sie nicht viel tun können, um ihre Situation zu verbessern.

Aber warum machen sich die Menschen Sorgen um ihren Arbeitsplatz, obwohl die Arbeitslosigkeit derzeit auf einem Rekordtief ist? Teresa Ghilarducci hält fest, dass, nur weil Menschen einen Job haben, das noch lange nicht heißt, dass sie positiv auf ihren Job und die Wirtschaft blicken. Außerdem erinnern sich die Menschen, dass die Löhne nicht mehr so stark steigen wie früher. Wenn die Menschen sich unsicher fühlen und denken, dass es anderen besser geht als ihnen, ärgert sie das. Es geht um das Gefühl, dass man hart arbeitet und trotzdem nicht das bekommt, was man verdient – während andere es bekommen. In diesem Zusammenhang spielen auch regionale Unterschiede eine wichtige Rolle. Ihre Untersuchungen zeigen, dass das Verständnis der Menschen für die Wirtschaft sehr stark von ihren alltäglichen Herausforderungen mit der Wirtschaft abhängt. Auch wenn es den Menschen selbst finanziell gut geht, können sie das Gefühl haben, dass es der Wirtschaft insgesamt nicht gut geht.

Was also kann man dagegen tun? Katherine Cramer schlägt vor, den Menschen mehr Informationen darüber, was die Regierung für sie konkret tut, bereitzustellen. Wir brauchen mehr greifbare, direkte Maßnahmen, damit die Menschen verstehen, wie z.B. Industriepolitik ihnen persönlich nützt. Teresa Ghilarducci betont hoffnungsvoll, dass Biden dies bereits versucht, indem er den Menschen kommuniziert, dass die Regierung nicht nur Marktversagen korrigiert, sondern den Markt zu verbessern versucht. Außerdem versucht er die Menschen davon zu überzeugen, dass sich heutige Investitionen in der Zukunft auszahlen werden. Kurzum: es geht darum, den Menschen ein Gefühl wirtschaftlicher Sicherheit zu geben.

Sehen Sie sich die Live-Übertragung hier an:

ZUM THEMA DER STAAT

KNOWLEDGE BASE

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

ÜBERSICHT ARTIKEL