NEUES LEITMOTIV

Von wahren und falschen Gaspreisdeckeln

VON

THOMAS FRICKE

VERÖFFENTLICHT

27. OKTOBER 2022

LESEDAUER

2 MIN

Ökonomen tendieren gelegentlich dazu, bizarre Streits zu führen. Etwa darüber, ob ein Gaspreisdeckel wirklich eine Gaspreisdeckel ist. Was wiederum mehr als nur Semantik ist. Einen Preis für den Grundverbrauch festzusetzen, hatten im Februar Isabella Weber und Sebastian Dullien vorgeschlagen – und das ist in etwa auch das, was die Gaspreiskommission jetzt vorschlägt.

Trotzdem poltern etliche Kollegen, das sei jetzt aber gar keine Preiskontrolle, klar: weil der Preis an sich nicht kontrolliert werden soll; es soll alles, was über den vorgeschlagenen 12 Cent je Kilowattstunde liegt, für den Grundverbrauch wieder erstattet werden. Eine Art Kostendeckel. Das Ding ist nur, dass das Ganze dennoch mehr einem „price cap“ gleichkommt, da eben der Preis, den jede und jeder zu zahlen hat, für besagten Grundverbrauch auf 12 Cent festgelegt wird. Was wiederum einen entscheidenden Unterschied zu preisunabhängigen Rückzahlungen (Pauschalen) bedeutet: dass eben die Kosten so für Verbraucher kalkulierbar werden – und die Maßnahme an der Ursache ansetzt.

Dass die Polterer dem so arg widersprechen, könnte fast den Eindruck aufkommen lassen, dass es manchem und mancher ein bisschen auch darum gehen könnte, den Glauben an die stete Richtigkeit von Marktpreisen aufrechtzuerhalten – und das Verbotensein von staatlichen Eingriffen in den Preismechanismus. Aber der Eindruck täuscht ganz sicher.

Wie das Handling erratischer Energiepreise ökonomisch einzuordnen ist, hat Martin Sandbuvergangenen Montag bei unserem High-Level-Meeting mit dankenswert nüchterner Analyse zu lösen versucht – im Austausch mit Isabella Weber, Sebastian Dullien, Karsten Neuhoff sowie Vertretern aus Ministerien und Bundestag. Was er daraus gelernt hat, hat Martin aufgeschrieben – hier.

Bleibt zu notieren, dass es in Großbritannien mehr als nur eine weitere Ex-Premierministerin gibt. Die Frage, die wir uns im Nachdenken über große Paradigmenwechsel stellen, ist, ob nach dem Scheitern des Thatcher-Revivals solche Marktfundamentalismus-Experimente jetzt womöglich doch auf absehbare Zeit diskreditiert sind. Gut möglich, dass das der Welt ganz gut täte.

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