FINANZWELT

(Re-live) New Economy Short Cut mit Martin Hellwig und Martin Wolf: Warum Banken immer noch gefährlich sind

Wir haben Martin Hellwig eingeladen, die Neuauflage seines Buches 'The Banker's New Clothes' mit uns zu diskutieren.

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

17. APRIL 2024

LESEDAUER

2 MIN

Zusammen mit der Immobilienblase platzte während der globalen Finanzkrise 2008 auch der marktliberale Traum von der Effizienz der Finanzmärkte. Strengere Regeln sollen seither vermeiden, dass Steuerzahler für die Rettung von Banken aufkommen müssen. Trotzdem hat sich in Wirklichkeit wenig geändert, schreiben Martin Hellwig und Anat Admati in der kürzlich erschienenen erweiterten Ausgabe ihres Buchs ‘The Bankers’ New Clothes: What’s Wrong with Banking and What to do about it’. Ursprünglich wurde das Buch 2013 konzipiert, um die Komplexität des Bankwesens für ein breiteres Publikum zu entmystifizieren. Die aktualisierte und um vier Kapitel erweiterte Neuauflage enthüllt, wieso die versprochenen großen Bankenreformen nach der Finanzkrise bis heute ausgeblieben sind.

Wir haben Martin Hellwig eingeladen, die erweiterte Fassung seines und Admatis Buches im Rahmen unserer Reihe New Economy Short Cut mit dem Chefkommentator der Financial Times, Martin Wolf, zu diskutieren.

Hellwig hob hervor, wie das festgefahrene Narrativ der Bankenlobby, das Regulierung und hohe Eigenkapitalanforderungen als ständige Belastung darstellt, substanzielle Reformbemühungen verhindert habe. Trotz der Versprechen, die Exzesse nach 2008 einzudämmen, seien die Banken immer größer und mächtiger geworden, geschützt durch das Schreckgespenst „too big to fail“ und behindert durch Probleme bei der grenzüberschreitenden Koordination zwischen den Aufsichtsbehörden und eine bewusste Akzeptanz von Regelverstößen. Jüngste Krisenfälle wie jene der Credit Suisse und der Silicon Valley Bank zeigten, dass die Chance verpasst wurde, ein System zu überholen, das stets mit dem Zusammenbruch zu liebäugeln scheine, und dass das Misstrauen der Öffentlichkeit und die Zunahme populistischer Stimmungen schüre.

Martin Wolf unterstrich die Schwere der öffentlichen Verschuldung in einer Zeit, in der am Ende die Steuerzahler die Zeche zahlen müssten. Das alte Sprichwort „Wenn du der Bank 100 Dollar schuldest, hast du ein Problem; wenn du der Bank 100 Millionen schuldest, hat die Bank ein Problem“ erhalte in einer Zeit, in der die öffentliche Hand die Last von Billionen Dollar Schulden trage, eine neue Bedeutung.

Mögliche Abhilfemaßnahmen wie der Admati-Hellwig-Plan und der Chicago-Plan* seien zwar theoretisch vielversprechend, aber Wolf glaubt, dass festgefahrene politische Interessen einen grundlegenden Wandel verhindern. Der Bankensektor übe noch immer erheblichen politischen Einfluss aus und argumentiere erfolgreich, dass Banken aufgrund ihrer zentralen Rolle als Kredit- und Geldquelle zu wichtig seien, um zu scheitern. Unabhängig vom Vermögen der Einleger fürchte daher die Öffentlichkeit Bankenzusammenbrüche, was zu Interventionen der Regierung und der Zentralbank führe. Die politische Ökonomie des Bankwesens sorge für eine unbegrenzte Subventionierung der Banker, wobei die nach der Krise neu eingeführten Regeln nach und nach ausgehöhlt würden, da die Banker geschickt für immer wieder neue Ausnahmen plädierten.

Die ernüchternde Schlussfolgerung der beiden ist, dass das Scheitern eines systemischen Wandels im Bankensystem auf tiefere wirtschaftliche Turbulenzen am Horizont hindeutet.

 

* Der Admati-Hellwig-Ansatz sieht vor, die Banken wie normale Privatunternehmen zu behandeln und ihnen ihre impliziten Subventionen zu entziehen; der Chicago-Plan schlägt vor, liquide Geldverbindlichkeiten sicherer zu machen, indem sie mit unanfechtbaren liquiden Aktiva unterlegt werden.

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Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise scheint eine wirkliche Stabilität des Finanzsystems nicht in Sicht zu sein. Risiken werden periodisch falsch bewertet und führen zu Boom-Bust-Zyklen. Ein stabileres Finanzsystem sollte kurzfristige Spekulationen erschweren, systemische Risiken begrenzen und das Vermögen gerechter verteilen.

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