DER STAAT

Interview: Jahreswirtschaftsbericht – Wohlstand neu gedacht?

Erstmals enthält der JWB neben dem Wirtschaftswachstum alternative Indikatoren zur Messung des Wohlstands. Wie viel Durchschlagskraft das verspricht, darüber sprachen wir mit Nicola Brandt und Lara Fleischer von der OECD, die das Thema Wohlstandsmessung auch in einem Forum Paper analysiert haben.

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

7. FEBRUAR 2022

LESEDAUER

4 MIN

Vor kurzem stellte die Bundesregierung den diesjährigen Jahreswirtschaftsbericht vor, der traditionell im Januar veröffentlicht wird und als Instanz gilt, um den Zustand des Landes zu messen und bewerten. Normalerweise ist die Vorstellung des Jahreswirtschaftsbericht zwar eine wichtige, aber wenig aufwühlende Angelegenheit. Dieses Jahr war das anders. Denn erstmals in seiner Geschichte enthält der JWB ein Kapitel, das über das Bruttoinlandsprodukt hinaus noch weitere Indikatoren zur Wohlstandsmessung umfasst, und ganz nebenbei ein Sinnbild für das Ringen der Koalition um die Frage ist, wie man denn eigentlich grundsätzlich zum Kapitalismus steht.

Nun ist es nicht das erste Mal, dass der Versuch in Deutschland unternommen wird, Wohlstand neu zu definieren. Zuletzt gab es einen solchen Vorstoß im Jahr 2013, als Union und SPD einen groß angelegten Dialog zum „guten Leben in Deutschland“ initiierten. Die praktische Relevanz der Initiative aber blieb aus. Was von der erweiterten Wohlstandsdefinition und -messung im Jahreswirtschaftsbericht vor diesem Hintergrund zu halten ist – und ob der jetzige Anlauf mehr Erfolg verspricht, Wohlstand in Deutschland neu zu denken und dies von der Theorie auch in die Praxis zu übersetzen, darüber sprachen wir mit Nicola Brandt und Lara Fleischer von der OECD, die der Frage des Well-being beyond GDP jüngst auch in einem Paper für das Forum nachgegangen sind – zu lesen in Kürze auf unserer Website. In dem Paper befassen sich Brandt und Fleischer unter Einnahme einer internationalen Perspektive mit der Frage, welche Ansätze zur Wohlstandsmessung in verschiedenen OECD-Ländern bereits existieren, warum diese immer mehr an Bedeutung gewinnen und welche Lehren sich daraus ableiten lassen – auch für Deutschland.

Wir wollten von den beiden wissen, wie sie den Jahreswirtschaftsbericht und seine Durchschlagskraft beurteilen, was sie über das Indikatoren-Dashboard und seinen möglichen Nutzen für Deutschland denken und wie Deutschland mit seinem JWB-Kapitel international denn jetzt dasteht, beim Thema Wohlstandsmessung. Außerdem sprachen wir darüber, wie die beiden das Potenzial des JWB einschätzen, sich tatsächlich zu einer spürbaren Beeinflussung der Entscheidungsfindung der Regierung und letztlich der Lebensqualität der Menschen zu entwickeln – anders als seine Vorgänger-Initiativen.

Das ganze Interview

ZUM THEMA DER STAAT

KNOWLEDGE BASE

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

ÜBERSICHT ARTIKEL