UNGLEICHHEIT

Neue Stiglitz-Studie: Kapitalsteuern zur Finanzierung öffentlicher Investitionen

Forscher um den Nobelpreisträger Joseph Stiglitz haben in einer neuen Studie nachgewiesen, dass die Besteuerung von Kapital zur Finanzierung öffentlicher Investitionen die Vermögensungleichheit verringert, ohne das Wachstum zu beeinträchtigen.

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

27. JUNI 2022

LESEDAUER

2 MIN

In einem langfristigen Forschungsprojekt haben die Ökonomen Linus Mattauch, David Klenert, Joseph E. Stiglitz und Ottmar Edenhofer belegt, dass die Besteuerung von Kapital zur Finanzierung öffentlicher Investitionen Vermögensungleichheit verringern kann, ohne das Wirtschaftswachstum zu beeinträchtigen. Politisch hat dieses Ergebnis enorme Sprengkraft, denn die Covid-19-Pandemie hat die in den letzten Jahrzehnten in den großen Volkswirtschaften der Welt ohnehin steigende Ungleichheit weiter verschärft (Chancel et al., 2021). Diese Ungleichheit ist am stärksten ausgeprägt, wenn man Vermögen betrachtet. Mainstream Ökonomen warnen jedoch traditionell davor, Kapital zu besteuern, um Ungleichheit zu verringern, da man davon ausgeht, dass dies das Wirtschaftswachstum behindern und durch niedrigere Investitionsraten der Wohlstand schrumpfen würde.

Neue Forschungsarbeiten der Gruppe um den Nobelpreisträger Joseph Stiglitz zeigen nun, dass es bessere Wege gibt, über Kapitalbesteuerung nachzudenken. Sie belegen, dass Vermögenssteuern so gestaltet werden können, dass sie die Vermögensunterschiede verringern und gleichzeitig die Effizienz und den Wohlstand erhöhen – insbesondere wenn sie zur Finanzierung öffentlicher Investitionen eingesetzt werden, die in reichen Ländern stark unterfinanziert sind.

In der Studie betrachten die Autoren Unterschiede im Sparverhalten auf eine neuartige Weise, indem sie verschiedene Vermögensgruppen einführen: dynastische Sparer und Lebenszyklus-Sparer. Es gelingt ihnen zu zeigen, dass in einem Szenario, in dem das öffentliche Kapital unterfinanziert ist und die Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital mäßig hoch ist, Kapitalsteuern immer die Vermögensungleichheit verringern. Die Ergebnisse sind für verschiedene Ausgabenkanäle, von Bildung bis Infrastruktur, robust. Selbst bei niedrigeren Elastizitäten nimmt die Vermögensungleichheit ab und die Mittelschicht ist absolut gesehen besser gestellt, wenn die Kapitalsteuern mäßig hoch sind.

Im Gegensatz zu den oft einseitigen Diskursen über Vermögensungleichheit zeigt die Studie, dass in der Tat Spielraum für die Gestaltung von Politikmaßnahmen besteht, die sowohl Ungleichheit verringern als auch dazu beitragen, wichtige öffentliche Investitionen zu ermöglichen, die für die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft erforderlich sind.

Die gesamte Studie kann hier nachgelesen werden.

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