EUROPA

Forum Seminar: Die ökonomischen Aspekte des EU Green Deal – Highlights

Der Green Deal der EU ist eines der ehrgeizigsten Vorhaben der EU im Kampf gegen die Klimakrise. Dennoch muss er noch umfangreicher werden und auch für die europäischen Bürger greifbar werden. Das war eine der wichtigsten gemeinsamen Erkenntnisse unseres Seminars, das sich mit den wirtschaftlichen Aspekten des Green Deals beschäftigte.

VON

MARC ADAM

VERÖFFENTLICHT

21. FEBRUAR 2020

LESEDAUER

5 MIN

Mehr als 40 Experten aus Wissenschaft, Medien und Politik nahmen an der Diskussion teil, darunter Vertreter der OECD, der EU, des Bundesfinanzministeriums und des Ministeriums für Wirtschaft und Energie.

Es bestand weitestgehend Einigkeit darüber, dass der Green Deal in seiner jetzigen Form nicht die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen von einer Billion Euro haben wird, mit denen die Kommission rechnet. Die tatsächlichen zusätzlichen Investitionen – von wahrscheinlich nur 7,5 Mrd. Euro – rechtfertigen diese Schätzung einfach nicht.

Xavier Timbeau vom Pariser OFCE stellte die umstrittene These auf, dass eine kohlenstoffneutrale Wirtschaft weniger produktiv sein werde und dass der Green Deal eher ein Instrument zur Bewältigung der Kosten des Übergangs als ein Investitionsprogramm sei. Seine Argumente wurde von mehreren Gästen angezweifelt.

Carlo Jaeger und Sarah Wolf vom Global Climate Forum in Berlin sind der Auffassung, dass der europäische Green Deal eine große Chance für die Klimapolitik und für Europa darstellt. Sie forderten eine Arbeitsgruppe aus IWF, Europäischer Kommission und EZB, die Vorschläge für die Eurogruppe und die öffentliche Debatte entwickeln sollte. Sie verweisen dabei auf das US-amerikanische Beispiel einer öffentlichen Einrichtung wie „DARPA“, die als Modell für eine europäische grüne DARPA dienen könnte, eine Idee, die auch von der Münchner Wirtschaftswissenschaftlerin Dalia Marin unterstützt wurde. Die Botschaft: Eine investitionsorientierte Klimapolitik ist der richtige Ansatz, und sie erfordert eine Überarbeitung des europäischen Innovationssystems.

Jens Südekum von der Universität Düsseldorf vertrat bei der Diskussion über das besondere Beispiel des deutschen Braunkohleausstiegs die Idee, dass die Politik im Vorfeld eine genaue Analyse der betroffenen Regionen machen muss. Es müsse geklärt werden, welche spezifischen Stärken diese Regionen haben und daraufhin müsse entsprechende Industrie angesiedelt werden. Dies gelte neben der Kohleindustrie auch für andere Branchen und sogar für die Autoindustrie, die durch den Wandel des Verkehrssystems regional bedroht sei.

Südekum berät die Braunkohlegebiete in Nordrhein-Westfalen zur Industriepolitik und hatte viel zu den Schwierigkeiten der Industriepolitik vor Ort zu sagen. Es bestehe die Gefahr, dass sich in den Gebieten Industrien ansiedeln, die nicht zu den spezifischen Talenten dieser Gebiete passen.

Es müssen Synergiemöglichkeiten identifiziert werden und dann müssen Investitionen entsprechend folgen. Ansonsten drohen brachliegende Gebiete in Europa.

Xavier Timbeau betonte, dass ein Übergang ohne transnationale Transfers innerhalb der EU nicht möglich sein wird. Der Süden Europas müsse überproportional von EU-Investitionen profitieren. Dies setzt jedoch voraus, dass die Länder aufhören müssten, Verhandlungsergebnisse auf EU-Ebene nur mit einem nationalistischen Maßstab zu bewerten.

Peter Bofinger von der Universität Würzburg sprach die Rolle der EZB an und warnte diese nicht auch noch mit der Aufgabe zu belasten, grüne Finanzmechanismen in Europa zu verwirklichen. Er sieht eher die EIB als die Institution, die die Aufgabe hat, genügend Finanzmittel für grüne Investitionen bereitzustellen. Jedes einzelne Problem sollte eine eigene Antwort haben, und die EZB hat bereits unterschiedliche prominente Aufgaben. Aber sollten Projekte mit grünen Investitionen finanziert werden?

Dietmar Oeliger von der European Climate Foundation und Patrick Graichen von Agora Energiewende gingen auf die möglichen Technologien und Branchen von Investitionen ein. Oeliger sieht ein großes Potenzial für die Batterieproduktion und die Entwicklung grüner Kraftstoffe als „Vorzeigeprogramme“ im Green Deal. Patrick Graichen plädierte dafür, dass weitere Gelder in die Elektromobilität fließen sollten. Diese Technologie hat den technologischen Wettlauf gewonnen, was sich, wie er betont, in den Kostenkurven zeigt, die eine ähnliche Entwicklung nehmen wie die für Solar und Wind vor einigen Jahren.

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Das Europa der vergangenen Jahrzehnte wurde stark vom Primat der Wirtschaft und dem Vertrauen in die Heilungskraft der Märkte geprägt. Die Euro-Krise hat dies erschüttert. Seither wird gestritten, wie die Währungsunion vor neuen Paniken besser geschützt werden kann – und wie sich das Auseinanderdriften von Ländern besser verhindern lässt.

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