DER STAAT

Eine neue deutsche Finanzpolitik

Angesichts der hohen Corona-Verschuldung ist der Umgang mit der deutschen Schuldenbremse zu einem der heiß diskutierten Wahlkampfthemen geworden. Eine neue Studie zeigt, wie die deutsche Fiskalpolitik jenseits der aktuellen Schuldenregeln aussehen könnte.

VON

DAVID KÄFFLING

VERÖFFENTLICHT

14. JUNI 2021

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2 MIN.

Das alte Paradigma
Über Jahrzehnte war die deutsche Fiskalpolitik von der Idee geprägt, dass die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen an der Schuldenquote zu messen sei; die Schuldenquote wiederum sei am besten über das jährliche Haushaltsdefizit zu kontrollieren. Mit der Einführung der Schuldenbremse fand dieser Ansatz 2009 Eingang in die deutsche Verfassung.

Aktueller Stand der Forschung
Neuere Forschung hat jedoch herausgearbeitet, dass das „Austeritäts-Paradigma“ im heutigen Kontext zu suboptimalen Ergebnissen führt: Insbesondere gewährleistet es weder die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen oder ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht noch einen effizienten Beitrag zur Lösung der heute vor uns stehenden Herausforderungen, insbesondere der Dekarbonisierung und des demographischen Wandels. Eine wachsende Erkenntnis dieser Tatsache hat sowohl in Deutschland als auch international zu einer lebhaften Debatte über die Zukunft von Fiskalregeln geführt, die auch im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielt.

Eine neue deutsche Finanzpolitik
Eine neue als Forum New Economy Working Paper in Auftrag gegebene und veröffentlichte Studie von Kolleginnen und Kollegen des Dezernat Zukunft baut auf dieser Debatte auf und geht einen Schritt weiter, indem es nicht von den Unzulänglichkeiten des heutigen Paradigmas, sondern von einer positiven Zielsetzung aus in Richtung neuer Reformideen denkt. Es gibt zunächst einen Überblick zum Stand der Diskussion um Alternativen und Reformen der Schuldenbremse.

Anschließend werden drei eng miteinander verknüpfte Fragen beantwortet: Was ist die richtige Zielsetzung für Fiskalpolitik? Wie könnte ein institutionelles Rahmenwerk aussehen, um diese Zielsetzung in die Praxis umzusetzen? Und welche konkreten, politische realistischen Reformoptionen könnten uns in diese Richtung bewegen?

Dabei wird die nachhaltige Vollauslastung der Wirtschaft als sinnvolles Ziel für Fiskalpolitik identifiziert. Außerdem wird ein Vorschlag für ein viergliedriges Rahmenwerk gemacht und detaillierte Vorschläge für erste Reformschritte entwickelt, mit denen dieses Rahmenwerk in Deutschland umgesetzt werden könnte. Es wird vorgeschlagen, die einfachgesetzlich geregelten Konjunkturkomponente der Schuldenbremse anzupassen, wodurch eine Reform der Schuldenbremse ohne eine mit höheren Hürden verbundenen Grundgesetzänderung möglich wäre. Außerdem gehören zum Vorschlag die Einführung einer Investitionsgesellschaft für kommunale Investitionen, sowie die Einführung eines Frühwarnindikators für Zinskosten.

Die komplette Studie ist jetzt als Forum New Economy Working Paper öffentlich verfügbar. Die Studie wurde zuerst bei unserem VIII. New Paradigm Workshop Ende Mai 2021 in Berlin vorgestellt.

 

ZUM THEMA DER STAAT

KNOWLEDGE BASE

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

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