NEUES LEITMOTIV
Die New Paradigm Papers des Monats Dezember
Einmal im Monat präsentiert das Forum New Economy eine Handvoll ausgewählter Forschungsarbeiten, die den Weg zu einem neuen Wirtschaftsparadigma weisen.
VON
FORUM NEW ECONOMYVERÖFFENTLICHT
24. DEZEMBER 2024LESEDAUER
5 MIN.Inflation Surprises and Election Outcomes
Jonathan Federle, Cathrin Mohr, Moritz Schularick
Die hohe Inflation war einer der entscheidenden Faktoren für Trumps Wiederwahl. Dass das kein Einzelfall war, zeigt eine neue Studie des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Basierend auf den Wahlergebnisse in 18 Industrienationen seit 1948, kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass unerwartet hohe kumulative Preissteigerungen die Wahlergebnisse extremistischer und populistischer Parteien signifikant erhöhen. Hauptverantwortlich dafür sind die mit der Inflation einhergehenden Reallohnverluste. Ein solides Wirtschaftswachstum sowie Lohnerhöhungen können laut Studie den Schock unerwartet hoher Inflation aber abfedern und den Zulauf zu extremistischen Parteien verringern.
Growth and Fluctuations: An Overview
Joseph E. Stiglitz
In einem neuen Essay geht Nobelpreisträger Joe Stiglitz hart mit den Standardmodellen der modernen Makroökonomik – dynamische stochastische allgemeine Gleichgewichtsmodelle (DSGE) – ins Gericht, da sie Fluktuationen auf exogene Schocks (statt endogene Bestandteile des Wirtschaftssystems) zurückführten und daher wenig zum Verständnis über die wahren Gründe von Wirtschaftskrisen beitrügen. Daher seien auch die von solchen Modellen abgeleiteten Politikempfehlungen fehlerhaft. In dem Essay beschreibt Stiglitz anschließend alternative Modelle mit heterogenen Kapitalgütern und heterogenen Akteuren, die oft auf älteren keynesianischen Grundlagen beruhten. Merkmale seien unvollkommene Märkte mit fragilen Netzwerken und endogener Innovation in einer sich ständig weiterentwickelnden Wirtschaft, die von großer Unsicherheit geprägt sind. Diese Theorien böten laut Stiglitz mit endogen bedingten wirtschaftlichen Schwankungen einen besseren Einblick in die Ursachen und die Art der Fluktuationen und eine bessere politische Orientierung.
Political Power and Market Power
Bo Cowgill, Andrea Prat, Tommaso Valletti
Ein Argument gegen eine starke Konzentration von Vermögen bei einigen Wenigen ist die potenzielle Untergrabung demokratischer Prozesse. Eine kürzlich als NBER Working Paper veröffentlichte Studie untersucht diesen Zusammenhang in Bezug auf Unternehmen. Versuchen Unternehmen mit größerer Marktmacht auch mehr politischen Einfluss auszuüben? Die Autoren untersuchen diesen Zusammenhang empirisch, indem sie analysieren, ob Unternehmensfusionen in den USA von 1999 bis 2017 zu mehr Lobbying-Ausgaben bzw. Wahlkampfspenden geführt haben. Unternehmenszusammenschlüsse führen demnach zu einem anhaltenden Anstieg von Lobbying-Aktivitäten sowohl von einzelnen Unternehmen als auch von Branchenverbänden (weniger klar ist der Effekt von Wahlkampfspenden). Ein kausaler Link von Marktmacht zu politischer Macht hat auch Implikationen für Wettbewerbspolitik.
Implicit Coordination in Sellers’ Inflation: How Cost Shocks Facilitate Price Hikes
Isabella Weber, Evan Wasner, Markus Lang, Benjamin Braun, Jens van ’t Klooster
Ein kürzlich veröffentlichtes Paper untersucht, wie Unternehmen gesamtwirtschaftliche Kostenanstiege als Koordinationsmechanismus für Preiserhöhungen nutzen. Mithilfe von über hunderttausend Mitschriften von Quartalskonferenzen börsennotierter US-Unternehmen von 2007 bis 2022 zeigen die Autoren, dass große allgemeine Inputkostenanstiege oft mit positiven Aussagen von Führungskräften zu Preisanpassungen einhergehen. Steigen die Inputpreise nicht allgemein, sondern nur für bestimmte Unternehmen, äußert sich das Management eher negativ über Preiserhöhungen und versucht, diese Schocks zu absorbieren. Dafür erstellen die Autoren rund um Isabella Weber eine ‚Sentiment-Analyse‘ mit Large Language Modellen (LLM). Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen solche Schocks gezielt nutzen, um Preise zu erhöhen und Gewinne zu sichern oder auszubauen und steuert neue Evidenz für die akademische Debatte rund um die ‚Verkäuferinflation‘ bei.