DER STAAT

Der entzauberte Staat

Ein neues Buch dreht sich um die Frage, was der Staat aus der Pandemie lernen kann, um in Zukunft leistungsfähiger und krisenfester handeln zu können.

VON

DAVID KÄFFLING

VERÖFFENTLICHT

21. JULI 2021

LESEDAUER

2 MIN.

Angesichts der Flutkatastrophe in Teilen Deutschlands nimmt momentan die Kritik am Krisenmanagement des Staates wieder zu. Auch in Bezug auf die Pandemie war die Kritik am deutschen Staat teilweise außerordentlich scharf. Das ist nicht verwunderlich, denn gerade in Krisen wird die staatliche Leistungs- und Reaktionsfähigkeit auf den Prüfstand gestellt und das Augenmerk auf die Schwachstellen gelenkt. In seinem neuen Buch „Der entzauberte Staat – Was Deutschland aus der Pandemie lernen muss“ beschreibt Moritz Schularick, welche dieser Schwachstellen in der Pandemie sichtbar wurden, was die Gründe dafür waren und wie sie für künftige Krisen und Herausforderungen behoben werden können.

Eine große Schwachstelle war laut Schularick zum Beispiel die digitale Infrastruktur in den Behörden. Ausgestattet mit Faxgeräten mangelte es der Verwaltung an Computern und Software. Als weiteres Problem beschreibt er das Fehlen einer kohärenten und wissenschaftlich basierten Pandemiestrategie, was dazu führte, dass politische Entscheidungen häufig nicht proaktiv, sondern ad hoc und mit dem Rücken zur Wand getroffen wurden.

Den Begriff des Soziologen Ulrich Beck verwendend charakterisiert Schularick die heutige Gesellschaft als «Risikogesellschaft», in der als Nebenprodukte des Fortschritts immer neue Risiken entstehen. In der Risikogesellschaft findet sich der Staat in der komplexen Rolle als Risikomanager wieder, der etwa Risiken für die Gesundheit und die Risiken für die Wirtschaft gegen einander abwägen muss, wobei er seine Entscheidungen unter Unsicherheit treffen muss. Die Kernthese des Buches ist, dass der deutsche Staat für die Rolle als Risikomanager bislang schlecht gerüstet ist. Das heißt, dass Schwächen in der Risikoeinschätzung zu den Problemen der staatlichen Krisenbekämpfung führten.

Die Lösung des Problems liegt laut Schularick nicht in einem größeren, sondern einem leistungsfähigeren Staat. Die entscheidende Frage ist nicht die nach mehr oder weniger Staat, sondern sondern die Frage, wie man einen stärkeren und kompetenteren Staat mit einer leistungsfähigen Verwaltung und einer besseren Verzahnung von Wissenschaft und Politik erreicht.

Dafür skizziert Schularick einige Lösungsansätze. Wichtig sei eine engere Vernetzung von Wissenschaft und Politik. Ökonomische Beratungsgremien sollten besser in praktische politische Entscheidungsfindungen eingebunden werden. Außerdem brauche es ein anderes Mindset. Mehr Dynamik und den Willen zum Handeln, anstatt bürokratischer Hürden und Bedenken. Ähnlich zu Mariana Mazzucatos Idee schlägt Schularick zudem vor, der Staat solle Missionen identifizieren, die mit aller Konsequenz verfolgt würden, wodurch eindeutige Prioritäten gesetzt werden könnten.

Ohne einen leistungsfähigen und krisenfesten Staat würden die Herausforderungen des Klimawandels nicht zu meistern sein. Deshalb sei es wichtig, aus den Fehlern in der Pandemie zu lernen.

Eine Leseprobe des Buches finden Sie hier.

ZUM THEMA DER STAAT

KNOWLEDGE BASE

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

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