NEUES LEITMOTIV

Richtungswechsel - der neue Weltwirtschaftsausblick des IWF

Ist dies die Zeit für einen Paradigmenwechsel? Ein genauerer Blick auf den kürzlich veröffentlichten WEO des IWF deutet darauf hin, dass ein Überdenken der alten Narrative im Gange sein könnte.

VON

XHULIA LIKAJ

VERÖFFENTLICHT

13. OKTOBER 2020

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3 MIN

Wird die Corona Krise das wirtschaftspolitische Paradigma verändern? Ein kürzlich in der Financial Times erschienenes Op-Ed scheint diese Frage, mit Blick auf den neuen IWF Report zu bejahen. Der traditionell eher orthodoxe Währungsfond ist in der jüngsten schon häufiger durch nicht ganz so orthodoxe Empfehlungen aufgefallen – sei es zu fiskalpolitischen Fragen, der Höhe der Staatsverschuldung oder Kapitalverkehrskontrollen.

Ein Blick auf den kürzlich veröffentlichten World Economic Outlook (WEO) des IWF lohnt sich also. Eine wichtige Erkenntnis des zweiten Kapitels ist, dass nicht nur der eigentliche Lockdowns, sondern vor allem die freiwillige soziale Distanzierung große Auswirkungen auf die Wirtschaft hatten. Mit anderen Worten: Eine Lockerung von Lockdowns bei anhaltender Wahrnehmung von Gesundheitsrisiken wird nicht automatisch zu einer raschen Erholung der Wirtschaftstätigkeit führen. Der Bericht warnt daher vor einer vorzeitigen Aufhebung von Maßnahmen und schlägt vor, „die politischen Entscheidungsträger sollten sich davor hüten, die politische Unterstützung zu hastig aufzuheben, um einen weiteren Abschwung zu vermeiden, und sollten weiterhin die Schwächsten durch Ausgaben für soziale Sicherheitsnetze schützen“ (WEO Oktober 2020, S. 70).

Vor allem schlägt der IWF vor, dass das gängige Narrativ, dem zufolge es einen Zielkonflikt zwischen der Rettung von Leben und der Unterstützung der Wirtschaft gibt – wegen der eher kurzfristigen wirtschaftlichen Kosten des Lockdowns – überdacht werden sollte.
IWF, S. 74,76

Die Eindämmung von Infektionen kann in der Tat mittelfristig ausreichend positive Effekte haben, um die kurzfristigen Kosten auszugleichen. Ähnlich wird im dritten Kapitel argumentiert, dass es keinen Zielkonflikt zwischen Dekarbonisierung und Wirtschaftswachstum gibt. Das Ziel der Nettonullemissionen bis 2050 kann also durch entsprechende politische Maßnahmen erreicht werden. Neben einem „grünen Konjunkturpaket“, einer schrittweisen Erhöhungen des CO2-Preises, würde ein solches Paket auch einen „Ausgleichstransfers“ an ärmere Haushalte in Höhe von 25% der Einnahmen aus der CO2-Steuer beinhalten (S. 94).

Deutlich wird der IWF in Bezug auf die nun zu setzenden Prioritäten. So fordert der IWF alle Fiskalregeln vorübergehend auszusetzen, die die konjunkturellen Maßnahmen einschränken könnten. Um Raum für den unmittelbaren Ausgabenbedarf zu schaffen, sollte eine Erhöhung der Steuern auf Vermögen, Kapitalgewinne und hochwertigen Eigentume, sowie durch die Abschaffung wenig zielgerichteter Subventionen, die Verlängerung der Laufzeiten für öffentliche Schulden und die Beibehaltung niedriger Zinssätze erwogen werden. In allen Fällen scheint das Endergebnis eine erneuerte, aktive Rolle des Staates zu sein.

Der vollständige Bericht kann hier heruntergeladen werden.

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