NEUES LEITMOTIV
Die New Paradigm Papers des Monats Juli
Einmal im Monat präsentiert das Forum New Economy eine Handvoll ausgewählter Forschungsarbeiten, die den Weg zu einem neuen Wirtschaftsparadigma weisen.
VON
DAVID KLÄFFLINGVERÖFFENTLICHT
31. JULI 2025LESEDAUER
5 MIN.
Nur 3 % Spielraum
Florian Schuster-Johnson, Philippa Sigl-Glöckner
Trotz der Ad-hoc-Reform der Schuldenbremse wird der Bundeshaushalt zunehmend unflexibel. Schuster-Johnson und Sigl-Glöckner vom Dezernat Zukunft warnen in einem aktuellen Policy Brief, dass der Anteil frei verfügbarer Ausgaben innerhalb des nächsten Jahrzehnts von derzeit 25 % auf nur noch 3 % sinken könnte. Die Haupttreiber: steigende Zinszahlungen und Sozialtransfers. Die Autoren argumentieren, dass punktuelle Kürzungen nicht ausreichen werden. Ohne grundlegende Reformen könnte der finanzpolitische Handlungsspielraum bald allein von Sondervermögen abhängen, die eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erfordern. Um langfristige finanzielle Autonomie zu sichern, sei eine Überarbeitung des deutschen Fiskalrahmens notwendig.
Mind the Mission, Not the Gap
Mariana Mazzucato, Rogério Vieira de Sá
Die Idee der Mischfinanzierung ist simpel: Der Staat übernimmt Risiken, um privates Kapital für Entwicklungsfinanzierung zu mobilisieren. In einer neuen Studie hinterfragen Mazzucato und Vieira de Sá das zugrunde liegende Narrativ, wonach Entwicklung primär an einer Finanzierungslücke scheitert – und nicht an strukturellen Gründen. Laut der Studie fließt privates Geld vor allem in risikoarme Sektoren, wobei Verluste oft sozialisiert und Gewinne privatisiert werden – ohne transformative Wirkung zu entfalten. Statt Märkte zu „reparieren“, sollte Mischfinanzierung dazu beitragen, sie aktiv zu gestalten: durch den Aufbau produktiver Kapazitäten, gezielte Investitionen in öffentliche Ziele und die Schaffung langfristiger Werte.
The Role of Industrial Policy in the Renewable Energy Sector
Todd Gerarden, Mar Reguant, Daniel Xu
Industriepolitik kann die grüne Transformation beschleunigen – oder auch ausbremsen. Gerarden, Reguant und Xu analysieren die wirtschaftlichen und politischen Dimensionen des Ausbaus erneuerbarer Energien, insbesondere bei Wind- und Solarenergie. Sie zeigen, wie frühere Politiken Kosten senkten und Investitionen steigerten, warnen aber auch vor wachsendem Protektionismus und geopolitischen Spannungen. Die Studie fasst aktuelle Forschung zu Spillover-Effekten und internationaler Koordination zusammen – und gibt Einblicke, wie Industriepolitik Klimaziele fördern (oder auch gefährden) kann.
The Personalist Penalty
Christopher Blattman, Scott Gehlbach, Zeyang Yu
Nicht alle Autokratien sind gleich. Blattman, Gehlbach und Yu zeigen, dass das Wirtschaftswachstum in autoritären Regimen stark davon abhängt, wie Macht verteilt ist. Persönlich geprägte Regime – in denen Autorität bei Einzelpersonen oder kleinen Eliten liegt – schneiden systematisch schlechter ab als institutionalisierte Autokratien oder Demokratien. Mithilfe länderübergreifender Daten identifizieren sie diesen „personalist penalty“ als Folge mangelnder öffentlicher Güter, niedriger Investitionen und erhöhter Konflikte. Die Ergebnisse betonen, wie wichtig es ist, die Unterschiede zwischen autokratischen Regimen analytisch ernst zu nehmen.
Can Trade Policy Mitigate Climate Change?
Farid Farrokhi, Ahmad Lashkaripour
Handelspolitik kann zum Klimaschutz beitragen – wenn sie richtig gestaltet ist. In einer Econometrica-Studie untersuchen Farrokhi und Lashkaripour handelsbasierte Ansätze zur Reduktion von CO₂-Emissionen. Ihr Ergebnis: Einfache CO₂-Grenzausgleichsabgaben auf bestehende Zölle senken Emissionen lediglich um 3,4 % des optimalen Werts. Deutlich wirksamer ist ein „Klimaclub“-Ansatz mit koordinierten Anpassungen an den Außengrenzen, der Emissionen um bis zu 68 % reduzieren kann. Klimaclubs sind effizienter und kooperativer als bilaterale Zolllösungen.