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Short Cut mit Richard Layard im Relive: Wieso Wohlbefinden das Hauptziel der öffentlichen Politik sein sollte

Was macht eine glückliche Gesellschaft und ein glückliches Leben aus und wieso sollte es die Maxime für öffentliche Politik sein? Wir haben den führenden Wohlfahrtsexperten und Ökonomen Lord Richard Layard eingeladen, die Ergebnisse seines jüngsten Buches "Wellbeing: Science and Policy" vorzustellen.

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

28. JUNI 2023

LESEDAUER

3 MIN

Für viele Menschen ist es eine intuitive Vorstellung, dass das oberste Ziel einer Gesellschaft das Wohlergehen der Menschen sein sollte. Lange Zeit hatten WissenschaftlerInnen jedoch keine gute Möglichkeit, Glück zu messen. Sie verließen sich daher auf das Einkommen als Indikator für den gesellschaftlichen Erfolg, wobei das BIP pro Kopf als wichtigstes Ziel galt. Eine Vielzahl empirischer Daten zeigt allerdings, dass das Einkommen nur einen kleinen Teil der Varianz des Wohlbefindens in verschiedenen Ländern erklärt. Heute wenden sich politische Entscheidungsträger weltweit, einschließlich der Europäischen Kommission und Deutschlands, zunehmend der Messung des Fortschritts „jenseits des BIP“ zu.

Was aber macht eine glückliche Gesellschaft und ein glückliches Leben aus? Vor mehr als 15 Jahren hat der führende Ökonom Richard Layard mit seinem Buch „Happiness“ einen Meilenstein gesetzt. Nun hat er mit einer neuen wichtigen Publikation nachgelegt. In „Wellbeing: Science and Policy“ analysieren Layard und sein Co-Autor Jan-Emmanuel De Neve wichtige neue Daten zur Messung von Glück.

Ihre Erkenntnisse haben enorme Auswirkungen auf Regierung, Gesellschaft und Wirtschaft. Die Wellbeing-Science stellt die vorherrschende ökonomische Sichtweise in Frage, wonach Menschen das tun, was für ihr eigenes Wohlergehen am besten ist, und der Prozess des freiwilligen Austauschs zum größtmöglichen Wohlergehen für alle Beteiligten führt. Auf dieser Grundlage löst Laissez-faire die meisten Probleme. Heute wissen wir, dass Menschen nicht unbedingt Entscheidungen in ihrem eigenen Interesse treffen. Sie werden süchtig oder treiben zu wenig Sport. Menschen lassen sich auch stark davon beeinflussen, wie ihnen Entscheidungen präsentiert werden, so dass ihre Präferenzen oft nicht klar definiert sind. Und kurzfristig neigen Menschen dazu, verlustavers zu sein – was langfristig zu größeren Verlusten führen kann.

Der zweite wichtige Punkt ist, dass jeder Mensch stark vom Verhalten anderer beeinflusst wird. Das nennen ÖkonomInnen gemeinhin „externe Effekte“ – Dinge, die einem widerfahren, die nicht durch freiwilligen Austausch entstehen. ÖkonomInnen haben zwar stets betont, dass „externe Effekte“ staatliches Handeln erfordern, aber nicht immer erkannt, wie allgegenwärtig diese Effekte im menschlichen Leben sind.

Wo die traditionelle Wirtschaftswissenschaft versagt, hilft uns die Wellbeing Science zu verstehen, was der Schlüssel zu einer glücklicheren Gesellschaft ist. Sie hilft uns, die Faktoren zu identifizieren, die für unser Wohlergehen am wichtigsten sind, und herauszufinden, wie wir sie zum Besseren verändern können. Sie bietet uns auch einen Maßstab, mit dem wir prüfen können, ob bestimmte politische Maßnahmen im Verhältnis zu ihren Nettokosten für den Staat ausreichend Wohlbefinden schaffen.

In „Wellbeing: Science and Policy“ machen Layard und De Neve konkrete Vorschläge, wie politische Entscheidungsträger ihr Geld ausgeben sollten, wenn sie das Wohlbefinden steigern wollen. Sie zeigen, dass es viele Maßnahmen zur Steigerung des Wohlbefindens gibt, die wenig kosten, obwohl einige von ihnen stark unterfinanziert sind, darunter psychologische Therapien, insbesondere für Kinder, Altenpflege oder kommunale Dienstleistungen. Und sie zeigen, warum sich politische Entscheidungsträger nicht nur damit befassen sollten, was das Wohlbefinden beeinflusst, sondern auch damit, wie das Wohlbefinden alles andere beeinflusst – von unserer Gesundheit über unser Wahlverhalten bis hin zur wirtschaftlichen Produktivität.

Wir haben den Mitautor und LSE-Ökonomen Lord Richard Layard eingeladen, seine Erkenntnisse bei unserem New Economy Short Cut mit Alessio Terzi von der Wirtschaftsabteilung der EU-Kommission und Nicola Brandt von der OECD Berlin zu diskutieren.

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