FINANZWELT

Der Reformbedarf der deutschen Finanzaufsicht

In ihrem Forum Working Paper legen Gerhard Schick und Martin Hellwig dar, welche politischen Rahmenbedingungen zur deutschen Finanzaufsichtskrise beitrugen und formulieren Vorschläge für eine grundlegende Reform.

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

10. JANUAR 2022

LESEDAUER

2 MIN

Motiviert von den Skandalen um Wirecard, Cum-Ex und Co stellen sich Martin Hellwig und Gerhard Schick in der jüngsten Ausgabe der Forum New Economy Working Paper Reihe die Frage, ob das alte Paradigma der deutschen Finanzaufsicht mit ihrer Nähe zum Finanzsektor noch tragfähig ist, oder ob es ein neues Selbstverständnis samt tiefgreifender Reformen braucht, um weitere Krisen zu verhindern.

Dass die Qualität der deutschen Finanzaufsicht nicht erst seit den jüngeren Skandalen problembehaftet ist, belegt die Finanzkrise 2007-2009, von der Deutschland besonders stark betroffen war, obwohl es hierzulande anders als in anderen Krisenländern weder eine Immobilienblase noch ein Staatsschuldenproblem gab.

Hellwig und Schick analysieren in ihrem Working Paper, wie die Finanzaufsicht mit ihrer Arbeitsweise riskante Entwicklungen im deutschen Bankensektor toleriert hatte, eine grundlegende Reform – auch aufgrund eines BMF Gutachtens, das keinen Handlungsbedarf sah – jedoch ausblieb.

Dabei gehen sie nicht nur auf Fehlentwicklungen im Vorfeld und seit der Finanzkrise ein (darunter strukturelle Probleme, wie die niedrige Eigenkapitalquote deutscher Banken, die Finanzierung langfristiger Anlagen kurzfristig über den Geldmarkt, sowie die Passivität der Aufsicht), sondern auch auf die politischen Rahmenbedingungen, die diese begünstigt haben. So wollte man in der deutschen Politik als Reaktion auf das weltweite Vordringen von marktgesteuerten Finanzgeschäften in den 1990er Jahren maßgeblich die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Banken stärken und nahm dafür risikoreiches Verhalten in Kauf.

Abschließen diskutieren die Autoren, wieso ein Paradigmenwechsel in der Finanzaufsicht dringend nötig und wünschenswert wäre – auch über den bestehenden Sieben-Punkte-Plan zur Reform der BaFin hinaus – und machen Vorschläge für die Eckpfeiler eines solchen neuen Paradigmas in der Finanzaufsicht. Dazu zählt eine Neuausrichtung der BaFin mit größerer Distanz von Ministerium und Banken und stärkerem Verbraucherschutz ebenso wie die Implementierung von wirksamen Abschreckungs- und Sanktionsmöglichkeiten sowie eine klarere zwischenbehördliche Kompetenzzuweisung.

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Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise scheint eine wirkliche Stabilität des Finanzsystems nicht in Sicht zu sein. Risiken werden periodisch falsch bewertet und führen zu Boom-Bust-Zyklen. Ein stabileres Finanzsystem sollte kurzfristige Spekulationen erschweren, systemische Risiken begrenzen und das Vermögen gerechter verteilen.

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