DER STAAT

Streit um den Mietendeckel

Wie läuft die aktuelle ökonomische Debatte rund um das Thema Wohnungsmarkt? Eine kurze Übersicht der wichtigsten Streitpunkte.

VON

DAVID KÄFFLING

VERÖFFENTLICHT

23. APRIL 2021

LESEDAUER

3 MIN.

Das Kippen des Berliner Mietendeckels hat für ziemlich viel Aufregung gesorgt – und für viel Zustimmung unter Ökonomen. Was aber ist die Alternative? Gar keine Regulierung? Oder eine andere? Hier ist eine kurze Übersicht der ökonomischen Debatte.

Auf der einen Seite stehen diejenigen, die jegliche Mietkontrollen unter Verweis auf die Effizienz von Märkten ablehnen. Illustriert werden kann dieses Argument an dem Beispiel des Wohnungsmarktmodells, das häufig in die Einführungsveranstaltungen volkswirtschaftlicher Studiengänge als Beispiel für Ineffizienzen staatlicher Regulierung Eingang findet. Im bekannten Modell der x-förmig gekreuzten Angebots- und Nachfragegeraden verzerrt eine staatliche Preisobergrenze die Signalfunktion von Preisen, durch die Angebot und Nachfrage geregelt werden, was zu Wohlfahrtsverlusten führt, da das Angebot künstlich verknappt wird, was zu einem Mangel des Gutes führt. Oder wie der schwedische Ökonom Assar Lindbeck es einmal formulierte: Außer einer Bombardierung sind Mietkontrollen der beste Weg, eine Stadt zu zerstören.“

Ob der Wohnungsmarkt wirklich ein gutes Einstiegsbeispiel für die Effizienz von Märkten und die Ineffizienz staatlicher Regulierungen darstellt, ist jedoch aus zwei Gründen fraglich.

Erstens handelt es sich beim Wohnen nicht um ein beliebiges Gut, sondern um ein Grundbedürfnis mit weitreichenden sozialen Implikationen. Folglich gibt es gute Gründe, warum eine Allokation dieses Gutes sich nicht bloß an individuellen Zahlungsbereitschaften orientieren, sondern auch andere Faktoren berücksichtigen sollte. Zweitens ist der Wohnungsmarkt durch verschiedene Faktoren – zum Beispiel durch hohe Transaktionskosten beim Umzug, langer Dauer bei der Anpassung des Angebots (Bauen), Begrenzungen des Angebots durch knappes Bauland und bürokratische Hürden – weit von dem vollkommenen Wettbewerbsmarkt in dem einfachen Wohnungsmarktmodell entfernt, was die abgeleitete Politikempfehlung eines deregulierten Wohnungsmarktes weniger eindeutig erscheinen lässt.

Weder überhaupt keine noch zu harte Regulierungen scheinen also unbedingt zielführend zu sein. Um die Beurteilung von Wohnungspolitikmaßnahmen zu erleichtern, unterscheidet die Literatur über Mietpreisregulierungen zwischen Mietpreiskontrollen der ersten und der zweiten Generation . Während unter die erste Generation härtere Maßnahmen fallen, die den gesamten Markt betreffen, reguliert die zweite Generation lediglich Teile des Marktes und kann dadurch unter Umständen wohlfahrtssteigernd wirken. Indem die Mieten für neue Objekte von den Regulierungen ausgenommen und die Preisbegrenzungen auf den Altbestand begrenzt werden, wird die Signalfunktion des Preises nur in abgeschwächter Form gestört, wodurch der Anreiz für Neubauten bestehen bleibt. Einige Studien zeigen sogar, dass durch geschickte Regulierungen Anreize geschaffen werden können, mehr zu bauen, da bei unkontrollierten Neubauten höhere Mieteinnahmen zu erwarten sind.

Ein drastischer und direkter Eingriff, wie der Berliner Mietendeckel lässt sich eher der ersten Generation zuordnen, der über das Ziel hinausschießt. So hat der Deckel zu einem erheblichen Rückgang des Angebots an Mietwohnungen geführt. Während Eingriffe der ersten Generation von Ökonomen klar abgelehnt werden, wird die Diskussion um die Regulierungen zweiter Generation kontrovers geführt. Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die schon schwächere Eingriffe in den Wohnungsmarkt wie die Mietpreisbremse scharf kritisieren und stattdessen einen weiteren Rückzug des Staates aus dem sozialen Wohnungsbau empfehlen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Regulierungen wie der Mietpreisbremse durchaus positiver gegenüberstehen. Was beide Seiten vereint, ist, dass ein nachhaltiger und langfristiger Lösungsansatz in einer Ausweitung des Wohnraumangebots – heißt: Bauen – liegen muss. Auch wenn hierbei die Vorstellungen in der konkreten Ausgestaltung wieder auseinandergehen.

Das Hauptargument von Vertretern der Mietpreisregulierungen ist es, durch Regulierungen unerwünschte soziale Effekte durch Verdrängung und Umverteilungseffekte von Mietern zu Vermietern, die durch die Verschiebungen von Nachfrageeffekten zustande kommen, abzufedern, bis sich durch zusätzliche Schaffung neuen Wohnraums die Lage entspannt hat. Regulierungsgegner argumentieren, dass Preisregulierungen zu einer Überschussnachfrage führen und die Knappheit noch vergrößern würden, da der Allokationsmechanismus über Preise gestört wird. Richtig ist, dass Regulierungen nicht plötzlich bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen und vor allem diejenigen Menschen schützen, die bereits eine Wohnung haben. Da Wohnen aber eben kein beliebiges Gut ist, könnte hier das Argument greifen, dass Ineffizienzen in Kauf genommen werden, um einen Ausgleich zwischen sozialen Interessen und den nötigen Investitionen in neue Wohnungen zu schaffen. Das kann nur gelingen, wenn die ökonomischen Effekte einer Regulierung sich nicht (oder nur begrenzt) negativ auf das Schaffen neuen Wohnraums auswirken. Ob das der Fall ist, ist letztlich eine offene empirische Frage.

ZUM THEMA DER STAAT

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Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

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