NEUES LEITMOTIV

Recap: Was bewirkt der große Investitionswurf wirklich?

Viele Schulden, wenig Wirkung? Was ist vom historischen Investitionspaket ein halbes Jahr nach seiner Verabschiedung zu erwarten – und wie lässt sich der Erfolg messen?

VON

FORUM NEW ECONOMY

VERÖFFENTLICHT

10. DEZEMBER 2025

Ein halbes Jahr nach Verabschiedung des 500-Milliarden-Euro-Investitionspakets zog das Forum New Economy gemeinsam mit hochrangigen Gästen eine erste Zwischenbilanz. Moderiert von Mark Schieritz diskutierten Staatssekretär Steffen Meyer, Bürgermeisterin Christine Herntier, Lisa Paus von Bündnis 90/Die Grünen und Achim Truger vom Sachverständigenrat Wirtschaft über Ziele, Wirkung und Herausforderungen des „historischen Wurfs“.

Zum Auftakt skizzierte Thomas Fricke die lange Vorgeschichte: jahrzehntelanger Investitionsstau, politische Blockaden und die Schwierigkeit, Investitionen innerhalb der Schuldenbremse zu ermöglichen. Das Sondervermögen markiere deshalb einen Paradigmenwechsel – auch wenn seit der Verabschiedung die Debatte über „Verschiebebahnhöfe“ und fehlende Zusätzlichkeit das Bild prägten.

Steffen Meyer stellte als Vertreter des Bundesfinanzministeriums klar, dass das Paket die Grundlage für eine Investitionsoffensive bilde – mit 100 Milliarden für Klima, 100 Milliarden für Länder und Kommunen, 300 Milliarden für Infrastruktur sowie einer Investitionsquote von über zehn Prozent im Kernhaushalt. Der Bund plane Rekordinvestitionen, verbunden mit einem strengen Monitoring und einem neuen Investitions- und Innovationsbeirat. Entscheidend sei, dass die Mittel planbar über mehr als ein Jahrzehnt zur Verfügung stehen, um Kapazitäten aufzubauen und privaten Investitionen den Weg zu ebnen.

Eine kommunale Perspektive brachte Christine Herntier, Bürgermeisterin von Spremberg, ein. Ihre Kommune erhält 6,6 Millionen Euro – wichtig, aber keineswegs ausreichend, um einen Investitionsstau von 80 Millionen abzubauen. Sie schilderte den realen Alltag vieler Kommunen: hohe Kreisumlagen, demografische Belastungen, bürokratische Hürden und langwierige Genehmigungen. Selbst dringend benötigte Projekte könnten Jahre dauern. Das Sondervermögen helfe – löse aber nicht die strukturelle Unterfinanzierung der kommunalen Ebene.

Aus Sicht der Bundespolitik betonte Lisa Paus, dass die Zustimmung der Grünen zur Grundgesetzänderung richtig gewesen sei, weil Deutschland eine dauerhafte Lösung brauche. Allerdings sei die konkrete Umsetzung enttäuschend: Ein großer Teil der Mittel sei nicht zusätzlich, die Investitionsquote rechnerisch geschönt, und es gebe teure politische Kompromisse, die Wachstumschancen schmälerten. Damit würden dringend benötigte Transformationsschritte – etwa für Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit – ausgebremst.

Achim Truger erläuterte die Analyse des Sachverständigenrats: In einem optimalen Szenario könne das Sondervermögen das BIP bis 2030 um 4,5–5 Prozent erhöhen – tatsächlich seien es wegen fehlender Zusätzlichkeit und nicht-investiver Verausgabung eher rund 1,8 Prozent. Gleichzeitig sei es unseriös, die komplette Kreditaufnahme als schlecht investiert darzustellen; ein großer Teil entfalle auf Verteidigungsausgaben aus der Bereichsausnahme. Die strukturelle Unterfinanzierung des Haushalts bleibe jedoch ein ungelöstes Problem, und ohne Reformen der Schuldenbremse sowie eine nachhaltige Stärkung der Kommunen würden zukünftige Investitionen kaum sicherzustellen sein.

In der offenen Diskussion zeigte sich, wie eng die Herausforderungen miteinander verwoben sind: hohe Erwartungen an schnelle Konjunkturimpulse, zugleich Fachkräftemangel, Planungsverzögerungen und ein unsicheres globales Umfeld. Während Meyer auf einen selbsttragenden Aufschwung hofft, mahnten Paus und Truger an, dass fehlende Planungskapazitäten, politische Umwidmungen und strukturelle Sparzwänge das Potenzial erheblich mindern könnten.

Am Ende stand die Erkenntnis: Das Sondervermögen eröffnet historisch große Chancen – seine tatsächliche Wirkung aber hängt entscheidend davon ab, ob es gelingt, die Mittel wirksam zu verausgaben, Blockaden abzubauen und die öffentliche Investitionsfähigkeit dauerhaft zu stärken.

 

Was bewirkt der große Investitionswurf wirklich? – Ein Update

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