NEUES LEITMOTIV
Newsletter: Wege zurück aus dem Populismus - Summit Re-Lives
Aus unserer Forum New Economy Newsletter Reihe
VON
THOMAS FRICKEVERÖFFENTLICHT
15. JULI 2024LESEDAUER
4 MIN.Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen,
die gute Botschaft ist: es gibt einen Weg zurück aus dem Populismus. Die Briten jedenfalls haben acht Jahre nach dem Brexit-Votum jene Partei bei der Wahl am 4. Juli abgestraft, die den Ausflug in die Scheinwunderwelt ohne EU einst angetrieben hat. Die Franzosen haben in Mehrheit am Sonntag doch gegen die Versuchungen des rechtsradikalen Rassemblement National gestimmt.
Die nicht so gute Botschaft: es ist nicht zwingend so, dass sich das Problem immer neuer populistischer Wellen im Grunde von selbst löst – darüber, dass sich die Polterer als Scharlatane selbst entlarven. Ein nennenswerter Teil der US-Amerikaner würde das Experiment Donald Trump wiederholen. Wenn stimmt, dass die Populisten von dem paradigmatischen Vakuum profitieren, dass das Scheitern des marktliberalen Leitbilds hinterlassen hat, könnte das wiederum auch daran liegen, dass die neuen Antworten (noch) nicht überzeugend genug sind (mal abgesehen davon, dass auch das Alter von Kandidaten nicht immer unbedingt förderlich wirkt).
Dafür braucht es intellektuellen Input und ausgereiftere Rezepte, wie wir sie auf unserem Berlin Summit diskutiert haben. Dazu braucht es auch gesellschaftliche Mehrheiten, wie Adam Tooze auf dem Gipfel gesagt hat. Und die müssen erst wachsen – logisch bei einem neuen Paradigma, das sich erst allmählich herauskristallisiert. Nur reicht das natürlich nicht. Für eine weitergehende Alternative hat es Joe Biden in den USA zwischenzeitlich an innerparteilicher Unterstützung noch gefehlt. In Frankreich droht angesichts diffuser Mehrheiten jetzt das, was wir in Deutschland seit knapp drei Jahren begutachten dürfen: eine Koalition, in der ein Teil das Neue will, ein anderer aber im alten (marktliberalen) Denken festzustecken scheint. Wenn es wichtig ist, ein überzeugendes Leitbild zu haben, um Populisten zu kontern, ist klar: Da kann nichts Überzeugendes herauskommen.
Vielleicht hilft bei alledem jetzt auch eine Sommerpause – zumindest zum Nachdenken; oder dabei, mal Abstand zu gewinnen. Beim Nachdenken helfen wir gern – mit allerlei, was jetzt zum Lesen und Ansehen neu auf unserer Website zu finden ist.
Auf Makronom ist letzte Woche die deutsche Übersetzung der Berlin Declaration erschienen – ebenso wie der Kommentar von Dani Rodrik, Laura Tyson und mir zur Frage, ob die Erklärung eine Art Ersatz für den marktliberalen „Washington Consensus“ ist, der inzwischen auch auf Arabisch, Chinesisch und Russisch übersetzt wurde. Die Declaration selber ist nach der Veröffentlichung in Le Monde vor dem ersten Wahlgang jetzt auch auf Französisch verfügbar, ebenso wie auf Japanisch. Weitere Übersetzungen sind in Arbeit: auf Niederländisch, Italienisch, Spanisch und Polnisch.
Zu den großen Fragen eines neuen Paradigmas gehört spätestens seit dem jüngsten Inflationsschock auch, inwiefern es nicht dringlich wäre, Aufgabe und Kontrolle von Notenbanken neu zu definieren – und ihr immer umfangreicheres Agieren stärker demokratisch zu legitimieren. Dazu hat der französische Wirtschaftshistoriker Eric Monnet ein spannendes Buch mit dem Titel „Balance of Power“ geschrieben – was er diese Woche in unserem New Economy Short Cut mit Peter Bofinger diskutiert hat. Einen Re-live sowie eine Zusammenfassung davon gibt es hier.
Als Re-live und Zusammenfassung sind inzwischen auch zwei weitere Sessions des Berlin Summit von Ende Mai verfügbar. Bei der ersten hat Michael Jacobs als Alternative zum Individualismus des marktliberalen Zeitalters das Modell eines „Institutionalism“ vorgestellt. In der zweiten ging es darum, welche Art von neuer Globalisierung es braucht, um die Menschen zurückzugewinnen: mit Adam Tooze, Daniela Schwarzer, Moritz Schularick, Rob Johnson und Nicola Brandt – hier.
Eine schöne Sommerzeit,
Thomas Fricke & das Forum New Economy Team
PS: Den nächsten Newsletter gibt es Mitte August.
Dieser Text stammt aus unserer zweiwöchig erscheinenden Newsletter-Reihe. Zur Anmeldung geht es hier.