NEUES LEITMOTIV

Newsletter: Keine Mehrheit für die Wirtschaftswende – Warum die Amerikaner Trump gewählt haben – Forum-Symposium Re-live

Aus unserer Forum New Economy Newsletter Reihe

VON

THOMAS FRICKE

VERÖFFENTLICHT

25. NOVEMBER 2024

Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen, 

heute geht es um viel: um die Frage, was die Deutschen von der Idee einer (marktliberalen) Wirtschaftswende halten; und warum die Amerikaner wieder Trump gewählt haben. Beides war Thema unseres großen Symposiums diese Woche.

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Dass eine Rückkehr zu alten marktliberalen Rezepten nicht mehr so recht in die Zeit passt – dafür reicht ein Blick auf den Stand der modernen Forschung (siehe Newsletter vom 8. November). Dass der Ruf danach auch bei den Menschen in Deutschland nicht mehr ankommt – anders als noch zu Zeiten der Agenda 2010 – zeigt eine große Umfrage, deren erste Ergebnisse wir diese Woche vorgestellt haben und die in der ZEIT veröffentlicht wurden.

Danach widersprechen mehr als 70 Prozent dem einstigen marktliberalen Leitspruch, wonach es für die Gesellschaft am besten ist, wenn alle zuerst an sich selbst denken. Fast 80 Prozent stimmen zu, dass das Gefälle zwischen Reich und Arm nicht mehr im Verhältnis zur Leistung der Menschen steht. Selbst für eine aktive Industriepolitik gibt es in verschiedenen Ausprägungen große Mehrheiten in der deutschen Bevölkerung.

Vielleicht liegt hier der Grund, warum es in Wahlumfragen nicht so richtig zu fruchten scheint, mehr Markt zu versprechen; und die FDP trotz Wirtschaftswende-Papier keinen Aufschwung erfährt. Vielleicht ja gerade wegen eines Papiers, dessen Geist nicht mehr zu den Problemen und Sorgen der Zeit passt. Siehe oben.

Mehr zur Umfrage – in der ersten Auswertung und im Re-live zum Talk dazu hier.

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Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordtief, und selbst die Inflation scheint gestoppt. Warum nur hat mehr als die Hälfte der wählenden Amerikaner Donald Trump gewählt? Das herauszufinden, wird wenig an dem ändern, was jetzt kommt. Es könnte aber darüber entscheiden, wie schnell der Spuk zu Ende ist – und ob noch zu verhindern ist, dass es solche Brüche auch anderswo gibt, etwa in Deutschland.

Was gerade passiert ist, stellt eine Menge infrage – auch die Sicherheit konventioneller Ökonomie, wonach (fast) alle Probleme gelöst sind, wenn es Wachstum, Jobs und keine Inflation (mehr) gibt. Nach gängiger Analyse die beste (fast) aller Welten. Was hilft das, wenn die Menschen eben diese wirtschaftliche Lage anders empfinden – und aus tiefem Unmut einen wütenden Präsidenten wählen, der im schlimmsten Fall die Demokratie außer Kraft setzt? Wirtschaft toll, Demokratie tot. Das wird ja nicht ohne Folgen für die Wirtschaft bleiben. Womit sich die Frage aufdrängt, ob Ökonomen solche scheinbar nicht-ökonomischen Faktoren nicht in ihre Modelle einbeziehen müssten, wenn sie noch relevant bleiben wollen. Gilt so ähnlich ja für Klimawandel oder soziale Spaltung. All das hat am Ende auch Einfluss auf die Wirtschaft.

Dass es um mehr geht, hat Isabella Weber bei unserem Symposium zu den wirtschaftlichen Konsequenzen von Trump II. eindrucksvoll dargelegt„Wenn es bei einem neuen Paradigma nur um technokratische Projekte geht und darum, einige Dinge in den Tiefen der Wirtschaftsmaschinerie zu reparieren, wird es äußerst schwierig sein, die Menschen zurückzugewinnen.“ Wenn Inflation so dramatische Folgen habe, müsste viel mehr dafür getan werden, sie gar nicht erst aufkommen zu lassen – etwa ob über Preisbremsen oder -kontrollen. Immerhin fällt in Deutschland der Beginn des jüngsten Aufstiegs der AfD mit dem Inflationsschock von 2022 zusammen.

Was hilft? Robert Gold stellte auf dem Symposium erste Schätzungen dazu vor, ob die US-Demokraten in jenen Regionen zumindest weniger schlecht abschnitten, in denen etwa über den Inflation Reduction Act (IRA) massiv investiert wurde. Noch lägen nicht alle Daten vor, so der Kieler Populismusforscher und Forum-Fellow. Aber die Vermutung scheint sich zu bestätigen, dass der IRA lokal durchaus Einfluss hatte, allerdings stark abhängig etwa davon, wie hoch die jeweilige regionale Inflation ausfiel.

Wenn sich der Zusammenhang mit zunehmend besseren Daten bestätigt, könnte darin eine enorm wichtige Lehre für die Zukunft stecken: dass es gegen Unmut und populistische Versuchungen hilft, pro-aktiv in Regionen zu investieren. So wie das auch in Deutschland versucht wird – etwa mit einem Transformationsfonds, wie im Saarland. Nur dass das eben dauert, bis es wirkt (zu spät für Kamala Harris) – und durch anderes überlagert zu werden droht. Womit sich die Frage stellt, was sonst noch wirkt. Und welche Rolle dabei spielen könnte, dass viele Menschen auch deshalb einen Kontrollverlust spüren, weil kulturelle Bindungen in Zeiten des (nicht nur ökonomischen) Individualismus verloren gegangen sind.

Was die erneute Wahl Trumps für uns in Europa bedeutet, haben auf dem Symposium Joe Kaeser, Simon Jäger, Cathryn Clüver Ashbrook und Anke Hassel diskutiert – das Panel im Re-live hier.

Viel los. Viel zum Nachsehen. Es geht um viel.

 

Einen guten Start in die Woche,

Thomas Fricke

Dieser Text stammt aus unserer zweiwöchig erscheinenden Newsletter-Reihe. Zur Anmeldung geht es hier.

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