DER STAAT

Der Staat muss neu gedacht werden

Mariana Mazzucato und Robert Skidelsky fordern eine neue und aufgabenorientierte Finanzverfassung. Sie plädieren für neue Indikatoren und die Umsetzung von Arbeitsgarantie-Programmen.

VON

THORE BECKMANN

VERÖFFENTLICHT

13. JULI 2020

LESEDAUER

3 MIN

Schaut man sich die derzeitige Finanzpolitik von Staaten auf der Welt an, könnte man der Auffassung sein, dass das Ende der pedantischen Budgetkonsolidierungen vorüber ist und eingesehen wurde, dass Staatstätigkeit nicht die Wurzel allen Übels ist. Doch ein zweiter Blick genügt, so argumentieren Marianna Mazzucato (IIPP) und Robert Skidelsky (em. Warwick University), um zu sehen, dass aus den Fehlern der Finanzkrise 2008/09 nicht gelernt wurde. Zu unkoordiniert seien die Programme, die das Potenzial hätten Ungleichheit zu verschärfen, Asset-Preise noch weiter anzukurbeln, ohne in einem ausreichenden Maß Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die sozialökologische Transformation voranzutreiben.

In ihrem Artikel für Project Syndicate fordern die beiden Wissenschaftler*innen deswegen eine Revolution des Denkens. Die Krise habe das enorme Potenzial der Staatstätigkeit gezeigt, nur sei es für die falschen Ziele eingesetzt worden. Die Probleme unserer Zeit könnten nur mit einer missionsorientierten Fiskalpolitik erreicht werden. Eine solche Politik impliziert, dass man sich ebenso sehr um die Art des ökonomischen Wachstums, wie um seine Größe kümmern sollte. Dafür sei es essenziell, dass der Staat eine größere Rolle einnehme, da die vergangenen Jahrzehnte gezeigt haben, dass liberale Märkte, kurzfristige gegenüber langfristigen Zielen bevorzugen.

Diese Art der missionsorientierten Staatstätigkeit, lehnt sich stark an die Theorien und Veröffentlichungen der Wissenschaftler*innen des Levy Institute for Economics an, die mit der Modern Monetary Theory ein neue Denkweise der Fiskalpolitik einläuten wollen. Wie die MMT-Wissenschaftler*innen plädieren auch Mazzucato und Skidelsky für eine Präferenzverschiebung in der Staatstätigkeit. Vollbeschäftigung sollte demnach das oberste Ziel der Wirtschaftsordnung sein.

Um das zu erreichen, plädieren sie für soziökologische Arbeitsgarantie-Programme, die als antyziklische Fiskal-Instrumente nicht nur hervorragende Krisen-Schutzschirme darstellen würden, sondern auch dringend notwendige Projekte auf ökologischer und sozialer Ebene vorantreiben könnten. Diese Programme würden dem Modell nach jedem/jeder Arbeitslosen die Möglichkeit bieten einen vom Staat finanzierten Job oder ein Weiterbildungsprogramm in Anspruch zu nehmen, der in Kooperation mit Gemeinden, NGOs und sozial ausgerichteten Unternehmen erschaffen wurde.

Nur wenn sich staatliche Investitionen an sozialökologischen Bedürfnissen und Zielen ausrichten würde, könne eine wirkliche Umkehr des ressourcen- und arbeitnehmerfeindlichen Wirtschaftens entstehen. Nur dann könne im Sinne von Carlotta Perez ein System entstehen, welches „Smart Green Growth“ unterstützt.

Der ganze Artikel auf Project Syndicate: Toward a New Fiscal Constitution.

ZUM THEMA DER STAAT

KNOWLEDGE BASE

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

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