UNGLEICHHEIT

Länder sind reicher, aber ihre Regierungen ärmer geworden

Der World Inequality Report 2022 wurde veröffentlicht. Die Daten zeigen: die weltweite Vermögensungleichheit ist weiter hoch, und hat sich durch die Pandemie noch verschlimmert. Aber: Ungleichheit ist auch eine politische Entscheidung.

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

7. DEZEMBER 2021

LESEDAUER

8 MIN

Das World Inequality Lab hat seinen World Inequality Report 2022 veröffentlicht. Der Bericht enthält die neuesten Daten zur Ungleichheit. Im Vergleich zu seinem Vorgänger, dem World Inequality Report 2018, enthält er neue Erkenntnisse in vier Hauptbereichen: systematische Daten zur Ungleichheit auf globaler Ebene und wie sie sich im Laufe der Zeit für fast alle Länder entwickelt haben; detailliertere Daten zu Reichtum und seiner weltweiten Verteilung; systematische Daten zum Anteil der Frauen am weltweiten Arbeitseinkommen; und neue Erkenntnisse zur globalen Ungleichheit beim Ausstoß von Treibhausgasen.

Hat Covid die Ungleichheit verschlimmert?

Der World Inequality Report 2022 zeigt auf, dass weiterhin eine hohe globale Vermögens- und Einkommensungleichheit besteht. SO verfügen die reichsten 10 % der Weltbevölkerung derzeit über 52 % des weltweiten Einkommens, während die ärmste Hälfte der Bevölkerung über nur 8 % verfügt. Die globale Vermögensungleichheit ist dabei noch ausgeprägter als die Einkommensungleichheit.

Die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung besitzt so gut wie gar kein Vermögen, aktuell sind es nur 2 % des Gesamtvermögens. Im Gegensatz dazu besitzen die reichsten 10 % der Weltbevölkerung 76 % des gesamten Vermögens.

Die Forscher stellen außerdem fest, dass die Covid-19-Pandemie verschiedene Formen der Ungleichheit innerhalb der Länder verschärft hat, darunter die gesundheitliche, soziale, geschlechtsspezifische und Vermögensungleichheit. Ein Blick auf die Vermögensdaten von Milliardären zeigt, dass sich die Kluft zwischen der Spitze der Vermögensverteilung und dem Rest der Bevölkerung während der Pandemie dramatisch vergrößert hat. Zwischen 2021 und 2019 wuchs das Vermögen der obersten 0,001 % um 14 %, während das durchschnittliche globale Vermögen schätzungsweise nur um 1 % gestiegen ist.

Große Ungleichheiten bei den Kohlenstoffemissionen

Die globalen Einkommens- und Vermögensunterschiede hängen eng mit ökologischen Ungleichheiten und ungleichen Beiträgen zur Klimakrise zusammen. Die Berechnungen des World Inequality Reports offenbaren erhebliche Ungleichheiten beim Ausstoß von CO2-Emissionen auf globaler Ebene: So sind die obersten 10 % der Emittenten für fast 50 % aller Emissionen verantwortlich, während die unteren 50 % lediglich 12 % der Gesamtemissionen verursachen. Solche Zahlen verstärken die oft diskutierte Frage nach finanziellen Ausgleichsmechanismen für einkommensschwache Gruppen und nach der sozial gerechten Finanzierung von Klimaschutzbemühungen.

Länder sind reicher geworden, aber ihre Regierungen ärmer

Nicht nur die Ungleichheit zwischen reichen und armen Menschen hat zugenommen, sondern auch die Ungleichheit zwischen dem Nettovermögen der Regierungen und dem Nettovermögen des Privatsektors. So stellt der Bericht fest, dass viele Länder in den letzten 40 Jahren zwar deutlich reicher geworden sind, ihre Regierungen aber deutlich ärmer. Das heißt: der Anteil des von öffentlichen Akteuren gehaltenen Vermögens in den reichen Ländern geht gegen Null oder ist sogar negativ. Dieser Trend wurde durch die Covid-Krise noch verstärkt und hat wichtige Auswirkungen auf die Fähigkeit des Staates, den zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen.

Ungleichheit ist eine politische Entscheidung

Seit den 1980er Jahren und ihrer Welle der neoliberalen Deregulierungs- und Liberalisierungsprogramme, hat die Einkommens- und Vermögensungleichheit in fast allen Ländern zugenommen. Da diese Reformen unterschiedlich ausgeprägt waren, war auch der Anstieg der Ungleichheitsraten nicht einheitlich: In einigen Ländern hat die Ungleichheit spektakulär zugenommen (z. B. in den USA, Indien und Russland), während sie in anderen Ländern (in Europa und China) in relativ geringerem Maße zugenommen hat. Diese Unterschiede, die in der letzten Ausgabe des World Inequality Report ausführlich erörtert wurden, bestätigen, dass Ungleichheit nicht unvermeidlich, sondern eine politische Entscheidung ist.

Wie kann Ungleichheit verringert werden?

Angesichts der Dringlichkeit der heutigen Krisen drohen steigende Ungleichheit den Fortschritt in Richtung eines nachhaltigen Wohlstands für alle zu behindern. Doch wie kann Ungleichheit wirksam verringert werden? Dazu erörtert der World Inequality Report 2022 unter Berücksichtigung von Ansätzen aus aller Welt abschließend verschiedene Optionen, darunter progressive Steuern, globale Vermögensregister und unilaterale Abkommen.

Den vollständigen Bericht gibt es hier.

Für eine deutsche Sicht auf die Debatte empfehlen wir diese Forum Studie von Charlotte Bartels und Carsten Schroeder.

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