NEUES LEITMOTIV

Forum-Newsletter: Mit dem Bürgergeld gegen Elon Musk / Short Cut mit Arbeitsmarktökonom Enzo Weber - zum Vormerken

Aus unserer Forum New Economy Newsletter-Reihe

VON

THOMAS FRICKE

VERÖFFENTLICHT

12. SEPTEMBER 2025

Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen, 

Als vor zwanzig Jahren die Agenda 2010 in Kraft trat, mahnten die damals führenden Ökonomen im Land, dass das ja bestenfalls der erste Schritt in die richtige Richtung sei – und noch viel mehr zu reformieren wäre, bevor Deutschland dem globalen Wettbewerb standhalten und die Wirtschaft wieder wachsen würde. Kurz darauf begann die längste Wachstumsphase, die Deutschland seit Ewigkeiten hatte – und eine Phase der immer krasseren Exportüberschüsse. Von wegen Wettbewerb. Und alles ohne die angeblich so nötigen weiteren Reformen.

Was folgte, ist eine der erstaunlichsten Umdeutungen von Geschichte: Plötzlich war es dann nach gängiger Lesart halt doch die Agenda. Aufgearbeitet wurde das nie. Die Geschichte kursiert seither. Obwohl viel dafür spricht, dass es ganz andere Dinge waren, die damals zum Ende der Dauerstagnation führten – allem voran der enorme Boom Chinas, der über Jahre einen Gutteil des deutschen Wachstums erklärte. Die Agenda-Fixierung auf Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit hatte sogar fatale Nebenwirkungen: jene weltweit kritisierten und auf Dauer wirtschaftlich nicht tragbaren Überschüsse im deutschen Außenhandel, die jetzt drohen, von Donald Trump korrigiert zu werden – auf unsanfte Art.

Dass die Agenda nie richtig aufgearbeitet wurde, dürfte erklären, warum jetzt, wo die Wirtschaft wieder ein paar Jahre stagniert hat, dieselben Reflexe um sich greifen – mehr arbeiten, weniger Sozialleistungen respektive Bürgergeld, warum nicht auch Feiertage streichen. Welches der tatsächlichen Probleme des Jahres 2025 soll das lösen? Dass Deutschlands Autoindustrie den Wandel zur Elektromobilität verpasst hat? Oder Chinas staatlich forcierte Billigkonkurrenz aufhört? Bürgergeld zu kürzen, wird weder die drohenden Kosten des Klimawandels auffangen, noch Elon Musk und Peter Thiel davon abhalten, die Demokratie zu unterhöhlen – oder Europas fatale digitale Abhängigkeit abbauen. Alles weit komplizierter als den Neid auf eine überschaubare Zahl an Arbeitsverweigerern in Sachen Bürgergeld zu nutzen.

Heißt ja nicht, dass es nicht auch Gründe gibt, das Bürgergeld zu reformieren und mehr Anreize für Arbeit zu schaffen. Dass es Leute gibt, die sich jeder Arbeit verweigern – nicht gut. Viel wichtiger wäre herauszufinden, wie groß das Problem ist – und ob es im Verhältnis dazu steht, wie viel Energie gerade in Politrunden und Talkshows darauf verwendet wird. Oder was die wirklichen Gründe dafür sind, dass manche Stellen in Deutschland nicht besetzt werden. Da geht es ja meist um hoch qualifizierte Leute und IT-Spezialisten. Und da hilft es wenig, Langzeitarbeitslosen ohne Computerkenntnissen das Bürgergeld zu streichen.

In alledem hat die Forschung in den Jahren seit der Agenda 2010 eine Menge neue Erkenntnisse gewonnen, die vor lauter Aufregung ums Bürgergeld gerade verschütt zu gehen drohen. Grund genug, in unserem nächsten New Economy Short Cut genau darüber zu sprechen – mit Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

Zum Vormerken: Am 25. September um 13 Uhr. Ein Aufklärungsversuch jenseits der Bauchgefühls-Empirie.

Ein schönes Wochenende,

Thomas Fricke

Dieser Text stammt aus unserer zweiwöchig erscheinenden Newsletter-Reihe. Zur Anmeldung geht es hier.

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