NEUES LEITMOTIV
Forum-Newsletter: Wenn das Reformieren gegen die Krise nicht hilft
Aus unserer Forum New Economy Newsletter-Reihe
VON
THOMAS FRICKEVERÖFFENTLICHT
5. DEZEMBER 2025
Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen,
seit Monaten geistern durch Deutschland immer neue Mutmaßungen über den wirtschaftlichen Absturz. Seit Monaten folgt solchen Befunden meist, dass (deshalb) dringend irgendwie reformiert werden muss. Und seit Monaten geht es in jeder zweiten Talkshow und Kommentierung daher um wahlweise Bürokratie, Bürgergeld oder, klar, die Rente.
Jetzt gibt es – bei allen Mängeln – für alle drei inzwischen irgendwie Gesetze und Vorhaben, seit heute auch für die Rente. Die Frage ist nur, ob es der Wirtschaft nun auch bald besser gehen wird. Die Antwort: ziemlich unwahrscheinlich.
Nicht dass es an Bürokratie, Bürgergeld und Rente nichts zu reformieren gab. Nur droht das Reformieren gerade hier relativ wenig an dem zu ändern, was bei näherer Betrachtung die wirklichen Ursachen der dreijährigen Dauerschwäche der deutschen Wirtschaft waren (und sind). Das neue deutsche Bürgergeld wird mit einiger Wahrscheinlichkeit weder den drohenden Kollaps des alten Welthandelssystems abwenden, noch Donald Trump davon abhalten, die deutsche Industrie mit Zöllen zu bedrohen. Selbst tausend Maßnahmen zum Abbau hiesiger Amtsregeln werden wenig dabei helfen, den Rückstand der deutschen Autoindustrie in Sachen E-Autos zu beheben. Was die Wirtschaft seit Jahren belastet, sind auch chinesische Billigkonkurrenten – oder die Angst der Verbraucher vor Kriegen, KI und anderen Unwägbarkeiten. Dagegen hilft auch keine Rentenreform. Das ist ohnehin nicht akut – ein Thema für morgen.
Gegen all das würde eine ausgebesserte Industriepolitik, konsequenter Ausbau von Ladestationen oder eine stärkere Binnennachfrage helfen. Was in Deutschland seit Monaten an Absturzprophezeiungen zelebriert wird, dürfte die Rezession im Gegenteil eher noch verlängern haben. Wer will schon in einem Land investieren, deren Wirtschaftsvertreter ohne Ablass den eigenen Untergang kommen sehen? Wer gibt Geld für große Anschaffungen aus, wenn tagein, tagaus über angeblich notwendige „schmerzhafte“ Einschnitte und langsamere Rentensteigerungen fabuliert wird? Und wo der Staat über höhere Abgaben und Kürzungen seit Jahren de facto Geld abzieht.
Wo also steht Deutschland zum Jahreswechsel 2026 wirklich? Wie nah ist der Absturz tatsächlich? Wie viel von den Unkenrufen ist Kalkül von denen, die nur über Leidensdruck Chancen auf Verwirklichung der eigenen wirtschaftspolitischen Agenda sehen? Was würde wirklich helfen? Und wie kommt es, dass in Deutschland wieder so über Ökonomie diskutiert wird wie vor 20 Jahren – als hätte es seither nicht etliche Erkenntnisfortschritte gegeben?
Das loten wir in unserem nächsten New Economy Short Cut in Zusammenarbeit mit dem OECD Berlin Centre aus – mit dem dänischen Ökonom Erik F. Nielsen, der den Deutschen kürzlich viel zu viel Pessimismus vorgeworfen hat, mit IMK-Direktor Sebastian Dullien und mit OECD-Ökonomin Nicola Brandt: am kommenden Freitag, 12. Dezember, ab 13 Uhr.
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Wenn es kommendes Jahr wieder mehr Wirtschaftswachstum in Deutschland gibt, dürfte das ohnehin andere Gründe haben: Dann müsste das im Frühjahr angeschobene große Investitionspaket zu wirken beginnen, das über zwölf Jahre 500 Milliarden Euro öffentliche Investitionen in die Zukunft bringen soll. Darum ging es bei unserem Herbst-Symposium vergangene Woche – unter anderem mit Finanzstaatssekretär Steffen Meyer.
Tenor: Zwar hat die Bundesregierung bei weitem nicht alles Geld bisher in Investitionen gesteckt, wie die Grüne Lisa Paus bemängelte – und Achim Truger aus dem Sachverständigenrat bestätigt. Immerhin steckt (trotzdem) eine Menge Potenzial in dem Paket: Für jeden Euro Investitionen ist nach Trugers Schätzung durchaus mit 1,50 Euro zusätzlicher Wirtschaftsleistung zu rechnen. Ganz praktisch: In der alten Kohlestadt Spremberg kann mit dem dort ankommenden Geld immerhin fertiggestellt werden, wofür bisher nicht genug Geld da war, so die dortige Bürgermeisterin Christine Herntier.
Mindestens so wichtig wird künftig auch sein, wie gut nachverfolgt wird, wohin die so groß wirkende Summe von 500 Milliarden geht – und wie dafür gesorgt werden kann, dass die Menschen davon auch etwas spüren und mitbekommen. Im Bundesfinanzministerium wird dazu auch an einem Logo schon gearbeitet.
Zum Re-Live der beiden Sessions des Symposiums zu einerseits Wirkung und andererseits Monitoring geht es hier.
Ein schönes Wochenende,
Thomas Fricke
Dieser Text stammt aus unserer zweiwöchig erscheinenden Newsletter-Reihe. Zur Anmeldung geht es hier.