KLIMA

Expertenseminar - Finanzierung der Investitionsagenda der Bundesregierung

Wie lässt sich die ambitionierte Agenda öffentlicher Investitionen innerhalb der Schuldenbremse finanzieren? In einem Expertenseminar haben wir dazu die Ergebnisse einer gerade fertiggestellten Studie von Forum New Economy und Agora Energiewende diskutiert.

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

24. NOVEMBER 2021

LESEDAUER

2 MIN

Wie die ambitionierte Agenda öffentlicher Investitionen innerhalb der Schuldenbremse finanziert werden könnte, gehört zu den Kernfragen, die in den Koalitionsgesprächen gerade ausgelotet werden.  Eine Studie von Agora Energiewende und Forum New Economy hat ergeben, dass sich der jährliche Finanzierungsbedarf für Klimaschutzmaßnahmen bis 2030 auf 46 Milliarden Euro beläuft – fast dreimal so viel wie bisher veranschlagt. Doch die Studie zeigt auch: Mit einer klugen Finanzpolitik kann die neue Bundesregierung trotz Rückkehr zur Schuldenbremse die nötigen Klimaschutzmaßnahmen finanzieren.

Wie gut die Chancen darauf stehen, und ob die sich abzeichnenden Antworten ausreichend sind, das haben wir in einem Kreis ausgewählter ExpertInnen und Beteiligter aus Politik, Wissenschaft und Gewerkschaft diskutiert. Dazu haben Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, und Tom Krebs, Research Director des Forums, zunächst die Ergebnisse der eingangs erwähnten Studie zur Finanzierung der Klimainvestitionen vorgestellt. Anschließend folgte eine offene Diskussion.

Weitgehender Tenor herrschte in der Runde bezüglich der Dringlichkeit des anstehenden Investitionsvorhabens und der Plausibilität der von Agora und Forum New Economy veranschlagten Finanzierungsbedarfe. Allerdings würde sich dieser Bedarf noch deutlich erhöhen, würde man Investitionen außerhalb des Bereichs Klima hinzuziehen. Insgesamt beläuft sich der Investitionsstau in Deutschland auf gigantische Dimensionen. Zudem sind alle Zahlen zusätzlich zu dem zu verstehen, was bereits in den Haushaltsbudgets veranschlagt und investiert wird.

Für alle in der Studie vorgestellten Instrumente ist abzuwägen, welches Instrument zu welchem Zeitpunkt zum Zuge kommen sollte.

Eine Förderung öffentlicher Unternehmen als schuldenbremsenneutrales Mittel zur Steigerung des Investitionsniveaus kann eine ökonomisch effiziente Möglichkeit sein, eine goldene Regel umzusetzen.

Einzelne Diskutanten verwiesen aber darauf, dass eine Investitionsfinanzierung über Eigen- oder Fremdkapital teurer sein könnte als eine Finanzierung über Bundesanleihen. Die Grenzkostenbepreisung der öffentlichen Infrastruktur wäre so noch weniger kostendeckend, Trassenpreise zum Beispiel bei der Bahn könnten steigen. Investitionen in öffentliche Infrastruktur sollten demnach immer auch dem Zweck dienlich sein, die bestehende Infrastruktur effizienter zu nutzen, um diesen Effekten entgegen zu wirken.

Weitere Diskussionen drehten sich unter anderem um die Rolle kommunaler Investitionen, die bisher nicht ausreichend in der politischen Agenda reflektiert seien. Wie Bund und Länder besser zusammenarbeiten können, um kommunale Investitionen innerhalb der Schuldenbremse zu finanzieren, bleibt eine offene Frage. Auch die Rolle der KfW als Ausgabenträger von Krediten an Kommunen ist weiterhin zu diskutieren. Letztlich ist dabei auch die Frage zu beachten, wieso private Investitionen trotz Niedrigzinsumfeld in den letzten Jahren zurückgingen. Der Tenor in der Runde: mehr Geld im System allein ist dann nicht ausreichend, wenn unzureichende Digitalisierung, Fachkräftemangel, eine marode Infrastruktur und andere Hemmnisse bestehen bleiben.

Weitestgehend Einigkeit herrschte auch darüber, dass die europäische Debatte, insbesondere auch das europäische Beihilfe-Recht, als möglicher Fallstrick mitzudenken seien. Auch eine Reform der Potenzialschätzung über Strukturreformen wurde als notwendiger Schritt diskutiert. Die Frage, ob dieser Schritt am besten im politischen Prozess oder innerhalb der Konjunkturbereinigung vollzogen werden sollte, schloss das Seminar ab.

 

Die Studien zum Nachlesen:

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Zu Hochzeiten des Glaubens an die Märkte galt als bestes Mittel gegen die Klimakrise, an den Märkten einen CO2-Preis aushandeln zu lassen. Heute ist zunehmend Konsens, dass das nur bedingt funktioniert - und es weit mehr braucht, als nur einen Preis.

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