NEUES LEITMOTIV
Deutsches Schlafwandeln vor einer Trump-Rückkehr
Aus unserer Forum New Economy Newsletter Reihe.
VON
THOMAS FRICKEVERÖFFENTLICHT
29. JANUAR 2024LESEDAUER
2 MINEs hat etwas Bizarres: seit Wochen streitet Deutschland darüber, ob das Bürgergeld nun zu hoch ist oder nicht – und es scheint, als hinge davon das Schicksal des Landes ab. Dabei könnte das, was den Wohlstand der Deutschen seit Jahren ausmacht, schon bald von ganz woanders bedroht werden: wenn tatsächlich Donald Trump ein zweites Mal Präsident der USA werden sollte. Das scheint im Land der Exportmeister weit weniger Sorgen auszulösen – geschweige denn ein Nachdenken darüber, wie man sich von den Folgen von Trump II für den eigenen (Export-) Wohlstand schützen könnte.
Das lässt die Unbekümmertheit vermuten, mit der die Deutschen schon kurz nach dem Energieschock von 2022 wieder Export-Überschüsse einfahren – und diese via Austerität und entsprechend schwacher Importnachfrage jetzt noch einmal zu verschärfen drohen.
Zu dem Schluss kommen auch die Ökonomen Shahin Vallée, Sander Tordoir und Sebastian de Quant in einer Studie zum geopolitisch naiven deutschen Exportmodell für das Forum New Economy, die jetzt erschienen ist – und in Kurzfassung diese Woche auf ZEIT Online (Deutsch) sowie im IP Quarterly (Englisch). Trotz aller Bekundungen gebe es nur wenige effektive Anstrengungen, über bessere Kontrolle von Export, Import oder Investitionen allzu große Abhängigkeiten bei strategisch wichtigen Dingen zu verhindern – um nicht erpressbar zu sein, ob durch Trump oder jetzt schon China. Vieles werde in Europa national entschieden, was verhindere, dass die Europäer mit geeinter Kraft gegenhalten. Schlimmer noch, oft schalten sich die Europäer gegenseitig aus: erst wurde von der EU gefördert, dass China in europäische Häfen einsteigt, dann kommt der Warnschuss, wie etwa im Falle Hamburgs.
Besonders anfällig ist schon jetzt gerade die deutsche Autoindustrie, so die drei Autoren. Und es sei schwer vorstellbar, ob die Branche der zunehmend merkantilistischen Handelspolitik Chinas ohne viel offenere Anti-Dumping-Maßnahmen standhalten könne. Kein gutes Omen für das, was nach der US-Wahl im November zu kommen droht. Deutschland und die EU scheinen in eine geo-ökonomische Krise zu schlafwandeln, die verheerend ausfallen könnte, schreiben Vallée, Tordoir und de Quant.
Wie sehr nationale Gepflogenheiten mit der globalisierten Wirklichkeit kollidieren können, wurde in den vergangenen Jahren immer dann offenbar, wenn es zu großen (internationalen) Finanzkrisen kam – und die Notenbanken zur Rettung eingreifen mussten. Was zumindest gegen die deklarierte ordnungspolitische Gepflogenheit der Deutschen Bundesbank ging, wonach solche Interventionen nur schaden, weil sie den Leichtsinn der Akteure befördern – Stichwort: Moral Hazard. Ob das so ist – und wann und wie Notenbanken in Krisen intervenieren, hat Moritz Schularick in einem großen historischen Paper vergangenes Jahr über 400 Jahre ausgewertet. Am Dienstag diskutiert der Chef des Kiel Instituts für Weltwirtschaft die Ergebnisse mit niemandem weniger als dem Bundesbankchef Joachim Nagel – am 30. Januar um 16 Uhr 30 bei uns live und in Farbe.
Dieser Text stammt aus unserer zweiwöchig erscheinenden Newsletter-Reihe. Zur Anmeldung geht es hier.