KLIMA
50 Jahre Grenzen des Wachstums
Welches Vermächtnis hat der Bericht "Die Grenzen des Wachstums" von 1972 für die Debatte über grünes Wachstum oder Wachstumsverzicht? Und wie eine Post-Wachstums-Haltung politischen Entscheidungsträgern helfen kann, sich auf die notwendigen Gegenmaßnahmen zu konzentrieren, war das Thema der Einführungssitzung unseres Symposiums.
VON
DAVID KLÄFFLINGVERÖFFENTLICHT
2. SEPTEMBER 2022LESEDAUER
6 MINWachstum oder kein Wachstum – das scheint hier die Frage zu sein. Zumindest, wenn es um die Debatte geht, die auf den Bericht „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome folgte. Heute ist diese Diskussion immer noch aktuell, tritt aber langsam in den Hintergrund, da eine neue agnostische Haltung gegenüber dem Wachstum an Bedeutung gewinnt, die sich Post-Wachstum nennt. Immer häufiger werden dabei die spezifischen Ziele der Rettung des Klimas oder der Artenvielfalt in den Vordergrund gestellt – und erst in zweiter Linie wird bewertet, ob dies noch zu Wachstum führt oder nicht.
Dieser Prozess spiegelte sich auch in der Einführungssitzung unseres Symposiums anlässlich des 50. Jahrestages des einflussreichen Club of Rome-Berichts wider, der sich mit seinen Auswirkungen und seinem Erbe sowie mit seinen politischen Implikationen für heute befasste.
In seinem kurzen Gespräch mit Thomas Fricke (Forum New Economy) erklärte einer der Autoren des ursprünglichen Berichts, Jørgen Randers, der sich als tief deprimierter Mann mit einem lächelnden Gesicht vorstellte, dass die grundlegende Problematik sehr einfach zu verstehen ist: der Versuch, immer mehr Menschen und materiellen Konsum auf einem endlichen Planeten unterzubringen scheint widersprüchlich zu sein.
Auf den Einführungsvortrag folgte der Vortrag von Michael Jacobs (SPERI) über 50 Jahre der Debatte über die Grenzen des Wachstums. Neben einem historischen Rückblick auf die Reaktionen nach der Veröffentlichung des „einflussreichen Berichts ohne Einfluss“ im Jahr 1972 zeichnete er die Spaltung in zwei Wachstumslager nach, nämlich De-Growth und Green-Growth. Diese beiden Gruppen waren sich in einem Punkt uneinig: in der Frage, ob eine Entkopplung von Wachstum und Umweltzerstörung theoretisch möglich ist oder nicht. Das Fazit von Michaels Vortrag lautete, dass dies angesichts der immer größer werdenden Herausforderungen durch die zahlreichen Umwelt- und Klimakrisen die falsche Frage ist.
Die entscheidende Frage ist nicht, ob eine Entkopplung theoretisch möglich ist, sondern ob sie schnell genug durchgeführt werden kann. Lassen wir das theoretische Argument hinter uns und versuchen wir es!
Diese Post-Wachstums-Ansicht fand auch in der Podiumsdiskussion im Anschluss an den Vortrag breite Unterstützung. Neben Jørgen Randers und Michael Jacobs nahmen Sandrine Dixson-Declève (Club of Rome) und Tom Krebs (Universität Mannheim, Forum New Economy) an der Diskussion teil.
Gründe für die begrenzte Reaktion der Politik auf den Bericht suchend, stellte Jørgen Randers selbstkritisch fest, dass es ihnen in dem Bericht nicht gelungen sei, zwischen dem Wachstum des ökologischen Fußabdrucks und dem Wachstum des BIP, also zwischen realen Ressourcen und monetären Messgrößen zu unterscheiden. Außerdem stünden die höheren persönlichen kurzfristigen Kosten von Veränderungen und Anpassungen der Umsetzung der notwendigen Maßnahmen im Wege.
Sandrine Dixson-Declève wies diese Erklärung zurück und machte stattdessen schlechte und kurzsichtige politische Entscheidungsträger verantwortlich, da die unmittelbaren Kosten zwar hoch erscheinen mögen, die langfristigen Kosten aber viel schädlicher sind. Sie betonte auch die Bedeutung der Sozialpolitik und des sozialen Fortschritts für das Klima und schlug eine neue Wertgrundlage vor, die den Wert von Arbeit und der Umwelt höher bewertet als den Shareholder Value und die Pflegearbeit oder die Natur berücksichtigt.
Das BIP sollte wachsen dürfen, solange es die Wirtschaft angemessen widerspiegelt, was es derzeit nicht tut. Wir haben eine Überfinanzialisierung der Wirtschaft. Wir müssen umfassender darüber nachdenken, ob das BIP-Wachstum den vielen zugute kommt - oder nur den wenigen.
In seinem Vortrag konzentrierte sich Tom Krebs auf zwei gegensätzliche Politikansätze, um die Entkopplung zu erreichen, wobei er zwischen marktliberalen Vorschlägen (z.B. CO2-Steuer) und moderner Klimapolitik jenseits von Marktlösungen (z.B. Green New Deal) unterschied. Laut Tom gehören die Schaffung guter Arbeitsplätze und die Stärkung der Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer genau so wie zum Beispiel öffentliche Investitionen oder eine grüne Industriepolitik in den Mittelpunkt der letztgenannten politischen Strategie.
Insgesamt waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig, dass die Umweltkrise mehrdimensional ist und sich nicht nur auf die Treibhausgasemissionen beschränkt. Auch die Post-Wachstums-Strategie wurde einhellig befürwortet, da sie die Debatte über Growth/De-Growth beiseite lässt und sich auf politische Maßnahmen konzentriert, die uns dabei helfen, die planetarischen Grenzen zu respektieren.