KLIMA

Expertenseminar - Was die Auto-Wende für Wirtschaft und Jobs bedeutet

Am 24. Februar veranstaltete das Forum New Economy ein Online-Expertenseminar zur Transformation der Automobilindustrie, in dem die Auswirkungen der Verkehrswende auf Autoregionen und Beschäftigung diskutiert wurden.

VON

THORE BECKMANN

VERÖFFENTLICHT

15. JANUAR 2021

LESEDAUER

2 MIN.

Der Umbruch der deutschen Autoindustrie gewinnt an Fahrt – und zunehmend an Konturen. Werden sich in Kürze mithin die großen Ängste bewahrheiten, dass mit dem Wechsel hin zur Elektromobilität der Niedergang der womöglich wichtigsten deutschen Schlüsselindustrie beginnt? Oder wird alles jetzt doch halb so wild? Nach der Antwort haben diese Woche knapp 50 ausgewiesene Auto-, Klima- und Makro-Experten bei unserem Seminar zur Autowende gesucht. Und wie das so ist, gibt es dann nicht nur eine Meinung. Und doch kristallisiert sich einiges von dem, was wahrscheinlich kommen wird, aus fast allen Beiträgen erstaunlich deutlich mittlerweile heraus.

Es spricht viel dafür, dass der Kollaps ausbleibt. Dagegen spricht, wie stabsmäßig Konzerne wie Volkswagen mittlerweile daran arbeiten, Produktion, Pläne und Strategien auf batteriebetriebene Autos einzustellen. Bei VW werden die Werke im laufenden Betrieb auf die neue Produktion umgestellt – bei gleichzeitig geltender Standort- und Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter. Ähnliches gilt für große Zulieferer wie ZF Friedrichshafen, wo die Abhängigkeit vom alten Verbrennermotor seit Jahren bereits reduziert wird. Per Saldo, so gängige Schätzungen mittlerweile, könnten alles in allem in der neuen Autowelt mehr Jobs entstehen als verloren gehen – wenn alles einigermaßen gut geht. Nur: selbst wenn das so ist – und es sind nach wie vor Schätzungen -, stehen hinter so einem Saldo eben immer auch zwei Seiten.

Zur Minusseite gehören jene Firmen, die bisher ausschließlich Getriebe und Motoren herstellen, die batteriebetriebene Autos nicht mehr brauchen – und bei denen noch nicht absehbar ist, was danach kommt, schon weil die Kapazitäten derzeit ja noch prima ausgelastet sind. Was vor allem dann zum Großproblem zu werden droht, wenn es um entlegenere Orte geht, in denen von 8000 Einwohnern mehr als 1000 für den lokalen Zulieferer der Autoindustrie arbeiten – eine wirtschaftlich-soziale Katastrophe mit Ansage, wie Jens Südekum auf der Veranstaltung darlegte. Dazu kommt: wenn nach aktuellen Projektionen der Saldo positiv ist, steht dahinter auch die Annahme, dass zigtausende Mitarbeiter in den nächsten Jahren umgeschult werden müssen – damit sie auf der positiven Seite stehen. Eine Mammutaufgabe.

Sprich: auch wenn so manche Katastrophe ausbleiben könnte, wird es in den nächsten zwei, drei Jahren bereits darum gehen, sehr viel mehr Geld und Ideen zu mobilisieren, um etliche Menschen umzuschulen und neue Geschäfte zu entwickeln – und in Regionen notfalls vorauseilend neue Industrien anzusiedeln, die auf den großen Knall zusteuern – damit dort dann nicht doch das passiert, was einst im US-amerikanischen Auto-Gürtel, dem heutigen Rust belt, passiert ist, wo eine ganze Region niederging, Großstädte pleite anmelden mussten – und viele aus Frust später Trump wählten. Höchste Zeit für neue Ideen – und eine sehr viel besser ausgefeilte Industriepolitik. Ganz im Sinne dessen, was Mariana Mazzucato als missionsorientiere Politik entwickelt hat.

 

Die Präsentation von Peter Mock finden Sie hier.

Die Präsentation von Jens Südekum

Die Präsentation von Peter Mock

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Zu Hochzeiten des Glaubens an die Märkte galt als bestes Mittel gegen die Klimakrise, an den Märkten einen CO2-Preis aushandeln zu lassen. Heute ist zunehmend Konsens, dass das nur bedingt funktioniert - und es weit mehr braucht, als nur einen Preis.

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