FINANZWELT

The Berlin Summit 2025: Towards the next financial meltdown? – Learnings from recent crises for the future

Diese Summit-Session konzentrierte sich auf die unbeabsichtigten Folgen des geldpolitischen Rahmens nach der Krise und die Notwendigkeit einer Reform, etwa durch ein zweistufiges Vergütungssystem für Währungsreserven.

VON

FORUM NEW ECONOMY

VERÖFFENTLICHT

20. JUNI 2025

Wie das derzeitige System den Banken nützt und der Politik schadet

Nach der globalen Finanzkrise und zunehmend während der COVID-19-Periode erfuhren die Zentralbankoperationen bedeutende strukturelle Veränderungen. Im Rahmen der quantitativen Lockerung (QE) weiteten die Zentralbanken ihre Bilanzen drastisch aus und schufen umfangreiche Reserven für die Geschäftsbanken. Anders als vor der Krise sind diese Reserven nun verzinst, d. h. die Zentralbanken zahlen den privaten Banken Zinsen für die Haltung dieser Reserven. Dies führt zu umfangreichen öffentlichen Transfers an Banken, die durch die Geldschöpfung der Zentralbank finanziert werden. Bis 2023-2024 beliefen sich diese Transfers im Euroraum auf jährlich etwa 125-130 Milliarden Euro – vergleichbar mit dem gesamten EU-Haushalt. In vielen Fällen trugen diese Transfers zu mehr als der Hälfte der jährlichen Gewinne der Banken bei, während die Zentralbanken Verluste verzeichneten und die Gewinnausschüttungen an die Regierungen einstellten.

Diese Praxis wurde ohne nennenswerte politische Debatte oder öffentliche Aufmerksamkeit eingeführt, Vor allem aber schwächt dieses System die Wirksamkeit der Geldpolitik. Wenn die Zentralbanken die Zinssätze anheben, um die Inflation abzukühlen, erhöhen sie gleichzeitig die Zahlungen an die Banken für ihre Reserven, was ungewollt die Gewinne steigert und Anreize für eine verstärkte Kreditvergabe schafft. Dies untergräbt die kontraktiven Ziele einer restriktiven Geldpolitik. Es wurden Daten vorgelegt, die zeigen, dass die Banken in Zeiten hoher Mindestreservevergütungen häufig ihre Kreditvergabestandards lockerten – entgegen den Erwartungen während eines Zinserhöhungszyklus.

 

Vorschlag für ein zweistufiges Reservesystem

Um diese Verzerrungen zu korrigieren, wurde ein zweistufiges Vergütungsmodell vorgeschlagen. In einem solchen System würden die Zentralbanken einen Schwellenwert für die erforderlichen Reserven festlegen – beispielsweise 50 % der gesamten Reserven jeder Bank -, der nicht verzinst würde. Nur die über diesen Schwellenwert hinausgehenden Reserven würden verzinst.

Ein solches System würde die öffentlichen Transfers an die Banken erheblich reduzieren, die Wirksamkeit der Geldpolitik wiederherstellen, indem es die Verbindung zwischen Reservegewinnen und Kreditwachstum aufhebt, und den derzeitigen Handlungsrahmen der EZB beibehalten. Dieser Ansatz ist nicht hypothetisch, sondern wurde in ähnlicher Weise bereits 2019 von der EZB als Reaktion auf die Bedenken des Bankensektors gegenüber negativen Zinssätzen umgesetzt.

In der Diskussion wurde festgestellt, dass die Vergütung von Reserven als Reaktion auf außergewöhnliche Umstände eingeführt wurde – insbesondere zur Stabilisierung der Märkte während der Pandemie und als Anreiz für Anleiheverkäufe während der frühen QE-Phasen. Es herrschte Einigkeit darüber, dass Reserven, die im Rahmen außerordentlicher Finanzstabilisierungsmaßnahmen gebildet wurden, nicht weiter verzinst werden sollten. Es wurde jedoch auch argumentiert, dass die Vergütung in der Anfangsphase von QE – insbesondere, als die Inflationserwartungen gefährlich niedrig waren – dazu beigetragen haben könnte, die Banken zum Verkauf von Staatsanleihen zu ermutigen und so die Ankaufprogramme der EZB zu unterstützen. Dennoch hätte eine andere Gestaltung dazu beitragen können, die heutigen Mitnahmeeffekte zu begrenzen. Insbesondere hätte ein fester Vergütungssatz, der zum Zeitpunkt der QE-Käufe festgelegt wurde, unbeabsichtigte Folgen verhindern können, da die Zinssätze jetzt steigen.

In der Diskussion wurden auch Bedenken hinsichtlich der Schwächen des QE-Konzepts geäußert – insbesondere die starre Anwendung des „Kapitalschlüssels“, die zu unverhältnismäßigen Käufen deutscher und französischer Schuldtitel führte, während die anfälligeren Volkswirtschaften der Eurozone nicht unterstützt wurden. Dies trug zu Ungleichgewichten bei und schwächte die fiskalische und investive Reaktion in Ländern mit einer höheren Schuldenlast.

 

Lehren aus den jüngsten Krisen

Die Experten waren sich einig, dass die geldpolitische Reaktion nach 2008 ernsthafte Einschränkungen aufwies. Einer merkte an, dass die monetäre Expansion in einer Liquiditätsfalle das Wachstum nicht stimulieren konnte und argumentierte, dass die Fiskalpolitik effektiver gewesen wäre. Der andere betonte, dass Europa im Zuge der Normalisierung der Zinssätze ein reformiertes makroökonomisches Instrumentarium benötigt, das eine investitionsorientierte Finanzpolitik auf europäischer Ebene beinhaltet.

In der Diskussion wurde hervorgehoben, wie die derzeitigen EU-Fiskalregeln die Investitionsmöglichkeiten der nationalen Regierungen einschränken, obwohl ähnliche Investitionen auf EU-Ebene durch Instrumente wie NextGenerationEU möglich sind. Diese Ungereimtheit wurde als „irrational“ bezeichnet, und ein Redner warnte, dass solche Regeln notwendige öffentliche Investitionen verhindern und zu langfristiger Minderleistung und Ungerechtigkeit zwischen den Generationen führen.

 

Fazit: Stille Transfers und verpasste Chancen

Die Diskussionsteilnehmer schlussfolgerten, dass die derzeitige Praxis der EZB, Bankreserven zum vollen Leitzins zu verzinsen, zu stillen, aber erheblichen fiskalischen Transfers von der öffentlichen Hand an private Banken geführt hat. Diese Transfers sind wirtschaftlich ineffizient, werden von der Öffentlichkeit kaum verstanden und sind politisch nicht hinterfragt. Sie untergraben auch die zentrale Wirksamkeit der geldpolitischen Straffung, insbesondere in Zeiten der Inflationsbekämpfung. Ein zweistufiges Reservesystem wurde als praktikable und bereits getestete Alternative vorgestellt, mit der Verzerrungen verringert werden könnten, ohne den allgemeinen Handlungsrahmen der Zentralbank aufzugeben. Generell wurden in der Diskussion mehr Transparenz, demokratische Kontrolle und institutionelle Reformen gefordert, um sicherzustellen, dass die geldpolitischen Instrumente mit den wirtschaftlichen Zielen übereinstimmen und nicht unbeabsichtigt die Ungleichheit verstärken oder die fiskalische Stabilität schwächen.

Interview mit Paul de Grauwe

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Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise scheint eine wirkliche Stabilität des Finanzsystems nicht in Sicht zu sein. Risiken werden periodisch falsch bewertet und führen zu Boom-Bust-Zyklen. Ein stabileres Finanzsystem sollte kurzfristige Spekulationen erschweren, systemische Risiken begrenzen und das Vermögen gerechter verteilen.

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