NEUES LEITMOTIV

Newsletter: Deutsche Ampel-Schizophrenie versus Harris-Agenda / Symposium und Geburtstag am 19. November

Aus unserer Forum New Economy Newsletter Reihe

VON

THOMAS FRICKE

VERÖFFENTLICHT

11. OKTOBER 2024

LESEDAUER

4 MIN.

Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen, 

wenn in der Geschichte gesellschaftliche Paradigmen abgelöst wurden, war das immer mit Phasen verbunden, in der das alte Leitbild schwächelt, aber noch nachwirkt, und das neue noch nicht ausgereift ist. Heikel genug. Fatal nur, wenn das dann auch noch in ein und derselben Regierung passiert. So wie das die Deutschen gerade erleben.

Das Hin und Her zwischen tiefem Marktglauben früherer Prägung und experimenteller Industriepolitik dieser Tage macht im Grunde unmöglich, daraus etwas Gutes werden zu lassen. Dafür sind die Gedankenwelten zwischen denen, die Christian Lindner respektive Robert Habeck beeinflussen, doch zu schwer vereinbar. Wer den Staat grundsätzlich als störend deklariert, wird für Industriepolitik nur extrem ungern Verständnis aufbringen. Das Drama ist: das Gegenseitig-Blockieren wird von Populisten benutzt – als Beleg dafür, dass der Untergang naht und die Demokratie eben abgeschafft gehört.

Wie viel weiter die Amerikaner paradigmatisch sind, lässt sich erahnen, wenn man liest, was Kamala Harris als wirtschaftspolitische Agenda für ihre mögliche Präsidentschaft jetzt vorgestellt hat – A New Way Forward For The Middle Class. Da gibt es eine ziemlich klare Diagnose, wonach viel von dem Unmut der US-Amerikaner daher kommt, dass gerade die Mittelschicht in der marktliberalen Hochzeit leer ausgeblieben ist und das Land im (teils unfairen) Wettbewerb zu viel Industrie verloren hat. Kontrollverlust.

Ein Befund, der von etlichen Experten und Expertinnen international geteilt wird, ob in der Berlin Declaration oder in einem Aufruf von über 400 Ökonomen zur US-Wahl. Und aus dem Harris‘ Berater ziemlich stringent ein Programm abgeleitet haben, in dem es darum geht, diese Trends umzukehren: in Wirtschaftszweige zu investieren, die für die Zukunft als strategisch wichtig eingestuft werden – und dafür zu sorgen, dass der Wiederaufbau diesmal allen zugutekommt. Ob über massive Subventionen für Investitionen – oder Stärkung von Arbeitnehmern. Anders als zu Zeiten des vorangegangenen Paradigmas.

Man mag die Diagnose nicht teilen. Und was in der Agenda steht, ist womöglich auch noch nicht fertig. Mal abgesehen davon, dass das alles auch noch kein Garant ist, am 5. November gewählt zu werden. Es ist nur so etwas wie ein schlüssiges Leitbild – wogegen die paradigmatische Koalitions-Schizophrenie deutscher Art eher wie eine fatale historische Verantwortungslosigkeit wirkt.

Dabei gibt es auch hierzulande eine Menge Leute, die schon dazu beitragen, ein solches neues Leitbild zu entwickeln. So wie Tom Krebs, der in seinem gerade erschienenen Buch die „Fehldiagnose“ marktliberaler Ökonomie beschreibt. Oder Philippa Sigl-Glöckner, mit der wir im jüngsten New Economy Short Cut gerade über ihr Buch „Gutes Geld“ gesprochen haben – kommentiert vom Leiter des Ludwig-Erhard-Forums, Stefan Kolev. Zum Nachhören und Nachsehen hier. Um nur zwei zu nennen.

Reminder: was der Ausgang der US-Wahl paradigmatisch bedeutet, diskutieren wir auf einem Symposium am 19. November ab 15 Uhr – unter anderem mit Joe Kaeser, Simon Jäger und Isabella Weber. Anmeldung hier.

Ein schönes Wochenende,

Thomas Fricke

Dieser Text stammt aus unserer zweiwöchig erscheinenden Newsletter-Reihe. Zur Anmeldung geht es hier.

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