UNGLEICHHEIT
Wie ungleich Deutschland wirklich ist
Ist das Auseinanderdriften von Einkommen und Vermögen real – oder nur Panikmache? Darüber wird hierzulande seit Jahren gestritten. Das Forum New Economy hat führende Forscher beauftragt, die empirische Evidenz zusammenzustellen. Erster Teil der Studie.
VON
MARC ADAMVERÖFFENTLICHT
18. JUNI 2020LESEDAUER
3 MINFür die Einen ist der Befund klar: in Deutschland driften Einkommen wie Vermögen zwischen Reich und Arm gefährlich auseinander – ähnlich wie das in den USA, Großbritannien und vielen anderen Ländern eindeutig der Fall zu sein scheint. Die Anderen halten dagegen: in Deutschland würden Einkommensungleichheiten durch Transfers stark ausgeglichen; und: seit 2005 habe sich die Schere auch nicht weiter geöffnet.
Wer hat Recht? Und wie ist es möglich, dass über ein und dasselbe Phänomen für ein und dasselbe Land so spektakulär unterschiedliche Befunde kursieren? Wir haben den Streit zum Anlass genommen, ein großes Forschungsprojekt zu starten, das in drei Etappen empirisch fundiert und mit internationaler fachlicher Begutachtung bestimmen soll, was wirklich bekannt ist – und was nicht. Und wie die Lage im Land nach bestem Wissen und Gewissen tatsächlich zu beurteilen ist.
Das Projekt wird von Ungleichheitsforschern am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) koordiniert und geführt. Eingebunden sind Fachleute aus Deutschland, ebenso wie Branko Milanovic und Vertreter des World Inequality Lab (WIL) um Thomas Piketty in Paris.
In einer ersten Basis-Studie, die wir schon 2019 auf unserem Launch vorstellten und jetzt vorliegt, haben die Wissenschaftler dabei einen Überblick dazu zusammengestellt, welche empirische Evidenz zu Einkommen und Vermögen für Deutschland derzeit vorliegt.
Danach deutet zwar alles darauf hin, dass sich in den vergangenen Jahren die Einkommensungleichheit nicht weiter verstärkt hat – nur war sie zuvor eben auch stark gestiegen. Bei den Vermögen hat sich die Schere dagegen ziemlich eindeutig geöffnet – nach aller Wahrscheinlichkeit ist der Abstand zwischen Reich und Arm hier auf einem Rekordstand. Zur Studie gehörte dabei auch, noch einmal zu bestimmen, welche Indikatoren eigentlich geeignet oder weniger geeignet sind, um Ungleichheit zu messen.
Derzeit läuft die zweite Phase des Projekts, in der es darum geht, die entscheidenden Ursachen der Ungleichheit in Deutschland zu identifizieren – was wichtig ist, um herauszufinden, welche Instrumente geeignet sind, den Trend umzukehren. Genau darum wird es in der dritten Phase gehen: die Sinnhaftigkeit und Effizienz einzelner möglicher Maßnahmen gegen Ungleichheit zu testen.
Die ersten Ergebnisse aus der zweiten Phase werden derzeit intern diskutiert. Bei Interesse: bitte unter info@newforum.org melden. Mehr dazu in Kürze hier.