NEUES LEITMOTIV

Wider Verzichtsklima und Wachstumsskepsis

Aus unserer Newsletter-Reihe.

VON

THOMAS FRICKE

VERÖFFENTLICHT

12. JANUAR 2024

LESEDAUER

4 MIN

Alle kürzen, sparen, klagen und protestieren. Wenn es eine Richtung im Land gibt, dann, so scheint es, gerade eher rückwärts – oder abwärts. Das wird nicht unmaßgeblich an der kürzlichen Wendung in der Finanzpolitik liegen, die Schuldenbremse unbedingt einhalten zu wollen – wodurch jede Ambition schwindet, massiv in den Umbau in eine klimaneutrale Wirtschaft oder eine bessere Infrastruktur für künftige Generationen zu investieren. Das liegt aber auch in einem nach wie vor verbreiteten Verständnis davon, was diese Transformation bedeutet: Verzicht, Verzicht und Verzicht.

Das sagen seit jeher bekanntlich jene, die das Klima vor allem dadurch retten wollen, dass weniger verbraucht und ausgegeben werde. Zu dem Ergebnis kommen (kurios-ungewollte Allianz) aber auch die orthodoxeren hiesigen Wirtschaftsdenker, die den Umbau zur Klimaneutralität per se als etwas deuten, das kostet – und daher auch das Wachstumspotenzial verringert: weil es eben teuer ist, neue Anlagen zu bauen. Und weil damit nur alte ersetzt werden, die teils – wie die Autoindustrie – auch noch weit mehr Wertschöpfung brachten als das neue (Elektro-Autos).

Dagegen hält Tom Krebs in einer diese Woche veröffentlichten Studie für das Forum New Economy, in der er zum gegenteiligen Schluss kommt. Danach wirkt ein Großteil der Investitionen in Erneuerbare, anderes klimaneutrales Wirtschaften und allgemeine Infrastruktur so, dass es die Produktivität im Land steigert – und damit auf Dauer auch das Wirtschaftswachstum: nach Tom Krebs‘ Schätzungen allein um rund einen Prozentpunkt jährlich bis 2033. Dazu kämen unmittelbar positive Nachfrage- also Konjunktureffekte von geschätzt bis zu 1,5 Prozentpunkten. Alles in allem könnte das Wirtschaftswachstum in Deutschland durch eine Investitionsoffensive damit von kläglichen 0,6 Prozent, wie es die (orthodoxen) Forscher der führenden Konjunkturinstitute veranschlagen, auf bis zu 3 Prozent beschleunigen – ein regelrechter Boom und alles andere als trostlos. Es braucht nur das Geld, um so ein Investitionspaket zu finanzieren. Stichwort Schuldenbremse. Siehe oben.

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Ein anderer Grund zur Sorge ist derzeit, wie allerlei Unmut derzeit zu neuen Wellen an Zustimmung für Populisten zu führen droht – auch und vor allem vor den im November anstehenden Wahlen in den USA. Dazu werden wir im Frühjahr unser nächstes großes Halbjahrestreffen machen, zu der Harvard-Ökonom Dani Rodrik bereits zugesagt hat – mehr dazu in Kürze.

Dieser Text stammt aus unserer zweiwöchig erscheinenden Newsletter-Reihe. Zur Anmeldung geht es hier.

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