DER STAAT

Wahlanalyse: Scholz‘ Respekt-Formel hat Wähler angesprochen

Wahlnarrative des SPD-Kanzlerkandidats mit sehr hohen Zustimmungswerten in der Bevölkerung / Kernaussagen im CDU-Programm deutlich weniger beliebt / Auswertung einer Civey-Umfrage im Auftrag des Forum New Economy

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

29. SEPTEMBER 2021

LESEDAUER

3 MIN

Pressemitteilung vom 29. September 2021

Wahlnarrative des SPD-Kanzlerkandidats mit sehr hohen Zustimmungswerten in der Bevölkerung / Kernaussagen im CDU-Programm deutlich weniger beliebt / Auswertung einer Civey-Umfrage im Auftrag des Forum New Economy

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat mit seinen Hauptbotschaften im Wahlkampf offenbar stärker den Nerv der Bevölkerung getroffen als seine Konkurrenten. Wie eine Umfrage der Meinungsforscher von Civey im Auftrag des Forums New Economy ergab, stimmten 87 Prozent der Befragten „eher“ oder „eindeutig“ zu, dass es „mehr Zusammenhalt in unserer Gesellschaft“ braucht – und es den nur gebe, „wenn wir Respekt voreinander haben“. Knapp 85 Prozent äußerten Zustimmung zu der Aussage der Sozialdemokraten, dass es „zum Schutz unserer Lebensgrundlagen“ sowohl technologischen und wissenschaftlichen, als auch sozialen Fortschritt brauche. Damit liegen beide Botschaften von Scholz an der Spitze von insgesamt 30 abgefragten Narrativen aus den Wahlprogrammen der sechs Bundestagsparteien.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass hinter der wieder wachsenden Zustimmung zur SPD in den vergangenen Wochen auch inhaltliche Gründe liegen, nicht nur die Fehler der Konkurrenz. In der Befragung antworteten in den vergangenen Wochen rund 2500 Personen; die Ergebnisse spiegeln den Stand am Wahlsonntag. Hauptbestreben der Umfrage ist, die Relevanz neuerer Narrative anhand ausgewählter maßgeblicher Sätze aus den Programmen zur Bundestagswahl zu testen.

Auffällig ist, dass unter die populärsten zehn der ausgewerteten Zitate keins aus dem CDU-Programm kommt. Die beliebteste der ausgewählten Unions-Aussagen war der Umfrage zufolge jene, wonach „Teilhabe vor Umverteilung“ geht (71,4 Prozent); der Formulierung, dass „unsere Kinder mehr Chancen statt Schulden“ erben sollten, stimmten gut 68 Prozent eher oder vollständig zu.

Hohe Zustimmung erhielt der Umfrage zufolge mit 82,3 Prozent auch die Aussage, wonach alle sozialen und ökologischen Versprechungen „ohne ein starkes wirtschaftliches Fundament“ unfinanzierbare Träume bleiben. Knapp 78 Prozent stimmten eher oder vollständig der Aussage zu, dass es einen Staat braucht, „der stark ist, weil er schlank und modern agiert statt selbstzufrieden, altmodisch und träge“. Beide Aussagen stammen aus dem Wahlprogramm der FDP.

Unter den beliebtesten zehn Narrativen sind auch Passagen aus den Programmen von AfD (zu „Eigentumsschutz, Vertragsfreiheit und Wettbewerb“ als „elementare Bestandteile einer freiheitlichen und prosperierenden Gesellschaft“) sowie Links-Partei (unter anderem zum gesellschaftlichen Beitrag „starker Schultern“). Auf Platz zehn landete die Formel aus dem Grünen-Programm, nach der die Politik jetzt „in unsere gemeinsame Zukunft investieren“ müsse.

Die Befragung ist Teil eines mehrmonatigen Projekts, mit dem das Forum New Economy in Zusammenarbeit mit der Agentur Scholz & Friends Agenda und dem Meinungsforschungsinstitut Civey ausloten will, welche Zustimmung und Verbreitung bisherige und neuere wirtschaftspolitische und gesellschaftliche Narrative in der Bevölkerung erfahren. Dabei wurde jeweils eine Grundaussage aus dem Wahlprogramm jeder der sechs Parteien zum Gesellschaftsbild, zur Klimakrise, zur Ungleichheit, zu staatlichen Schulden und zum Staatsverständnis ausgewählt; die Befragten konnten der Aussage „eher“ oder „eindeutig“ zustimmen oder nicht zustimmen.  Eine ausführlichere Auswertung der Ergebnisse wird Ende Oktober folgen.

Über Forum New Economy

Das Forum ist eine überparteiliche Plattform, die seit Oktober 2019 neue Antworten und ein neues Paradigma zur Lösung der großen Herausforderungen unserer Zeit sucht. Es unterstützt innovative Forscher und bringt sie mit Praktikern und der Öffentlichkeit zusammen.

Über Scholz&Friends Agenda

Scholz & Friends Agenda ist eine Agentur für Agenda Setting und Public Relations mit Sitz in Berlin und Brüssel, die auf gesellschaftspolitische Kommunikation spezialisiert ist.

Über Civey

Civey ist ein 2015 gegründetes Technologieunternehmen, das heute das größte Panel für digitale Markt- und Meinungsdaten in Deutschland betreibt. An der Schnittstelle zwischen klassischer Statistik und moderner Künstlicher Intelligenz analysiert Civey repräsentative Daten fortlaufend und in Echtzeit. www.civey.com

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Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

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