DER STAAT | WORKING PAPERS
Eine Herausforderung-orientierte Wirtschaftspolitik: Ein neuer Rahmen für Deutschland
von Rainer Kattel & Mariana Mazzucato & Keno Haverkamp & Josh Ryan-Collins
VERÖFFENTLICHT
1. AUGUST 2020Abstract
Die deutsche Regierung tritt mit ihren COVID-19-Konjunkturstützungsmaßnahmen in eine neue Ära ein. Sie lässt ihre ordoliberalen Grundlagen hinter sich, die die Rolle des Staates darin sehen, dafür zu sorgen, dass die politischen Rahmenbedingungen ein reibungsloses Funktionieren der Märkte ermöglichen. Nach dieser Auffassung sollte der Staat Marktversagen beheben und den Rest der Industrie überlassen. Schon vor der Pandemie zeigten die deutschen politischen Entscheidungsträger zunehmende Bereitschaft, über die Behebung von Marktmängeln hinauszugehen und mit einem offeneren, aktiveren Staat zu experimentieren. Mit der Bewältigung von COVID-19 hat Deutschland einen weiteren Schritt in diese Richtung getan – es steht nun an der Spitze mutiger politischer Maßnahmen, um seine Wirtschaft angesichts der Pandemie umzugestalten. Dennoch wird in diesem Papier argumentiert, dass Deutschlands öffentliche Finanzierung von F&E hauptsächlich inkrementelle Fortschritte unterstützt und sein Finanzsystem größtenteils immer noch Kohlenstoffbindung und Wertschöpfung finanziert, anstatt die Wirtschaft zu transformieren, um die Herausforderungen des 21. Deutschland muss auf seinen jüngsten wirtschaftspolitischen Initiativen und erfolgreichen Institutionen wie der KfW aufbauen und eine mutige neue Industriestrategie entwickeln, die Wissenschaft, Technologie und Innovation sowie Finanz- und Beschaffungspolitik umfasst. Bei der neuen Industriestrategie geht es nicht um „mehr Staat“ oder „weniger Staat“, sondern um eine andere Art von Staat. Ein Staat, der in der Lage ist, als Investor erster Wahl zu agieren, neue Arten von Wachstum zu katalysieren und dabei Investitionen und Innovationen des Privatsektors anzuziehen, die den Erwartungen an künftige Wachstumsbereiche entsprechen. Dies erfordert eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft, bei der es mehr darum geht, die Willigen auszuwählen, als die Gewinner zu bestimmen.