ZEITRAUM

Heute hat Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck den Jahreswirtschaftsbericht für das Jahr 2022 vorgestellt. Neben den bekannten Kennziffern – der BIP-Prognose, die mit 3,6% geringer ausfällt als noch im Herbst angenommen (4,1%) oder der Inflation, die mit 3,3% höher als zuvor geschätzt (2,2%) ausfällt – ist in diesem Jahr erstmals ein Kapitel „Nachhaltiges und inklusives Wachstum – Dimensionen der Wohlfahrt messbar machen“ im Bericht enthalten. Damit wird das im Koalitionsvertrag festgelegte Vorhaben umgesetzt, eine erweiterte Wohlstandsberichterstattung zu integrieren, die auch Umwelt- und Gerechtigkeitsaspekte berücksichtigt.

Den vollständigen Bericht gibt es hier

Nachdem es jahrelang fast keine Preisbewegungen gab, ist jetzt die Angst vor der Inflation zurück – zusammen mit Debatten über den besten Weg zum Ziel der Preisstabilität. Die konventionelle Wirtschaftspolitik scheint in dieser Frage eindeutig zu sein: höhere Leitzinsen.

Wie der Harvard-Ökonom Dani Rodrik schreibt, gibt es jedoch gute Gründe, warum die Zentralbanken zögern, dieses Instrument einzusetzen: die Vorstellung einer nur vorübergehenden Inflation oder kostspielige Nebeneffekte höherer Zinssätze wie Konkurse. Deshalb standen in den letzten Wochen alternative politische Instrumente im Mittelpunkt hitziger Debatten zwischen Ökonomen.

Dabei stand der Vorschlag der Amherst-Professorin Isabella Weber, alternative Instrumente wie Preiskontrollen stärker in den Fokus der Diskussion zu rücken, im Mittelpunkt der Debatte. Dani Rodriks Rat für diejenigen, die diese Politik sofort ablehnen:
Die Ökonomik ist keine Wissenschaft mit festen Regeln. Unterschiedliche Bedingungen erfordern unterschiedliche Politikmaßnahmen. Die einzig gültige Antwort auf wirtschaftspolitische Fragen lautet: „Es kommt darauf an“.

Lesen Sie den vollständigen Artikel hier.

In einer Rezension von Diane Coyles Buch „Cogs and Monsters: What Economics Is, and What It Should Be“ wirft James K. Galbraith der Cambridge-Professorin vor, das von Keynes, Kaldor und Co. hinterlassene Erbe der Cambridge Economics vernachlässigt zu haben.

Er beschuldigt die Autorin, einen für Reformer der Ökonomik typischen Fehler zu begehen: Sie mache sich dieselben falschen Prämissen zu eigen, die sie eigentlich überwinden wollte. Zum Beispiel rationale Individuen, vollkommene Wettbewerbsmärkte und Preise als Knappheitssignale. Natürlich räumt Galbraith ein, dass der Ökonomen-Mainstream den Marktfundamentalismus der 1980er Jahre hinter sich gelassen hat und verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse, asymmetrische Informationen oder starre Preise heute Standard sind. Dennoch blieben alle diese „Abweichungen“ der Orthodoxie treu, die Preise als Schlüssel zu allem betrachtet – etwas, das Nicholas Kaldor entschieden ablehnte, der Preissignale letztlich als Ausdruck von Mengensignalen betrachtete.

Galbraith zufolge braucht eine wirklich tiefgreifende Kritik der Ökonomik noch eine neue theoretische Grundlage – oder anders gesagt ein neues Paradigma. Vielleicht kann die Erkenntnis, dass man auf den Schultern von Riesen steht, dabei helfen.

Lesen Sie die vollständige Buchbesprechung hier.

Technischer Fortschritt wird üblicherweise als etwas Gutes angesehen, als Grundlage für unseren heutigen Wohlstand. In letzter Zeit gibt es jedoch immer mehr einflussreiche Ökonomen, die Bedenken äußern. Einer von ihnen ist Daron Acemoglu (MIT). In einer Studie mit Pascual Restrepo von der Boston University kommen die Autoren zu dem Schluss, dass mehr als die Hälfte der wachsenden Lohnunterschiede zwischen den amerikanischen Arbeitnehmern in den letzten 40 Jahren auf die Automatisierung von Aufgaben zurückzuführen ist, die früher von menschlichen Arbeitskräften erledigt wurden, insbesondere von Männern ohne Hochschulabschluss. Man muss kein Maschinenstürmer sein, um nach Interventionsmöglichkeiten der Politik zu fragen – vor allem, da die versprochenen Produktivitätssteigerungen schwer auszumachen sind.

Technologischer Wandel ist nicht etwas Gottgegebenes oder Unveränderliches, wie ihn einige Wirtschaftsmodelle als exogene Variable betrachten. Vielmehr kann er durch gesellschaftliche und politische Entscheidungen gestaltet werden. Nach Ansicht von Acemoglu sollte die technologische Entwicklung in eine menschenfreundlichere Richtung gelenkt werden. Konkret schlägt er eine faire steuerliche Behandlung der menschlichen Arbeitskraft im Verhältnis zu den Kosten für Maschinen und Software sowie gut konzipierte Bildungs- und Ausbildungsprogramme für die Arbeitsplätze der Zukunft vor.

Ausführlichere Informationen finden Sie in diesem Artikel der New York Times über Technologie und Ungleichheit.

Im Gespräch mit Joe Kaeser spricht der Harvard-Ökonom Dani Rodrik auch darüber, wie man Technologie so lenken kann, dass sie für die Menschen arbeitet und nicht gegen sie.

Am Montag hat der IWF Pierre-Olivier Gourinchas als den neuen ökonomischen Berater und Chefökonomen ernannt. Er folgt auf Gita Gopinath, die stellvertretende IWF-Geschäftsführerin wird.

Der Berkeley-Professor war in einer Reihe verschiedener makroökonomischer Forschungsfelder tätig – von globalen Ungleichgewichten und Kapitalflüssen über die Stabilität des internationalen Geld- und Finanzsystems, bis hin zur Wirtschaftspolitik im Pandemiezeitalter.

Mehr Informationen über Pierre-Olivier Gourinchas.

UNSERE THEMENSCHWERPUNKTE

Neues Leitmotiv

NEUES LEITMOTIV

Nach ein paar Jahrzehnten allzu naiven Marktglaubens brauchen wir dringend neue Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – und mehr: ein ganz neues Paradigma als Leitfaden. Wir sammeln alles zu den Leuten und der Community, die sich mit dieser großen Frage beschäftigen, sowie mit der historischen wie heutigen Wirkung von Paradigmen und Narrativen – ob in neuen Beiträgen, Auftritten, Büchern und Veranstaltungen.

Staat
neu denken

STAAT
NEU DENKEN

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

Klima
in Wohlstand
retten

KLIMA
IN WOHLSTAND
RETTEN

Zu Hochzeiten des Glaubens an die Märkte galt als bestes Mittel gegen die Klimakrise, an den Märkten einen CO2-Preis aushandeln zu lassen. Heute ist zunehmend Konsens, dass das nur bedingt funktioniert - und es weit mehr braucht, als nur einen Preis.

Ungleichheit
verringern

UNGLEICHHEIT
VERRINGERN

Das Gefälle zwischen Arm und Reich scheint selbst in einem Land wie Deutschland zunehmend den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Um den Trend umzukehren, ist es wichtig, die wirklichen Ursachen des Auseinandergehens von Einkommen und Vermögen zu verstehen.

Finanzwelt
erneuern

FINANZWELT
ERNEUERN

Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise scheint eine wirkliche Stabilität des Finanzsystems nicht in Sicht zu sein. Risiken werden periodisch falsch bewertet und führen zu Boom-Bust-Zyklen. Ein stabileres Finanzsystem sollte kurzfristige Spekulationen erschweren, systemische Risiken begrenzen und das Vermögen gerechter verteilen.

Innovation Lab

INNOVATION LAB

Brauchen wir ein ganz neues Verständnis von Wirtschaftswachstum? Was wäre eine reale Alternative? Wie praktikabel sind Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt, wenn es um die Messung von Wohlstand geht? Um diese und andere grundsätzlichere Herausforderungen geht es in dieser Sektion.

Globalisierung
für alle

GLOBALISIERUNG
FÜR ALLE

Nach drei Jahrzehnten schlecht gemanagter Integration ist die Globalisierung durch soziale Unzufriedenheit und den Aufstieg populistischer Kräfte bedroht. Es gilt dringend die negativen Nebeneffekte auf viele Menschen zu beheben - und klarer zu definieren, welche Herausforderungen auf lokaler oder regionaler, und welche über Grenzen hinweg angegangen werden sollten.

Europa
jenseits
der Märkte

EUROPA
JENSEITS
DER MÄRKTE

Das Europa der vergangenen Jahrzehnte wurde stark vom Primat der Wirtschaft und dem Vertrauen in die Heilungskraft der Märkte geprägt. Die Euro-Krise hat dies erschüttert. Seither wird gestritten, wie die Währungsunion vor neuen Paniken besser geschützt werden kann – und wie sich das Auseinanderdriften von Ländern besser verhindern lässt.