ZEITRAUM

Nicht nur in Deutschland steht der Mindestlohn derzeit weit oben auf der politischen Agenda – zahlreiche europäische Länder sind auf dem Weg zu strukturell höheren Mindestlöhnen. Als Richtwert für ein angemessenes Mindestlohnniveau gilt dabei die Schwelle von 60 % des Medianlohns, die auch im Kontext der Europäischen Mindestlohninitiative diskutiert wird.

Ein neuer Bericht des des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zeigt, dass Mindestlöhne in dieser Höhe umsetzbar sind, wenn hierfür eine klare politische Richtungsentscheidung getroffen wird. Deutschland würde sich mit der geplanten Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro diesem Richtwert annähern und damit innerhalb Europas vom bisherigen Nachzügler bei Mindestlohnerhöhungen zum Vorreiter in der Mindestlohnpolitik werden.

Den ganzen Bericht gibt es hier.

Dazu passend: In einem Makronom-Artikel analysiert Gabriel Ahlfeldt von der London School of Economics die Wohlfahrtseffekte einer Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro (hinter der Paywall). Das zugehörige Diskussionspapier gibt es hier.

In einem Artikel plädiert der Harvard-Ökonom Dani Rodrik für eine Neuausrichtung globaler Innovationen in eine arbeitsfreundlichere Richtung. Da die Produktionstechnologien immer qualifikationsintensiver geworden sind und Automatisierung die Arbeitsquote in der industriellen Wertschöpfung verringert hat, sollte es sowohl für die Industrienationen, wie auch für die weniger entwickelten Volkswirtschaften eine Priorität sein, die Technologie an den Bedürfnissen der Gesellschaft auszurichten, anstatt zu erwarten, dass sich die Gesellschaft den Anforderungen der Technologie anpasst.

Der Artikel fasst eine kürzlich stattgefundene Podiumsdiskussion der International Economic Association mit Frances Stewart (Universität Oxford), Daron Acemoglu (MIT), Eric Verhoogen (Columbia University) und Fabrizio Zilibotti (Yale) zusammen.

Sehen Sie sich die gesamte Sitzung hier an.

America’s Not-So-Great Inflation – Artikel
Barry Eichengreen, Project Syndicate, 10.02.2022

In dem Artikel beschreibt Berkely-Professor Barry Eichengreen, warum die derzeitige Inflation keine Parallele zu der Stagflation in den 70ern darstellt.

„Die Inflation treibt mich um“ – Interview (Paywall)
Lisa Nienhaus & Roman Pletter, Die Zeit, 09.02.2022

Auch in Deutschland steigen die Preise. In dem Interview erklärt der neue Bundesbankpräsident, was er dagegen unternehmen will. Joachim Nagel findet: Erst soll die EZB ihre Anleihekäufe zurückfahren, dann erst Zinsen erhöhen.

Kompliziert und konjunkturell nicht passend: Ampel wird Superabschreibungen wohl verschieben – Artikel
Martin Greive & Jan Hildebrand, Handelsblatt, 09.02.2022

Die Ampelkoalition verhandelt über die Ausgestaltung der Investitionsprämie für Klimaschutz und Digitalisierung. Dabei tun sich Probleme auf. Das Projekt wird sich wohl verzögern.

„Der Stabilitätspakt muss reformiert werden“ – Artikel (Paywall)
Björn Finke & Alexander Hagelüken, Sueddeutsche Zeitung, 06.02.2022

Rettungsfonds-Chef Klaus Regling will den Euro-Staaten Schulden von rund 100 statt 60 Prozent erlauben und einen permanenten Finanztopf für Krisenstaaten schaffen. Das ist Zündstoff für die Bundesregierung.

Die Übergangenen Strukturschwach & erfahrungsstark – Zur Bedeutung regionaler Perspektiven für die Große Transformation – Studie
Paulina Fröhlich, Tom Mannewitz & Florian Ranft, DPZ und FES

Die Welt, und damit auch Deutschland, steht vor einem fundamentalen Wandel, einer Großen Transformation. Das Anliegen der Studie ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie von der Großen Transformation betroffene Menschen zu Mitgestalter:innen der Zukunft werden können. Denn der anstehende Umbruch stellt gerade die Bewohner:innen strukturschwacher Regionen vor besondere Herausforderungen. Aus der Perspektive der Befragten spielt bei den Aufgaben für das Land das Klima zwar eine sehr wichtige, wenn auch nicht dominante Rolle. Noch größere Sorgen bereiten den Menschen soziale Schieflagen wie die soziale Spaltung, der mangelnde gesellschaftliche Zusammenhalt oder Ungerechtigkeiten innerhalb der Gesellschaft.

How Novelty and Narratives Drive the Stock Market – Buchbeschreibung
Nicholas Mangee, INET & Cambridge University Press

‚Animal Spirits‘ ist ein Begriff, der die Instinkte und Emotionen beschreibt, die das menschliche Verhalten in wirtschaftlichen Zusammenhängen bestimmen. In den letzten Jahren wurde dieses Konzept im Zusammenhang mit dem aufkommenden Bereich der narrativen Ökonomie diskutiert. Wenn unvorhergesehene Ereignisse den Aktienmarkt treffen, von Unternehmensskandalen und technologischen Durchbrüchen bis hin zu Rezessionen und Pandemien, ändern sich die Beziehungen, die die Renditen bestimmen, auf unvorhersehbare Weise. Um mit der Ungewissheit umzugehen, lassen sich die Anleger auf Erzählungen ein, die die Komplexität der nicht routinemäßigen Veränderungen in Echtzeit vereinfachen. In diesem Buch wird die Neuheits-Narrativ-Hypothese für den US-Aktienmarkt durch eine umfassende Untersuchung unvorhergesehener Ereignisse anhand einer Big-Data-Textanalyse von Finanznachrichten bewertet.

Thema einer der hitzigsten Debatten der letzten Jahren in der Makroökonomie war die Kontroverse zwischen monetärer und fiskalischer Dominanz. Während orthodoxe Ökonomen Haushaltsdisziplin anmahnen, um die Höhe der Staatsverschuldung zu kontrollieren, argumentieren Verfechter der funktionalen Finanzwirtschaft, dass einer Regierung, die ihre eigene Währung emittiert, nie das Geld ausgehen kann, so dass die Höhe der Staatsverschuldung relativ unwichtig ist.

Jetzt, da die Inflation zurück ist, wird die Debatte um so relevanter, da die Zentralbanken unter Druck stehen, die Zinsen zu erhöhen. Zusätzliche Salienz verleiht ihr der massive öffentliche Investitionsbedarf, der zur Erreichung der ehrgeizigen Klimaziele erforderlich ist.

Ein neues Arbeitspapier des Centre for the Understanding of Sustainable Prosperity (CUSP) gibt einen Überblick über beide Seiten der Diskussion und zeigt einen Ausweg aus ihr auf. Die drei Autoren Andrew Jackson, Tim Jackson und Frank van Lerven argumentieren gegen eine Rückkehr zur Austerität nach dem Ende der Pandemie und plädieren für mehr Flexibilität und Koordinierung beim Einsatz der Geld- und Fiskalpolitik.

Die ganze Studie gibt es hier.

Vor dem Hintergrund der häufigen Rufe nach Schuldenerlass und Umschuldung veranstaltet die Private Debt Initiative des Institute for New Economic Thinking am Donnerstag, den 3. und Freitag, den 4. Februar 2022 in New York City eine Konferenz zum Thema „Debt Restructuring“. Gastgeber sind Richard Vague (Secretary of Banking and Securities, Commonwealth of Pennsylvania), Rob Johnson (INET President) und Moritz Shularick (INET Fellow).

Die Verschuldung der privaten Haushalte, der Unternehmen und des Staates hat ein Rekordniveau erreicht. Ist diese Verschuldung tragbar? Werden die überhängenden Schuldenlasten das Wachstum im kommenden Jahrzehnt belasten? Welche Rolle kann eine Umschuldung spielen, um eine integrativere Wirtschaft für die Zukunft aufzubauen? All diese und weitere Fragen werden bei der Konferenz diskutiert.

Anmeldung hier.

UNSERE THEMENSCHWERPUNKTE

Neues Leitmotiv

NEUES LEITMOTIV

Nach ein paar Jahrzehnten allzu naiven Marktglaubens brauchen wir dringend neue Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – und mehr: ein ganz neues Paradigma als Leitfaden. Wir sammeln alles zu den Leuten und der Community, die sich mit dieser großen Frage beschäftigen, sowie mit der historischen wie heutigen Wirkung von Paradigmen und Narrativen – ob in neuen Beiträgen, Auftritten, Büchern und Veranstaltungen.

Staat
neu denken

STAAT
NEU DENKEN

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

Klima
in Wohlstand
retten

KLIMA
IN WOHLSTAND
RETTEN

Zu Hochzeiten des Glaubens an die Märkte galt als bestes Mittel gegen die Klimakrise, an den Märkten einen CO2-Preis aushandeln zu lassen. Heute ist zunehmend Konsens, dass das nur bedingt funktioniert - und es weit mehr braucht, als nur einen Preis.

Ungleichheit
verringern

UNGLEICHHEIT
VERRINGERN

Das Gefälle zwischen Arm und Reich scheint selbst in einem Land wie Deutschland zunehmend den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Um den Trend umzukehren, ist es wichtig, die wirklichen Ursachen des Auseinandergehens von Einkommen und Vermögen zu verstehen.

Finanzwelt
erneuern

FINANZWELT
ERNEUERN

Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise scheint eine wirkliche Stabilität des Finanzsystems nicht in Sicht zu sein. Risiken werden periodisch falsch bewertet und führen zu Boom-Bust-Zyklen. Ein stabileres Finanzsystem sollte kurzfristige Spekulationen erschweren, systemische Risiken begrenzen und das Vermögen gerechter verteilen.

Innovation Lab

INNOVATION LAB

Brauchen wir ein ganz neues Verständnis von Wirtschaftswachstum? Was wäre eine reale Alternative? Wie praktikabel sind Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt, wenn es um die Messung von Wohlstand geht? Um diese und andere grundsätzlichere Herausforderungen geht es in dieser Sektion.

Globalisierung
für alle

GLOBALISIERUNG
FÜR ALLE

Nach drei Jahrzehnten schlecht gemanagter Integration ist die Globalisierung durch soziale Unzufriedenheit und den Aufstieg populistischer Kräfte bedroht. Es gilt dringend die negativen Nebeneffekte auf viele Menschen zu beheben - und klarer zu definieren, welche Herausforderungen auf lokaler oder regionaler, und welche über Grenzen hinweg angegangen werden sollten.

Europa
jenseits
der Märkte

EUROPA
JENSEITS
DER MÄRKTE

Das Europa der vergangenen Jahrzehnte wurde stark vom Primat der Wirtschaft und dem Vertrauen in die Heilungskraft der Märkte geprägt. Die Euro-Krise hat dies erschüttert. Seither wird gestritten, wie die Währungsunion vor neuen Paniken besser geschützt werden kann – und wie sich das Auseinanderdriften von Ländern besser verhindern lässt.