Quick & New –
der New-Economy-Ticker
Aktuelle Nachrichten, Debatten, Vorschläge und Entwicklungen zum neuen ökonomischen Denken auf einen Blick.
Der Columbia-Professor und Nobelpreisträger Joe Stiglitz hat die europäischen Staats- und Regierungschefs dringend aufgefordert, nicht zu den strengen Haushaltsregeln für Defizite und Ausgaben zurückzukehren, die während der Corona-Virus-Pandemie gelockert wurden. In einem kürzlich erschienenen Kommentar in der Financial Times argumentiert Stiglitz, dass eine Abkehr von den alten fiskalischen Regeln dann nachhaltig sein kann, wenn sie durch eine ehrgeizige Erhöhung der Investitionen begleitet wird. Die Pandemie habe bewiesen, dass Europa besser gegen die Krise gewappnet gewesen wäre, hätten die Mitgliedsstaaten mehr in Gesundheit und Versorgungsketten investiert, anstatt sich an strenge und willkürliche Sparquoten zu halten.
Joe Stiglitz warnt, dass eine Rückkehr zu den alten Regeln dem sozialen Zusammenhalt schaden würde. Vielmehr sollte das System durch nachhaltige Investitionen zugunsten von jungen Menschen und Geringverdienern neu ausbalanciert werden. Letztlich sei ein „flexiblerer und durchdachterer Ansatz für die makroökonomische und fiskalische Steuerung“ erforderlich.
Den ganzen Artikel gibt es hier.
In seinem neuen Buch Value(s) untersucht der ehemalige Gouverneur der Bank of England und jetzige UN-Sonderbeauftragte für Klimaschutz und Finanzen, Mark Carney, die Unzulänglichkeiten und Herausforderungen dessen, was er als unreflektierten Glauben an die Macht und Kompetenz der freien Märkte bezeichnet. Dies habe in den vergangenen Jahrzehnten zu einem zunehmenden Verfall und einer Unterbewertung öffentlicher Güter und gesellschaftlicher Grundwerte geführt – und letztlich die drei größten Krisen dieses Jahrhunderts befeuert: die globale Finanzkrise, die Klimakrise und die Covid-Krise. Alle drei, so Carney, wurden durch das Versagen der Märkte – und all jener, die unerschütterlich an ihre Vollkommenheit glaubten – verursacht oder verschlimmert. So würde die Sicherstellung des kollektiven zukünftigen Wohlergehens der Menschheit konstant vernachlässigt.
Das Kernthema des Buches – die Spannung zwischen marktbestimmten Werten und von Menschen geleiteten sozialen Werten – bildet die Grundlage für das, was Carney als Lösung für die gegenwärtigen Missverhältnisse ansieht: den „missionsorientierten Kapitalismus“. Anstatt sich einer Wirtschaft zu verschreiben, in der „der Preis von allem zum Wert von allem wird“, sollten Märkte und Unternehmen sich der Lösung gesellschaftlicher Probleme, der Verbesserung der Lebensqualität der Menschen und die Erweiterung unseres Horizonts verschreiben. Eine bessere, eine neue Art von Wirtschaft, so seine Schlussfolgerung, muss die gesellschaftliche Bedeutung von Werten und Überzeugungen anerkennen und so pflegen, dass die drei Schlüsselkomponenten einer guten Gesellschaft genährt werden: Gerechtigkeit zwischen den Generationen, bei der Verteilung von Einkommen und Lebenschancen.
Das Buch, seine Ideen und Inhalte werden auf einer kommenden OECD NAEC-Konferenz diskutiert.
Online-Konferenz: Value(s): Eine bessere Welt für alle schaffen
Wann? Mittwoch, 01. September 2021: 14:00-3:00 Uhr
Wo? OECD Conference Center Paris und per Livestream: hier
Gemeinsam mit der Wirtschaftswoche lädt die Hertie-Stiftung interessierte Denker*innen aus Medien, Universitäten, Think-Tanks, Gewerkschaften, Unternehmen und Stiftungen dazu ein, sich für den Essaypreis „Demokratie und Wirtschaft“ zu bewerben. Die Corona Pandemie entpuppt sich zunehmend als Stresstest für die komplizierte Beziehung zwischen Demokratie und Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage danach, wie viel Demokratie der Kapitalismus braucht – und wie viel Kapitalismus die Demokratie. Eingereichte Beiträge sollen das Zusammenspiel von Demokratie und Wirtschaft, von Politik und Ökonomie neu betrachten. Einsendeschluss ist der 10. August, 2021.
Der Essaypreis wird sowohl für bereits veröffentlichte wie auch unveröffentlichte Arbeiten verliehen. Veröffentlichte Arbeiten werden mit bis zu 3.000 € Preisgeld prämiert, unveröffentlichte Arbeiten mit jeweils 7.000 € (erster Platz), 3.000 € (zweiter Platz) und 2.000 € (dritter Platz).
Die Gewinnertexte werden in der WirtschaftsWoche veröffentlicht.
Alle weiteren Informationen sowie das Bewerbungsformular gibt es hier.
Wie nach unseren bisherigen Workshops üblich, wurden auch diesmal einige ausgewählte Beiträge aus unserem VIII. New Paradigm Workshop – „Zukunft des deutschen Modells II: Perspektiven für die nächste Regierung“ – zusammengefasst und erscheinen in der neuen Ausgabe des Zeitgespräch Wirtschaftsdienst < 101. Jahrgang – Juli 2021 – Heft 7 – Wirtschaftsdienst >.
Die ausgewählten Beiträge können über die untenstehenden Links heruntergeladen werden:
Die Definition einer zukunftsfähigen Finanzpolitik
Max Krahé, Insitut für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen; Denkwerkstatt „Dezernat Zukunft“
Philippa Sigl-Glöckner, Denkwerkstatt „Dezernat Zukunft“
Wie kann Wirtschaftspolitik zur Eindämmung des Populismus beitragen?
Robert Gold, Institut für Weltwirtschaft in Kiel
Krise und Reformbedarf der BaFin
Martin Hellwig, Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn
Gerhard Schick, Verein Bürgerbewegung Finanzwende
Ungleichheit der Haushaltsnettoeinkommen – Trends, Treiber, Politikmaßnahmen
Markus M. Grabka, DIW Berlin/SOEP
Klimaschutz und der moderne Staat
Tom Krebs, Universität Mannheim
Es wird (mal wieder) viel über Inflation geredet. Als Referenzpunkt dient dabei eines der liebsten Schreckensgespenster der Deutschen: die Hyperinflation. In einem Interview erklärt Carl-Ludwig Holtfrerich, wie die Inflationsangst schon von Reichskanzler Brüning politisch instrumentalisiert wurde, um einen harten Sparkurs durchzusetzen. Zudem sei das historische Gedächtnis an die zwei Krisen der Weimarer Republik getrübt, indem Hyperinflation und die Große Depression vermischt würden.
Statt der Inflation bereitet dem Wirtschaftshistoriker eher der Umgang mit den deutschen Staatsschulden Sorge. Unter dem Verweis auf einen soliden Staatshaushalt reiche das Geld nicht für dringend notwendige öffentliche Investitionen. Das sei insbesondere in einer Welt mit rückgängigen privaten Investitionen bei einem gleichzeitigen Anstieg der weltweiten Ersparnis kontraproduktiv für die Vermögensbildung. In dieser Entwicklung liegt laut Holtfrerich auch der Grund für das historisch niedrige Zinsumfeld – und nicht in der Nullzinspolitik der EZB.
Das vollständige Interview können Sie hier nachlesen.