ZEITRAUM

Ein kürzlich veröffentlichter Essay von Yakov Feygin und Nils Gilman untersucht die Möglichkeit eines neuen wirtschaftlichen Paradigmas namens „Designer Economy“, das verschiedene politische Lager in den USA hinter der Idee einer pro-aktiven Rolle der Regierung bei der Gestaltung der Wirtschaft vereint.

Anstatt sich in einer Welt säkularer Stagnation auf Fragen der (Um-)Verteilung zu konzentrieren, plädieren die Autoren für eine staatlich geförderte Wirtschafts- und Industriepolitik. Die Designer-Wirtschaft konzentriert sich auf die Entwicklung einer Zukunftsvision, die dazugehörige Lenkung wirtschaftlicher und technologischer Trends und die Bereitstellung von Anpassungsinstrumenten. Anders als die traditionelle Industriestrategie fördert sie jedoch nicht bestimmte Branchen, sondern zielt darauf ab, langfristige Trends zu beobachten, um spezifische Potenziale zu fördern. Der Wiederaufbau der Verwaltungskapazität ist der Schlüssel, um den Staat in die Lage zu versetzen, die Wirtschaft zu formen.

Die Idee der Designer-Wirtschaft hat das Potenzial, den Traum von einer bewussten Umgestaltung der Wirtschaft zu retten, die unseren gemeinsamen Zielen besser dient. Ein sich abzeichnender politischer Konsens besagt, dass der amerikanische Kapitalismus kein lustloses System sein muss, in dem die Einkommen stagnieren und wachsender Wohlstand nur für die ohnehin schon Wohlhabenden verfügbar ist. Bei der Politik der Gestaltung geht es nicht darum, einen idealen Weg vorzugeben, sondern darum, welche Merkmale wir in dieser Zukunft haben wollen. Mit den richtigen Strukturen können wir die Regierung von einer bloßen Regulierungsbehörde und einem Emittenten von Transferzahlungen zu einem direkten Investor in eine lebendige, grüne, familienfreundliche und gleichberechtigte Zukunft machen.

Den ganzen Essay gibt es hier.

Die Wissenslücke – Artikel
Dani Rodrik, Project Syndicate, 10.02.2023

Während Wirtschaftswissenschaftler und politische Entscheidungsträger die wirtschaftliche Bedeutung von Wissen seit langem zu schätzen wissen, haben sie den Bedingungen, die Wissen nützlich machen, nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Technologien, Traditionen und Ideen, die in einem bestimmten Umfeld gut funktionieren, sind es möglicherweise nicht, wenn sie anderswo übernommen werden oder beibehalten werden, wenn sich die Bedingungen ändern.

Habecks Berater fordern Strategiewechsel bei Industrie-Umbau – Artikel
Julian Olk, Handelsblatt, 09.02.2023

Vor allem mit Subventionen will Wirtschaftsminister Habeck die Industrie umbauen. Das reicht nicht, meint ein neues Gutachten seines Beirats. Es brauche einen grünen Zertifikatehandel.

Der flexible Pragmatismus – (k)ein neues Paradigma? – Blogbeitrag
Rouven Reinke & Laura Porak, 08.02.2023

In den letzten Jahren ist die Wirtschaft mit diversen neuartigen Krisen konfrontiert gewesen – und mit ihr die Ökonomenszene. Eine neue Studie hat nun untersucht, wie sich die wirtschaftswissenschaftlichen Debatten in der jüngeren Vergangenheit verschoben haben.

Charting Globalization’s Turn to Slowbalization After Global Financial Crisis – Blogbeitrag
Shekhar Aiyar & Anna Ilyina, IMF Blog, 08.02.2023

Die Handelsoffenheit hat nach dem Zweiten Weltkrieg zugenommen, hat sich aber nach der globalen Finanzkrise verlangsamt.

Carbon Leakage in Zeiten der Energiekrise – Artikel
Tim Bosch & Guntram Wolff, 06.02.2023

Im Zuge des Energiepreisschocks könnte zunehmend energieintensiver Produktion ins Ausland verlagert werden. Damit europäische Klimapolitik effektiv ist, müssen daher die innen- und außenpolitischen Dimensionen der industriellen Transformation gemeinsam angegangen werden. Ein Beitrag von Tim Bosch und Guntram Wolff.

Die Argumente für eine Bodenwertsteuer sind überwältigend – Kolumne
Martin Wolf, Financial Times, 05.02.2023

Natürliche Ressourcen sind etwas ganz anderes als der durch menschliche Arbeit geschaffene Kapitalstock.

Die Lohnlücke ist ein Armutszeugnis für Deutschland – Kolumne
Marcel Fratzscher, Die Zeit, 03.02.2023

Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als Männer. Geht es so weiter, werden sich die Stundenlöhne erst in 50 Jahre angleichen. Die Politik muss endlich handeln.

Von der Leyen will US-Subventionen kontern – Artikel
Der Spiegel, 01.02.2023

US-Präsident Biden bekämpft die Inflation mit milliardenschweren Hilfen. Die Präsidentin der EU-Kommission hat als Antwort nun ein Maßnahmenpaket vorgestellt, das Vorfahrt für grüne Technologien vorsieht.

Wir sollten nicht mehr über Wachstum reden – Kolumne
Mark Schieritz, Die Zeit, 01.02.2023

Kann die Wirtschaft angesichts der Klimakatastrophe noch wachsen? Das ist die falsche Frage – der Kapitalismus ist immerhin anpassungsfähig.

Bloß keine Konfrontation – Gastbeitrag
Armin Steinbach, Die Zeit, 01.02.2023

Die US-Wirtschaftspolitik ist protektionistisch. Doch die EU sollte sich davon nicht provozieren lassen. Sie ist mehr denn je auf ihre Verbündeten angewiesen.

Der Markt regelt nichts. Er setzt nur seine Logik erbarmungslos durch – Artikel (Paywall)
Christian Baron, Sueddeutsche Zeitung, 01.02.2023

Das „Billy“-Regal von Ikea ist kein Schnäppchen mehr: Was das über Inflation, Krise und Klassenungerechtigkeit erzählt.

Für das Gemeinwohl – Blogbeitrag
Mariana Mazzucato, Project Syndicate, 27.01.2023

Die Bewältigung unserer größten Herausforderungen und die Umkehrung der unangemessenen Konzentration von Reichtum und Macht erfordern einen grundlegenden Wandel der politischen Ökonomie. Gegenwärtig wird der Grundsatz des Gemeinwohls lediglich als Korrektiv für die Exzesse des gegenwärtigen Systems betrachtet, er sollte jedoch das Hauptziel des Systems sein.

Gestern hat die Europäische Kommission ihre Antwort auf den US Inflation Reduction Act vorgestellt: den Green Deal Industrial Plan zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Netto-Null-Industrie und zur Unterstützung des schnellen Übergangs zur Klimaneutralität. Der Plan zielt darauf ab, ein günstigeres Umfeld für den Ausbau der EU-Fertigungskapazitäten für die Netto-Null-Technologien und -Produkte zu schaffen, die erforderlich sind, um die ehrgeizigen europäischen Klimaziele zu erreichen.

Problematisch ist die langfristige Finanzierung, da ein „Souveränitätsfonds“ von Deutschland bisher kategorisch abgelehnt wurde. Zur kurzfristigen Überbrückung sollten nicht genutzte Kredite aus dem Corona-Hilfsfonds angezapft und anders verwendet werden.

Während bisher der Einsatz sauberer Technologien im Vordergrund stand, steht nun die Angebotsseite im Mittelpunkt des Vorschlags: eine breite Unterstützung der Massenproduktion. Ein informativer Thread von Claudio Baccianti zu den Plänen der Europäischen Kommission:

Wie viel Industriepolitik braucht es? In einem aktuellen Handelsblatt-Interview (Paywall) streiten Jens Südekum und Lars Feld über den richtigen Weg.

„Diese Gewinne gehören der Gesellschaft“ – Artikel
Meike Schreiber & Markus Zydra, Süddeutsche Zeitung, 27.01.23

Die Zentralbank zahlt Banken Zinsen, wenn diese ihr Geld dort lagern. Warum eigentlich? Die Milliarden würden den Menschen zustehen, sagt ein Ökonom.

Wie man Inflation nicht bekämpfen sollte – Artikel
Joseph Stiglitz, Project Syndicate, 26.01.23

Ein sorgfältiger Blick auf die wirtschaftlichen Bedingungen in den USA spricht dafür, dass die Inflation hauptsächlich durch Störungen auf der Angebotsseite und Verschiebungen in der Nachfrageentwicklung ausgelöst wurde. Vor diesem Hintergrund werden weitere Zinserhöhungen wenig bis gar keine Wirkung zeigen – und weitreichende eigene Probleme verursachen.

Neue Fans für neue EU-Schulden – Artikel
Björn Finke, Süddeutsche Zeitung, 23.01.23

Die Europäische Union will auf das massive, grüne Subventionsprogramm der USA reagieren und mehr Fördergeld verteilen. Wo das herkommen soll, ist jedoch umstritten. Ratspräsident Michel hat aber schon eine Idee.

Martin Wolf: zur Verteidigung des demokratischen Kapitalismus – Essay
Martin Wolf, Financial Times, 20.01.23

Die Verbindung von liberaler Wirtschaft und Demokratie hat der Welt unermesslichen Nutzen gebracht, steht aber vor ihrer härtesten Prüfung seit Jahrzehnten. Was muss getan werden?

Joseph Stiglitz: Besteuerung von Spitzenverdienern mit 70 %, um die wachsende Ungleichheit zu bekämpfen – Artikel
Rupert Neate, The Guardian, 22.01.23

Joseph Stiglitz, der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete keynesianische Wirtschaftswissenschaftler, hat gefordert, dass die Superreichen mit bis zu 70 % besteuert werden sollten, um die zunehmende Ungleichheit zu bekämpfen.

Eine neue internationale Wirtschaftsordnung (NIEO) gegen die Finanzialisierung – Blogbeitrag
Ann Pettifor, Progressive International, 19.01.23

Ann Pettifor vertritt die Auffassung, dass die globalen Ungleichheiten, die durch die Finanz- und Handelssysteme des Kapitalismus hervorgerufen werden, ihre Wurzeln in der Innenpolitik haben, die das Kapital gegenüber der Arbeit bevorzugt.

UNSERE THEMENSCHWERPUNKTE

Neues Leitmotiv

NEUES LEITMOTIV

Nach ein paar Jahrzehnten allzu naiven Marktglaubens brauchen wir dringend neue Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – und mehr: ein ganz neues Paradigma als Leitfaden. Wir sammeln alles zu den Leuten und der Community, die sich mit dieser großen Frage beschäftigen, sowie mit der historischen wie heutigen Wirkung von Paradigmen und Narrativen – ob in neuen Beiträgen, Auftritten, Büchern und Veranstaltungen.

Staat
neu denken

STAAT
NEU DENKEN

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

Klima
in Wohlstand
retten

KLIMA
IN WOHLSTAND
RETTEN

Zu Hochzeiten des Glaubens an die Märkte galt als bestes Mittel gegen die Klimakrise, an den Märkten einen CO2-Preis aushandeln zu lassen. Heute ist zunehmend Konsens, dass das nur bedingt funktioniert - und es weit mehr braucht, als nur einen Preis.

Ungleichheit
verringern

UNGLEICHHEIT
VERRINGERN

Das Gefälle zwischen Arm und Reich scheint selbst in einem Land wie Deutschland zunehmend den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Um den Trend umzukehren, ist es wichtig, die wirklichen Ursachen des Auseinandergehens von Einkommen und Vermögen zu verstehen.

Finanzwelt
erneuern

FINANZWELT
ERNEUERN

Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise scheint eine wirkliche Stabilität des Finanzsystems nicht in Sicht zu sein. Risiken werden periodisch falsch bewertet und führen zu Boom-Bust-Zyklen. Ein stabileres Finanzsystem sollte kurzfristige Spekulationen erschweren, systemische Risiken begrenzen und das Vermögen gerechter verteilen.

Innovation Lab

INNOVATION LAB

Brauchen wir ein ganz neues Verständnis von Wirtschaftswachstum? Was wäre eine reale Alternative? Wie praktikabel sind Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt, wenn es um die Messung von Wohlstand geht? Um diese und andere grundsätzlichere Herausforderungen geht es in dieser Sektion.

Globalisierung
für alle

GLOBALISIERUNG
FÜR ALLE

Nach drei Jahrzehnten schlecht gemanagter Integration ist die Globalisierung durch soziale Unzufriedenheit und den Aufstieg populistischer Kräfte bedroht. Es gilt dringend die negativen Nebeneffekte auf viele Menschen zu beheben - und klarer zu definieren, welche Herausforderungen auf lokaler oder regionaler, und welche über Grenzen hinweg angegangen werden sollten.

Europa
jenseits
der Märkte

EUROPA
JENSEITS
DER MÄRKTE

Das Europa der vergangenen Jahrzehnte wurde stark vom Primat der Wirtschaft und dem Vertrauen in die Heilungskraft der Märkte geprägt. Die Euro-Krise hat dies erschüttert. Seither wird gestritten, wie die Währungsunion vor neuen Paniken besser geschützt werden kann – und wie sich das Auseinanderdriften von Ländern besser verhindern lässt.