ZEITRAUM

Um das Dollarsystem und das internationale Finanzsystem wirklich zu verstehen, ist die Frage, wie die Welt so abhängig vom US-Dollar wurde, entscheidend. Ein neues Buch der INET-Buchreihe und der Cambridge University Press geht genau dieser Frage nach.

Money and Empire: Charles P. Kindleberger and the Dollar System, von Perry Mehrling, Wirtschaftsprofessor an der Boston University, skizziert die Entwicklung von Kindlebergers wirtschaftlichem Denken im Kontext eines „Key-Currency“-Ansatzes zum Aufstieg des Dollarsystems, das seit dem Zweiten Weltkrieg als unverzichtbarer Rahmen für die globale wirtschaftliche Entwicklung diente.

Das Buch ist eine Biografie sowohl des Dollars als auch eines Mannes und erzählt die Geschichte der Entwicklung von Ideen über die Funktionsweise des Geldes und die Entstehung des Dollarsystems, die im Gegensatz zu dem weit verbreiteten Mythos des Multilateralismus von Bretton Woods steht.

Wie Adam Tooze in seiner Rezension des Buches feststellt, verstand Kindleberger Geld und Bankwesen als inhärent transnational, mit räumlich verstreuten Eigentumsverhältnissen und Kontrollmöglichkeiten. Dieses Verständnis der globalen Kreditschöpfung steht in gewisser Weise im Widerspruch zu der Auffassung von Banken als Intermediäre, die den Arbeiten der diesjährigen Nobelpreisträger zugrunde liegt.

Als Ben Bernanke Kindleberger um eine Stellungnahme zu seinem Aufsatz Non-Monetary Effects of the Financial Crisis in the Propagation of the Great Depression (1983) bat, erhielt er die folgende Antwort, die den Grad der intellektuellen Meinungsverschiedenheit unterstreicht: „Ich denke, Sie haben eine höchst geniale Lösung für ein Nicht-Problem geliefert“. Lesen Sie Kindlebergers gesamte Antwort hier.

Eine Reform des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt steht schon länger im Raum. Jetzt hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag vorgelegt. Die Regeln sollen den Mitgliedsstaaten mehr Flexibilität beim Abbau von Schulden gewähren, aber gleichzeitig verbindlicher werden.

Eine Übersicht über verschiedene Reformvorschläge von Jan Priewe gibt es hier. Außerdem gibt es hier eine Studie des ZOE-Instituts zu den Auswirkungen verschiedener Fiskalregeln auf eine gerechte grüne Transformation.

Biden droht Ölkonzernen mit Übergewinnsteuer – Artikel
Der Spiegel, 01.11.2022

Kurz vor den Zwischenwahlen in den USA geht Präsident Biden die Ölindustrie scharf an. »Entweder sie senkt die Preise an der Zapfsäule, oder sie zahlt eine höhere Steuer.«

Wer zerstörte die amerikanische Demokratie? – Artikel
Angus Deaton, Project Syndicate, 27.10.2022

Die Demokratie basiert auf Gleichheit, und alle Bürger sollten die gleiche Chance haben, politische Entscheidungen zu beeinflussen. Doch in den Vereinigten Staaten hat das politische System und das Wahlsystem zu lange die Interessen der Eliten und der Wohlhabenden auf Kosten derjenigen befriedigt, die keinen Hochschulabschluss haben.

Wie das Vereinigte Königreich zu einem der ärmsten Länder Westeuropas wurde – Artikel
Derek Thompson, The Atlantic, 25.10.2022

Großbritannien wählte das Finanzwesen anstatt der Industrie, Sparmaßnahmen statt Investitionen und eine geschlossene Wirtschaft statt die Öffnung gegenüber der Welt.

EU-Staats- und Regierungschefs begrüßen Durchbruch beim Plan zur Begrenzung der Gaspreise zur Bewältigung der Energiekrise – Artikel
Financial Times, 21.10.2022

Die Preise sinken um 7 %, nachdem sich die Mitgliedstaaten darauf geeinigt haben, die Details der Vorschläge zur Senkung der Kosten für Haushalte und Unternehmen fertigzustellen.

Michael Sandel – Das Leistungsdenken zersetzt unsere Gesellschaft – Video
SRF, 02.10.2022

«You can make it if you try!» Diese Formel ist breit akzeptiert, ebenso der Glaube, wer zu Erfolg und Wohlstand kommt, verdient dies auch. Michael Sandel, einer der erfolgreichsten Philosophen, sagt, dass dies nicht stimme und für die Gemeinschaft sogar gefährlich sei.

In einem neuen Meinungsbeitrag für die Financial Times plädiert Martin Sandbu dafür, die Diskussion über das Mandat der Zentralbank in dem Spannungsfeld von Unabhängigkeit und demokratischer Rechenschaftspflicht zu öffnen:

„Die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken selbst ist nur so gut wie die Glaubwürdigkeit des makroökonomischen Systems als Ganzes. Das bedeutet nicht, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank aufgegeben werden sollte, sondern dass offen gefragt werden muss, ob sie tatsächlich für die Wirtschaft funktioniert… Selbst wenn geldpolitische Erwägungen Vorrang haben sollten, ist eine solche geldpolitische Dominanz zweifellos etwas, das demokratisch debattiert und nicht technokratisch durchgesetzt werden sollte.“

Bundesregierung will Zufallsgewinne auch im Stromsektor abschöpfen – Artikel
Zeit Online, 19.10.2022

Nicht nur für Gas, auch für Strom soll künftig eine Preisbremse eingeführt werden. Das Wirtschaftsministerium will dafür Gewinne aus der Strombranche abschöpfen.

Die Gaspreisbremse ist besser als ihr Ruf – Artikel
Tom Krebs, Zeit Online, 18.10.2022

Der Vorschlag der Gaspreiskommission setzt die richtige Balance zwischen Sparanreizen und Preisbremse. Aber die Regierung muss unbedingt in einem Punkt nachbessern.

Kriege werden nicht mit Friedenswirtschaften gewonnen – Artikel
Joseph Stiglitz, Project Syndicate, 17.10.2022

Seit dem Beginn seines Angriffskrieges in der Ukraine hat der russische Präsident Wladimir Putin sein barbarisches Projekt als Konfrontation mit dem gesamten Westen bezeichnet. Doch während die westlichen Regierungen politisch und diplomatisch reagiert haben, müssen sie noch das tun, was wirtschaftlich notwendig ist.

Eine neue Chance für die Weltbank – Artikel
Larry Summers, Project Syndicate, 10.10.2022

Die Weltbank sollte ein wichtiges Instrument für die Krisenbewältigung, den Wiederaufbau nach Konflikten und vor allem für die Unterstützung der enormen Investitionen sein, die für eine nachhaltige und gesunde globale Entwicklung notwendig sind. Damit dieses Potenzial ausgeschöpft werden kann, müssen die Teilnehmer an der Tagung der Weltbank in dieser Woche die Initiative ergreifen und das Richtige tun.

Warum Marktmacht den Klimaschutz unterminiert – Blogbeitrag
Max Bank & Nelly Grotefendt, Makronom, 17.10.2022

Immer wieder sind in den letzten Jahren die Folgen einseitiger Lobby- und Marktmacht deutlich geworden – und wie schwierig es ist, sie zu begrenzen.

UNSERE THEMENSCHWERPUNKTE

Neues Leitmotiv

NEUES LEITMOTIV

Nach ein paar Jahrzehnten allzu naiven Marktglaubens brauchen wir dringend neue Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – und mehr: ein ganz neues Paradigma als Leitfaden. Wir sammeln alles zu den Leuten und der Community, die sich mit dieser großen Frage beschäftigen, sowie mit der historischen wie heutigen Wirkung von Paradigmen und Narrativen – ob in neuen Beiträgen, Auftritten, Büchern und Veranstaltungen.

Staat
neu denken

STAAT
NEU DENKEN

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

Klima
in Wohlstand
retten

KLIMA
IN WOHLSTAND
RETTEN

Zu Hochzeiten des Glaubens an die Märkte galt als bestes Mittel gegen die Klimakrise, an den Märkten einen CO2-Preis aushandeln zu lassen. Heute ist zunehmend Konsens, dass das nur bedingt funktioniert - und es weit mehr braucht, als nur einen Preis.

Ungleichheit
verringern

UNGLEICHHEIT
VERRINGERN

Das Gefälle zwischen Arm und Reich scheint selbst in einem Land wie Deutschland zunehmend den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Um den Trend umzukehren, ist es wichtig, die wirklichen Ursachen des Auseinandergehens von Einkommen und Vermögen zu verstehen.

Finanzwelt
erneuern

FINANZWELT
ERNEUERN

Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise scheint eine wirkliche Stabilität des Finanzsystems nicht in Sicht zu sein. Risiken werden periodisch falsch bewertet und führen zu Boom-Bust-Zyklen. Ein stabileres Finanzsystem sollte kurzfristige Spekulationen erschweren, systemische Risiken begrenzen und das Vermögen gerechter verteilen.

Innovation Lab

INNOVATION LAB

Brauchen wir ein ganz neues Verständnis von Wirtschaftswachstum? Was wäre eine reale Alternative? Wie praktikabel sind Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt, wenn es um die Messung von Wohlstand geht? Um diese und andere grundsätzlichere Herausforderungen geht es in dieser Sektion.

Globalisierung
für alle

GLOBALISIERUNG
FÜR ALLE

Nach drei Jahrzehnten schlecht gemanagter Integration ist die Globalisierung durch soziale Unzufriedenheit und den Aufstieg populistischer Kräfte bedroht. Es gilt dringend die negativen Nebeneffekte auf viele Menschen zu beheben - und klarer zu definieren, welche Herausforderungen auf lokaler oder regionaler, und welche über Grenzen hinweg angegangen werden sollten.

Europa
jenseits
der Märkte

EUROPA
JENSEITS
DER MÄRKTE

Das Europa der vergangenen Jahrzehnte wurde stark vom Primat der Wirtschaft und dem Vertrauen in die Heilungskraft der Märkte geprägt. Die Euro-Krise hat dies erschüttert. Seither wird gestritten, wie die Währungsunion vor neuen Paniken besser geschützt werden kann – und wie sich das Auseinanderdriften von Ländern besser verhindern lässt.

Corona-Krise

CORONA-KRISE

Die aktuelle Corona Krise ist mitunter die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. ÖkonomInnen arbeiten intensiv an einer Milderung der wirtschaftlichen Folgen durch COVID-19. Es gilt eine zweite große Depression, den Zusammenbruch der Eurozone und das Ende der Globalisierung zu verhindern. Wir sammeln die wichtigsten Beiträge.