ZEITRAUM

In den 1980er Jahren initiierte Ronald Reagan eine Wirtschaftspolitik, die auf der ganzen Welt Nachahmung fand und als „Reaganomics“ bekannt wurde. Nun führt Joe Biden mit „Bidenomics“ einen neuen Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik ein. So argumentiert Max Krahé in einem jüngst erschienenen Beitrag für den Blog Politik&Ökonomie. Und er ist damit nicht allein: die Financial Times spricht von einer »revolution in economic policy«. Und auch zahlreiche deutsche Medien berichten staunend über die wirtschaftspolitische Wende aus Washington.

Doch was hat diesen Wandel angestoßen und was genau verbirgt sich hinter „Bidenomics“? Und wie sehen die vorläufigen Ergebnisse der zahlreichen Maßnahmen aus? Dem geht Krahé in seinem Beitrag nach.

Die Quintessenz: das Scheitern des vorherigen, marktliberalen Paradigmas lies keine andere Wahl als eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung (und das sagt nicht Krahé, sondern Jake Sullivan, Joe Bidens nationaler Sicherheitsberater). Es erodierte die amerikanische industrielle Basis, destabilisierte die Demokratie und blieb Antworten auf die Klimakrise schuldig. Auch die neue geopolitische Situation spielt eine Rolle.

Den Kern von Bidenomics bilden drei Gesetze: IRA, CHIPS, und das Infrastrukturgesetz. Aber was haben sie gebracht? Krahé attestiert den Programmen „viel Licht und ein bisschen Schatten“ – so sei das Investitionslevel trotz hoher Zinsen stark gestiegen, der vor-Corona-Wachstumspfad sei wieder erreicht, und höhere Emissionsreduktionen realistisch. Gleichzeitig bestehe die Gefahr dass einzelne Branchen übersubventioniert würden – ein finanzielles Fass ohne Boden.

Den ganzen Kommentar gibt es hier zu lesen.

Fokus auf Produktivität, nicht auf Technologie – Artikel
Dani Rodrik, Project Syndicate, 07.07.2023

Wissenschaftliche und technologische Innovationen sind zwar notwendig für ein Produktivitätswachstum, das die Gesellschaften bereichert, aber sie sind nicht ausreichend. Ohne die richtigen flankierenden politischen Maßnahmen kann der technologische Fortschritt nicht zu einer dauerhaften Verbesserung des Lebensstandards führen und in einigen Fällen ein Land sogar zurückwerfen.

Wer ist hier reich? – Artikel
Franz Kotteder, Süddeutsche Zeitung, 10.07.23

Deutschland verliert seine Mittelschicht. Das ist kein Grund zur Häme. Die Debatte ums Elterngeld zeigt: Wir brauchen eine neue Solidarität.

Der Haushalt schwächt Deutschlands Wohlstand – Artikel
Marcel Fratzscher, die Zeit, 07.07.23

Bundesfinanzminister Christian Lindner will die Schuldenbremse einhalten, mehr Investitionen, aber keine Steuererhöhungen. So erreicht er nichts davon.

Was, wenn die Zentralbanken nichts gegen die Inflation unternehmen können? – Artikel
Martin Sandbu, Financial Times, 06.07.23

Außer die Dinge noch schlimmer zu machen, nachdem sie von selbst verschwunden ist.

„Manchmal muss man etwas wagen“ – Artikel (Paywall)
Mark Schieritz & Petra Pinzler, die Zeit, 06.07.23

Die Vereinigten Staaten verändern die Spielregeln der Weltwirtschaft, sagt der Historiker Adam Tooze. Sicherheit werde wichtiger als Wohlstand. Deutschland müsse sich anpassen und mehr Geld ausgeben.

Debattenmonitor Fachkräftemangel – Artikel
Susanne Erbe, Makronom, 03.07.2023

In einer Makronom-Serie haben Forscherinnen und Forscher die diversen Aspekte des Fachkräftemangels aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Ein neuer Debattenmonitor bündelt diese und weitere Erkenntnisse zu einem der größten Probleme der deutschen Wirtschaftspolitik.

Jetzt ist die Zeit der harten Entscheidungen – auch in Bezug auf das Inflationsziel von 2 %.- Artikel (Paywall)
Adam Tooze, Financial Times, 29.06.23

Dieses Ziel sollte einer öffentlichen Prüfung unterzogen und an den aktuellen Erfordernissen gemessen werden.

„Die CDU muss sozialer auftreten“ – Artikel
Robert Roßmann, Süddeutsche Zeitung, 11.07.23

Der Arbeitnehmerflügel kritisiert, die Parteispitze vernachlässige soziale Themen – das schade auch in der Auseinandersetzung mit der AfD. Doch jetzt macht Friedrich Merz ausgerechnet Carsten Linnemann zum Generalsekretär.

Ampel gibt dem Kartellamt einschneidende Befugnisse – Artikel (Bezahlschranke)

Julian Olk, Handelsblatt, 03.07.2023

Deutschland bekommt die größte Wettbewerbsreform seit Jahrzehnten. Das Kartellamt kann sich marktbeherrschende Firmen viel früher vorknöpfen.

»Hier fühlen sich viele gleich dreifach abgewertet: als Arbeiter, als Ossi, als Mann« – Artikel (Bezahlschranke)

Florian Diekmann, der Spiegel, 04.07.2023

Die AfD ist besonders erfolgreich bei Arbeitern und Gewerkschaftern. Hier spricht der Jenaer Soziologe Klaus Dörre darüber, was die rechte Partei für diese Menschen attraktiv macht – und welche Strategie helfen könnte.

Die Energiekrise hat die deutsche Wirtschaft schwer getroffen – Artikel (Bezahlschranke)

Tom Krebs, Handelsblatt, 01.07.2023

Vier Prozent weniger Bruttoinlandsprodukt und rekordhohe Kaufkraftverluste widersprechen für Tom Krebs der Einschätzung, wir hätten die Krise gut überstanden.

Erfolgreiche Rebellen – Artikel

Patrick Bernau & Alexander Wulfers, FAZ, 28.06.2023

Wenn andere Wissenschaftler von der Mehrheitsmeinung abweichen, werden sie oft geächtet. Ökonomen bekommen dann erst recht Einfluss.

Adam Smith zum 300. Geburtstag – Artikel (Englisch)

Diane Coyle, Project Syndicate, 23.06.2023

Der dreihundertste Jahrestag von Adam Smiths Geburt ist eine Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie seine Erkenntnisse über die Dynamik des Wirtschaftswachstums unser heutiges Weltbild prägen. Was aber, wenn die Arbeitsteilung, auf der Smiths Wachstumstheorie beruhte, an ihre Grenzen stößt?

Wie die Reichen unantastbar wurden – Artikel (Bezahlschranke)

Lenz Jacobsen, die Zeit, 02.07.2023

Die Vermögensungleichheit wird zunehmend obszöner, aber politisch scheint das kaum noch jemanden zu interessieren. Warum eigentlich?

„1,5 Millionen Zuwanderer im Jahr erforderlich“ – Artikel

Tagesschau, 03.07.2023

Gegen den Fachkräftemangel schlägt die Wirtschaftsweise Schnitzer mehr Zuwanderung vor. Das neue Fachkräftegesetz gehe schon in die richtige Richtung, aber die Bundesrepublik komme insgesamt nicht so voran, „wie wir könnten und müssten“.

Haushaltsnot gefährdet Lindners Investitionsanreize für Unternehmen – Artikel (Bezahlschranke)

Martin Greive & Jan Hildebrand, Handelsblatt, 29.06.2023

Finanzminister Lindner will mit Superabschreibungen die Investitionen der Unternehmen ankurbeln. Aufgrund der schlechten Haushaltslage dürfte das Vorhaben nun kleiner ausfallen.

Wie lässt sich dem Fachkräftemangel eindämmen? In einem kürzlich erschienenen Interview mit dem Makronom spricht IZA-Direktor Simon Jäger über as Ausmaß des Mangels und mögliche Gegenmaßnahmen. Warum der Markt, der bei knappem Angebot die Löhne deutlich ansteigen lassen sollte, nicht immer alles regelt?

Ich denke, dass die Erkenntnisse aus der modernen Arbeitsmarktforschung zur Marktmacht von Unternehmen am Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle beim Verständnis spielen. Der Arbeitsmarkt ist kein perfekt kompetitiver Markt und die Friktionen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Klage über Arbeitskräftemangel ist auch Ausweis dessen, dass in manchen Bereichen Löhne unterhalb der Arbeitsproduktivität gezahlt werden.

Um dem Problem zu begegnen, sind beispielsweise bessere Einwanderungsangebote ein wichtiger Pfeiler. Das IZA schlägt eine Kopplung von Einwanderung an Tarifbindung vor und verspricht sich davon eine doppelte Dividende: Steigerung der Erwerbsmigration zusammen mit zusätzlichem Anreiz für produktive, wachsende Unternehmen, eine Tarifbindung einzugehen.

Das ganze Interview gibt es hier zu lesen.

Die globale Mindeststeuer für Unternehmen braucht mehr Arbeit- Artikel

Jo Stiglitz & Tommaso Faccio, Project Syndicate, 19.06.2023

Zwei Jahre nach der „historischen“ Einigung über ein neues globales Körperschaftssteuersystem erodiert der Konsens, und die Entwicklungsländer nehmen die Sache selbst in die Hand. Ihre Bemühungen sind durchaus verständlich, da die wichtigsten Bestimmungen des Abkommens möglicherweise mehr Schaden als Nutzen gebracht haben.

»Wir haben in Deutschland viel zu verlieren« – Artikel

Michael Brächer, 22.06.2023, Der Spiegel

Viele Deutsche fürchten den sozialen Abstieg, die AfD ist stark wie selten. Der Ökonom Andreas Peichl sagt, ob der Pessimismus gerechtfertigt ist. Oder können wir einfach schlecht mit Veränderungen umgehen?

Finding the money to fix the world requires a rethink on tax, says Jayati Ghosh – Artikel

Jayati Ghosh, The Economist, 13.06.2023

Der Ko-Vorsitzende einer unabhängigen Steuerkommission erklärt, warum man sich darauf konzentrieren sollte, mehr von Großunternehmen und Milliardären zu fordern.

Ein Paradigmenwechsel ist im Gange – auch wenn die Details noch nicht ganz ausgereift sind.

Eine Vermögenssteuer könnte ärmeren Ländern bei der Bewältigung der Klimakrise helfen, sagen Ökonomen – Artikel

Fiona Harvey, The Guardian, 19.06.2023

Die Besteuerung der reichsten Menschen der Welt könnte ärmeren Ländern helfen, ihre Wirtschaft auf CO2-arme Technologien umzustellen und sich von Klimaschäden zu regenieren. 

Le Maire fordert Raum für Investitionen – Artikel

Carsten Volkery, Handelsblatt, 16.06.2023

Vor dem Treffen der EU-Finanzminister geht Bruno Le Maire auf Distanz zu Christian Lindner. Einig sind sich die Staaten hingegen, das EU-Budget nicht zu erhöhen.

Die Fiskalpolitik wird sich bis zur Unkenntlichkeit verändern–Artikel

Martin Sandbu, Financial Times, 15.06.2023

Wir müssen uns – institutionell und politisch – auf die dauerhaft höheren staatlichen Investitionen vorbereiten, die die neuen Zeiten erfordern.

UNSERE THEMENSCHWERPUNKTE

Neues Leitmotiv

NEUES LEITMOTIV

Nach ein paar Jahrzehnten allzu naiven Marktglaubens brauchen wir dringend neue Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – und mehr: ein ganz neues Paradigma als Leitfaden. Wir sammeln alles zu den Leuten und der Community, die sich mit dieser großen Frage beschäftigen, sowie mit der historischen wie heutigen Wirkung von Paradigmen und Narrativen – ob in neuen Beiträgen, Auftritten, Büchern und Veranstaltungen.

Staat
neu denken

STAAT
NEU DENKEN

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

Klima
in Wohlstand
retten

KLIMA
IN WOHLSTAND
RETTEN

Zu Hochzeiten des Glaubens an die Märkte galt als bestes Mittel gegen die Klimakrise, an den Märkten einen CO2-Preis aushandeln zu lassen. Heute ist zunehmend Konsens, dass das nur bedingt funktioniert - und es weit mehr braucht, als nur einen Preis.

Ungleichheit
verringern

UNGLEICHHEIT
VERRINGERN

Das Gefälle zwischen Arm und Reich scheint selbst in einem Land wie Deutschland zunehmend den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Um den Trend umzukehren, ist es wichtig, die wirklichen Ursachen des Auseinandergehens von Einkommen und Vermögen zu verstehen.

Finanzwelt
erneuern

FINANZWELT
ERNEUERN

Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise scheint eine wirkliche Stabilität des Finanzsystems nicht in Sicht zu sein. Risiken werden periodisch falsch bewertet und führen zu Boom-Bust-Zyklen. Ein stabileres Finanzsystem sollte kurzfristige Spekulationen erschweren, systemische Risiken begrenzen und das Vermögen gerechter verteilen.

Innovation Lab

INNOVATION LAB

Brauchen wir ein ganz neues Verständnis von Wirtschaftswachstum? Was wäre eine reale Alternative? Wie praktikabel sind Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt, wenn es um die Messung von Wohlstand geht? Um diese und andere grundsätzlichere Herausforderungen geht es in dieser Sektion.

Globalisierung
für alle

GLOBALISIERUNG
FÜR ALLE

Nach drei Jahrzehnten schlecht gemanagter Integration ist die Globalisierung durch soziale Unzufriedenheit und den Aufstieg populistischer Kräfte bedroht. Es gilt dringend die negativen Nebeneffekte auf viele Menschen zu beheben - und klarer zu definieren, welche Herausforderungen auf lokaler oder regionaler, und welche über Grenzen hinweg angegangen werden sollten.

Europa
jenseits
der Märkte

EUROPA
JENSEITS
DER MÄRKTE

Das Europa der vergangenen Jahrzehnte wurde stark vom Primat der Wirtschaft und dem Vertrauen in die Heilungskraft der Märkte geprägt. Die Euro-Krise hat dies erschüttert. Seither wird gestritten, wie die Währungsunion vor neuen Paniken besser geschützt werden kann – und wie sich das Auseinanderdriften von Ländern besser verhindern lässt.