ZEITRAUM

Das Dezernat Zukunft hat eine neue Info-Seite rund um die deutsche Schuldenbremse veröffentlicht. Die Website erklärt und visualisiert die Fiskalregel auf drei Ebenen. Erstens, wie sie zustande gekommen ist. Zweitens, wie sie eigentlich funktioniert. Und drittens, wie man sie reformieren könnte.

Die Auswirkungen der Schuldenbremse auf Haushalt, Bildung, Infrastruktur und Gesellschaft sind gewaltig. Trotzdem verstehen sie nur wenige. Und Fachleute zweifeln, ob sie wirklich zukunftsfest ist. Ein Erklärungsversuch inklusive Reformvorschlag.

Hier geht es zur Seite.

In einem kürzlich erschienenen Zeit-Artikel werden die Ergebnisse des neuen Vermögens-Simulators des Forums „ReBalance“ diskutiert, der heute gelauncht wurde. Ein zentrales Ergebnis des Simulators ist, dass sich die Vermögensungleichheit in Deutschland ohne Reformen über die nächsten zehn Jahre erhöhen würde.

Im Kapitalismus bedeutet Kapital Freiheit. Und in Deutschland ist es höchst ungleich verteilt. Das gilt nicht nur für das Erbe, sondern für das Vermögen insgesamt. Nach Berechnungen des Forum New Economy, einem Zusammenschluss von Wirtschaftswissenschaftlern, halten die oberen zehn Prozent der Vermögenden in Deutschland 61 Prozent aller Vermögen, die obere Mittelschicht 38 Prozent. Der ärmeren Hälfte der Bevölkerung gehören insgesamt nur 1,4 Prozent des Vermögens.

Der Artikel legt dabei einen Fokus auf die Effektivität und die Finanzierbarkeit verschiedener Vorschläge eines Grunderbes.

Aber wie viel könnte so ein Grunderbe überhaupt an der ungleichen Verteilung der Vermögen in Deutschland ändern? Dazu veröffentlicht das Forum New Economy am Freitag dieser Woche neue Berechnungen. Die Ergebnisse liegen der ZEIT vorab vor. Sie zeigen: Um eine spürbare Wirkung zu erzeugen, müsste das Grunderbe ziemlich hoch ausfallen – und wäre entsprechend teuer. Erhält jeder Deutsche zur Volljährigkeit 10.000 Euro, würde das gerade einmal reichen, um die heutige Vermögensverteilung zu bewahren, also eine weitere Umverteilung nach oben zu verhindern. Mit 20.000 Euro käme die ärmere Hälfte der Bevölkerung immerhin auf 2,7 Prozent aller Vermögen. Der Staat müsste dafür jedes Jahr 17 Milliarden Euro aufbringen, das ist mehr Geld, als der Bund für Gesundheit ausgibt. Wenn die Regierung zu jedem 18. Geburtstag gar 60.000 Euro überweisen soll, wie es die Jusos fordern, stiege der Vermögensanteil der unteren Hälfte auf immerhin fünf Prozent. Das würde aber auch 65 Milliarden Euro im Jahr kosten, weit mehr als der gesamte Verteidigungshaushalt.

Zum Vermögens-Simulator ReBalance geht es hier.

In einer kürzlich erschienenen Kolumne argumentiert Rana Foroohar, dass die jüngste wirtschaftliche Erholung in den USA die bewusste Entscheidung der Regierung Biden widerspiegelt, der Pandemiebekämpfung und der Beschäftigung den Vorrang vor einem Inflationsanstieg einzuräumen. Vergleicht man den jüngsten Aufschwung mit dem nach der Finanzkrise 2008, so scheint der frühere Konsens, eine höhere Arbeitslosigkeit aufgrund von fiskalisch bedingten Inflationsrisiken zu akzeptieren, gebrochen zu sein.

Ich denke jedoch, dass die derzeitige Wirtschaftslage in den USA etwas Wichtiges widerspiegelt: Die Art des Aufschwungs, die wir haben, ist eine Entscheidung. In der Vergangenheit haben wir uns hauptsächlich für eine hohe Arbeitslosigkeit anstelle von mehr Fiskalpolitik entschieden, von denen viele Ökonomen befürchteten, dass sie die Inflation zu schnell ansteigen lassen würden (man denke nur an Larry Summers und Jason Furman und die ganze Idee, dass Fiskalpolitik „schnell, vorübergehend und gezielt“ sein müsse).

Foroohar zufolge führte diese Entscheidung zu einer überschaubaren Inflation, stabiler Beschäftigung und einem verbesserten finanziellen Wohlergehen des Durchschnittsamerikaners und einer Abkehr von der Idee eines Zielkonflikts zwischen Main Street und Wall Street. Der richtungsweisende Ansatz der Biden-Regierung könnte als vielversprechendes Beispiel dafür dienen, wie die richtigen Politikentscheidungen zu einer gerechteren und wohlhabenderen Zukunft führen können.

Lesen Sie den ganzen Artikel hier (Paywall).

„Die Frage ist, ab welchem Punkt sich Ungleichheit nachteilig auswirkt“ – Interview (Paywall)
Interview: Dieter Schnaas, Wirtschaftswoche, 30.10.2023

Gerechtigkeitsforscher Branko Milanović spricht über Unwuchten der Einkommensverteilung, Lehren aus der Wirtschaftsgeschichte – und das vorläufige Ende seiner Elefantenkurve.

Diese Grundlagen wünschen sich die Deutschen für die Wirtschaft – Artikel
Julian Olk, Handelsblatt, 24.10.2023

Wärmepumpe und Mietpreise haben in der Politik große Debatten über die Rolle des Staates ausgelöst. Aber wo steht die Bevölkerung? Eine Umfrage zeigt: Oft soll es der Staat richten.

„Das Bild vom kranken Mann halte ich für völlig übertrieben“ – Interview (Paywall)
Interview: Thomas Fromm & Maike Schreiber, Süddeutsche Zeitung, 31.10.2023

Der britische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze glaubt nicht, dass der Standort Deutschland abgemeldet ist. Allerdings gäbe es für die Regierung einige sehr wichtige Dinge zu tun.

Soziologen über gesellschaftliche Triggerthemen: „Viele Menschen sind veränderungserschöpft“ – Artikel (Paywall)
Hans Monath, Tagesspiegel, 26.10.2023
Wann empfinden wir Politik als konstruktiv? Und wann emotionalisiert sie uns? Thomas Lux und Steffen Mau erforschen und deuten das gefährliche Reizpotenzial etwa von Gendersternchen und Heizungsgesetz.

Biden öffnet sich für KI-Regulierung – Artikel
Rana Foroohar, Financial Times, 30.10.2023

Die USA sind der größte Innovator im Bereich der KI, aber haben sie nur langsam reguliert.

Narzissmus der kleinen Unterschiede verzögert Einigung über EU-Steuerregeln – Kolumne
Martin Sandbu, Financial Times, 22.10.2023

Der Block der 27 Länder muss sich bald einigen, um sich auf weitaus größere wirtschaftliche und geopolitische Herausforderungen vorzubereiten.

Der kürzlich veröffentlichte Tax Evasion Report 2024 von Gabriel Zucman und anderen dokumentiert das Ausmaß der weltweiten Steuerhinterziehung und -vermeidung und schlägt als Gegenmaßnahme eine globale Mindestvermögenssteuer von 2 % für die weltweit reichsten Personen vor.

Der Bericht argumentiert, dass viele Milliardäre an der „Grenze der Legalität“ operieren, indem sie Briefkastenfirmen nutzen, um Steuern zu vermeiden, indem sie bestimmte Einkommensarten, einschließlich Dividenden aus Unternehmensanteilen, über spezielle Holdinggesellschaften verschieben, die normalerweise keinem anderen Zweck dienen.

Diese Holdinggesellschaften befinden sich in einer Grauzone zwischen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. In dem Maße, in dem sie mit dem Ziel gegründet werden, die Einkommensteuer zu umgehen, können sie berechtigterweise als näher an der Steuerhinterziehung liegend angesehen werden.

Wie in einem Artikel des Guardian über den Bericht beschrieben, werden diese Schlupflöcher vor allem von den Superreichen genutzt, weshalb sie vorschlagen, eine globale Mindeststeuer von 2 % auf das Vermögen der reichsten Menschen der Welt einzuführen:

Diese Art von Schlupflöchern ermöglicht es den Superreichen, bestimmte Formen der Einkommensteuer zu vermeiden, was zu effektiven Steuersätzen von nur 0-0,6 % ihres Gesamtvermögens führt, so der Bericht. Die Einkommenssteuer der meisten wohlhabenden Bürger, die diese Schlupflöcher nicht nutzen, liegt dagegen zwischen 20 und 50 %. Das EU Observatory, das mehr als 100 Forscher eingesetzt hat, um die Daten des Berichts zu sammeln, fordert nun die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, den nächsten G20-Gipfel im November 2024 in Brasilien zu nutzen, um Gespräche über eine weltweite Mindeststeuer von 2 % pro Jahr aufzunehmen, die auf das Vermögen – und nicht auf das Einkommen – der reichsten Menschen der Welt erhoben werden soll.

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Neues Leitmotiv

NEUES LEITMOTIV

Nach ein paar Jahrzehnten allzu naiven Marktglaubens brauchen wir dringend neue Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – und mehr: ein ganz neues Paradigma als Leitfaden. Wir sammeln alles zu den Leuten und der Community, die sich mit dieser großen Frage beschäftigen, sowie mit der historischen wie heutigen Wirkung von Paradigmen und Narrativen – ob in neuen Beiträgen, Auftritten, Büchern und Veranstaltungen.

Staat
neu denken

STAAT
NEU DENKEN

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

Klima
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Zu Hochzeiten des Glaubens an die Märkte galt als bestes Mittel gegen die Klimakrise, an den Märkten einen CO2-Preis aushandeln zu lassen. Heute ist zunehmend Konsens, dass das nur bedingt funktioniert - und es weit mehr braucht, als nur einen Preis.

Ungleichheit
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UNGLEICHHEIT
VERRINGERN

Das Gefälle zwischen Arm und Reich scheint selbst in einem Land wie Deutschland zunehmend den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Um den Trend umzukehren, ist es wichtig, die wirklichen Ursachen des Auseinandergehens von Einkommen und Vermögen zu verstehen.

Finanzwelt
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FINANZWELT
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Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise scheint eine wirkliche Stabilität des Finanzsystems nicht in Sicht zu sein. Risiken werden periodisch falsch bewertet und führen zu Boom-Bust-Zyklen. Ein stabileres Finanzsystem sollte kurzfristige Spekulationen erschweren, systemische Risiken begrenzen und das Vermögen gerechter verteilen.

Innovation Lab

INNOVATION LAB

Brauchen wir ein ganz neues Verständnis von Wirtschaftswachstum? Was wäre eine reale Alternative? Wie praktikabel sind Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt, wenn es um die Messung von Wohlstand geht? Um diese und andere grundsätzlichere Herausforderungen geht es in dieser Sektion.

Globalisierung
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GLOBALISIERUNG
FÜR ALLE

Nach drei Jahrzehnten schlecht gemanagter Integration ist die Globalisierung durch soziale Unzufriedenheit und den Aufstieg populistischer Kräfte bedroht. Es gilt dringend die negativen Nebeneffekte auf viele Menschen zu beheben - und klarer zu definieren, welche Herausforderungen auf lokaler oder regionaler, und welche über Grenzen hinweg angegangen werden sollten.

Europa
jenseits
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EUROPA
JENSEITS
DER MÄRKTE

Das Europa der vergangenen Jahrzehnte wurde stark vom Primat der Wirtschaft und dem Vertrauen in die Heilungskraft der Märkte geprägt. Die Euro-Krise hat dies erschüttert. Seither wird gestritten, wie die Währungsunion vor neuen Paniken besser geschützt werden kann – und wie sich das Auseinanderdriften von Ländern besser verhindern lässt.

Corona-Krise

CORONA-KRISE

Die aktuelle Corona Krise ist mitunter die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. ÖkonomInnen arbeiten intensiv an einer Milderung der wirtschaftlichen Folgen durch COVID-19. Es gilt eine zweite große Depression, den Zusammenbruch der Eurozone und das Ende der Globalisierung zu verhindern. Wir sammeln die wichtigsten Beiträge.