ZEITRAUM

Ökologische Nachhaltigkeit und hohe Beschäftigung werden oft in einem Spannungsverhältnis wahrgenommen. Historisch ging und geht auch heute noch wirtschaftliche Entwicklung fast immer auf Kosten der Umwelt. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass die grüne Transformation Arbeitsplätze bedroht?

In einer kürzlich veröffentlichten Studie schätzen Enzo Weber und Gerd Zika die Arbeitsmarkteffekte der Klimatransformation und kommen zu dem Ergebnis, dass es wahrscheinlich sogar positive Beschäftigungseffekte geben wird.

In den Ansätzen wird berücksichtigt, dass bestehende Jobs durch neue Technologien und Regulierungen ersetzt werden und wegfallen können. Genauso werden aber auch Investitionen,
Infrastrukturentwicklung und neue Geschäftsmodelle betrachtet, die mit der Transformation einhergehen. All diese mit der Transformation bzw. den Maßnahmen verbundenen Impulse werden dann
simultan in einem strukturellen Wirtschafts- und Arbeitsmarktmodell simuliert. Dieses bildet ab, wie
die Änderungen verarbeitet werden und zu welchen Anpassungsreaktionen es kommt.

Das zentrale Ergebnis: Unter dem Strich gibt es positive Beschäftigungseffekte in der sozial-ökologischen Transformation. Und zwar auf allen Anforderungsniveaus, es werden also nicht nur „gute“
durch „billige“ Jobs ersetzt. Die klimapolitische Wende ist möglich, ohne in Summe Jobs zu verlieren.

Die ganze Studie gibt es hier.

Der unabhängige wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat eine umfassende Reform der Schuldenbremse vorgeschlagen. Demnach sollen Investitionen sollen nicht mehr unter die Schuldenregel fallen, wie in einem kürzlich veröffentlichten Artikel daraus zitiert wird.

Das unabhängige Gremium stellt fest: Die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form enthalte „Fehlanreize“. Der Beirat schlägt zwar keine Abschaffung vor, aber mehrere Änderungen. Das sind die zwei wichtigsten:

  • „Goldene Regel Plus“: Der Staat kann Schulden für Investitionen aufnehmen, die nicht unter die Bremse fallen.
  • „Investitionsfördergesellschaften“: Der Staat verpflichtet sich, diesen Gesellschaften jährlich einen festen Betrag zur Verfügung zu stellen. Sie setzen das Geld dann ausschließlich für Investitionen ein.
  • Der Bericht kritisiert auch die bisherige finanzpolitische Praxis der Sondervermögen zur Umgehung der Schuldenregel:

    Aus Sicht des Beirats beim Wirtschaftsministerium war es nicht nur aus juristischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht dringend notwendig, der Praxis der Sondervermögen ein Ende zu setzen. Diese Politik sei „nicht nachhaltig“, es handle sich bloß um einen Versuch, die tatsächlichen finanziellen Bedarfe „zu verschleiern“. So steht es im Gutachten, das unter Führung des Mannheimer Finanzwissenschaftlers und Beiratsvorsitzenden Eckhard Janeba mehr als ein Jahr lang erarbeitet wurde.

    Den ganzen Artikel gibt es hier.

    Deutschland steckt in einem bizarren haushaltspolitischen Schlamassel, den es selbst verursacht hat – Artikel (Paywall)
    The Economist, 30.11.23

    Drei Schritte zur Überwindung der Haushaltspanik.

    Luxusboom lässt Vermögen von Milliardären steigen – Artikel
    Der Spiegel, 30.11.23

    Reiche machen Reiche noch reicher: Der Kaufrausch nach Corona hat laut einer Studie dafür gesorgt, dass Besitzer von Luxusgüterkonzernen mehr Geld angehäuft haben. Wer neuer Milliardär wird, darüber entscheidet vor allem die Herkunft.

    Die neue Industriepolitik und ihre Kritiker – Blogpost
    Laura Tyson & John Zysman, 17.11.23

    Viele Jahre lang galt die Industriepolitik in den Vereinigten Staaten und vielen anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften als Tabu, weil man davon ausging, dass sie von Natur aus protektionistisch und marktverzerrend sei. Aber der Kontext ist wichtig, und in der heutigen Welt sind staatliche Eingriffe zur Behebung von Marktversagen genau das, was gebraucht wird.

    Mehrheit findet Schulden für Investitionen ok – Artikel
    ZDF, Dominik Rzepka, 29.11.2023

    Schulden machen ist eigentlich nicht mehrheitsfähig – es gibt aber Ausnahmen: Wenn das Geld in Schulen oder Straßen fließt, ist eine Mehrheit für die Lockerung der Schuldenbremse.

    Anarchokapitalismus, was ist denn das? – Artikel (Paywall)
    Nikolaus Piper, Süddeutsche Zeitung, 26.11.23

    Der neue argentinische Präsident Javier Milei ist bekennender Anarchokapitalist. Um das zu verstehen, muss man den Ökonomen kennenlernen, nach dem Milei seinen Hund benannte.

    In einer repräsentativen Umfrage zu dem Thema öffentliche Schulden von Fiscal Future und d/part wurden im Juni 2023 über 3000 Menschen in Deutschland zum Thema Staatsschulden und staatliche Investitionen befragt.

    Auf den ersten, oberflächlichen Blick scheinen Bevölkerungsumfragen der Annahme Recht zu geben, dass die Menschen in Deutschland fiskalpolitisch einen Abbau von Schulden erwarten. Wenn sie danach gefragt werden, geben viele Menschen an, dass sie umfangreichen Staatsschulden eher skeptisch gegenüberstehen. Doch können wir daraus tatsächlich schließen, dass sie staatliche Investitionen als weniger wichtig erachten und fiskalpolitische Disziplin priorisieren? Bestehende Forschung weckt hierbei Zweifel.

    Das ganze Briefing gibt es hier.

    Monster des Mainstreams – Artikel
    Quinn Slobodian, The New Statesman, 20.11.23

    Argentiniens neuer Präsident Javier Milei verkörpert den Zombie-Neoliberalismus der 1990er Jahre.

    Warum die Mainstream-Wirtschaft die Inflation falsch einschätzt – Blogpost
    James K. Galbraith, 15.11.23

    Die Fehldiagnose führender Ökonomen in Bezug auf die Inflation 2021-22 war die jüngste Episode in einer langen Reihe von Fehlern, von der Nichtvorhersage der Finanzkrise 2008 bis zur Befürwortung selbstzerstörerischer Sparmaßnahmen in den 2010er Jahren. Entweder müssen die Mainstream-Ökonomen ihre Grundüberzeugungen überdenken, oder der Berufsstand braucht einen neuen Mainstream.

    « Die USA und die EU müssen ein UN-Steuerabkommen unterstützen » – Artikel (Paywall, Französisch)
    Collectif, Le Monde, 21.11.23

    Vierzehn Wirtschaftswissenschaftler, Juristen und ehemalige Politiker – darunter Jayati Ghosh, Joseph Stiglitz und Thomas Piketty – warnen vor der entscheidenden Abstimmung am Mittwoch, den 22. November, in den Vereinten Nationen über eine Resolution zur internationalen Zusammenarbeit in Steuersachen.

    Die besten Bücher des Jahres 2023 – Wirtschaft – Artikel
    Martin Wolf, Financial Times, 15.11.23

    Martin Wolf wählt seine besten Lektüren für die zweite Hälfte des Jahres 2023 aus.

    Dreieinhalb Ideen für eine neue Schuldenbremse – Artikel
    Fabian Franke, Die Zeit, 24.11.23

    Christian Lindners Lösung für die Haushaltskrise ist kurzfristig, die Forderungen nach einer Reform der Schuldenbremse bleiben bestehen. So könnte sie aussehen.

    Das verborgene Wohlstandsgefälle zwischen den Geschlechtern – Artikel
    Celine Bessiere & Sibylle Golac

    So wichtig die Lohngleichheit und andere Fortschritte auf dem Arbeitsmarkt für Frauen auch waren, die Fortschritte auf dem Weg zur wirtschaftlichen Gleichstellung mit den Männern sind nach wie vor gering und unvollständig. Da es bei der Ungleichheit weniger um Löhne und mehr um Vermögen geht, sehen sich Frauen erneut mit tiefgreifenden strukturellen Nachteilen konfrontiert.

    „Die Demokratie hat nicht geliefert, was sie versprochen hat“ – Interview (Paywall)
    Markus Zydra, Süddeutsche Zeitung, 21.11.23

    Der Ökonom Raghuram Rajan sah die globale Finanzkrise voraus – und erkennt jetzt wieder Bruchstellen im System. Wo die liegen, warum sich gerade so viele Menschen autoritären Regimen zuwenden und was man dagegen tun kann.

    UNSERE THEMENSCHWERPUNKTE

    Neues Leitmotiv

    NEUES LEITMOTIV

    Nach ein paar Jahrzehnten allzu naiven Marktglaubens brauchen wir dringend neue Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – und mehr: ein ganz neues Paradigma als Leitfaden. Wir sammeln alles zu den Leuten und der Community, die sich mit dieser großen Frage beschäftigen, sowie mit der historischen wie heutigen Wirkung von Paradigmen und Narrativen – ob in neuen Beiträgen, Auftritten, Büchern und Veranstaltungen.

    Staat
    neu denken

    STAAT
    NEU DENKEN

    Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

    Klima
    in Wohlstand
    retten

    KLIMA
    IN WOHLSTAND
    RETTEN

    Zu Hochzeiten des Glaubens an die Märkte galt als bestes Mittel gegen die Klimakrise, an den Märkten einen CO2-Preis aushandeln zu lassen. Heute ist zunehmend Konsens, dass das nur bedingt funktioniert - und es weit mehr braucht, als nur einen Preis.

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    UNGLEICHHEIT
    VERRINGERN

    Das Gefälle zwischen Arm und Reich scheint selbst in einem Land wie Deutschland zunehmend den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Um den Trend umzukehren, ist es wichtig, die wirklichen Ursachen des Auseinandergehens von Einkommen und Vermögen zu verstehen.

    Finanzwelt
    erneuern

    FINANZWELT
    ERNEUERN

    Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise scheint eine wirkliche Stabilität des Finanzsystems nicht in Sicht zu sein. Risiken werden periodisch falsch bewertet und führen zu Boom-Bust-Zyklen. Ein stabileres Finanzsystem sollte kurzfristige Spekulationen erschweren, systemische Risiken begrenzen und das Vermögen gerechter verteilen.

    Innovation Lab

    INNOVATION LAB

    Brauchen wir ein ganz neues Verständnis von Wirtschaftswachstum? Was wäre eine reale Alternative? Wie praktikabel sind Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt, wenn es um die Messung von Wohlstand geht? Um diese und andere grundsätzlichere Herausforderungen geht es in dieser Sektion.

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    GLOBALISIERUNG
    FÜR ALLE

    Nach drei Jahrzehnten schlecht gemanagter Integration ist die Globalisierung durch soziale Unzufriedenheit und den Aufstieg populistischer Kräfte bedroht. Es gilt dringend die negativen Nebeneffekte auf viele Menschen zu beheben - und klarer zu definieren, welche Herausforderungen auf lokaler oder regionaler, und welche über Grenzen hinweg angegangen werden sollten.

    Europa
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    der Märkte

    EUROPA
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    Das Europa der vergangenen Jahrzehnte wurde stark vom Primat der Wirtschaft und dem Vertrauen in die Heilungskraft der Märkte geprägt. Die Euro-Krise hat dies erschüttert. Seither wird gestritten, wie die Währungsunion vor neuen Paniken besser geschützt werden kann – und wie sich das Auseinanderdriften von Ländern besser verhindern lässt.

    Corona-Krise

    CORONA-KRISE

    Die aktuelle Corona Krise ist mitunter die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. ÖkonomInnen arbeiten intensiv an einer Milderung der wirtschaftlichen Folgen durch COVID-19. Es gilt eine zweite große Depression, den Zusammenbruch der Eurozone und das Ende der Globalisierung zu verhindern. Wir sammeln die wichtigsten Beiträge.