NEUES LEITMOTIV

Newsletter: Amerikas historische Wahl

Aus unserer Forum New Economy Newsletter Reihe.

VON

THOMAS FRICKE

VERÖFFENTLICHT

8. MÄRZ 2024

LESEDAUER

2 MIN

Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen, 

als nach dem großen Crash 1929 erst die Massenarbeitslosigkeit und dann eine politische Katastrophe der nächsten folgte, war dies zugleich das Ende eines alten liberalen Leitbilds – und der Anfang eines neuen. Es ging plötzlich darum, die Unwuchten des Kapitalismus zu begrenzen, eine Wirtschaft zu schaffen, die allen zugutekommt: über Roosevelt’s New Deal in den 1930er-Jahren oder die Bretton-Woods-Organisation und eine neue reguliertere Politik mit dem Ziel des Wohlstands für alle in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. 

So wie jetzt? Wo es nach der großen Finanzkrise von 2008 auch schon seit Jahren neue Forschung und neue Bestrebungen gibt, den dogmatischen Marktliberalismus durch etwas Besseres zu ersetzen – im Zweifel unter dem neuen Label Bidenomics?

Möglich. Möglich ist nur auch eine andere historische Deutung, wie sie ein französischer Historiker mal auf einem Forum-Workshop in Paris dargelegt hat: danach war der Höhe- und Endpunkt der ersten wirtschaftsliberalen Ära gar nicht 1929, sondern 1914 – nach der Welle der Industrialisierung. Und was in der Zwischenkriegszeit folgte, war eher ein erster, am Ende nur gescheiterter Versuch, den Kapitalismus zu bändigen: ob durch Völkerbund, neue Sozialgesetze oder Arbeitszeitregeln. 

Dann könnte sich die Parallele zu heute ebenfalls anders lesen: dann war das, was nach der Finanzkrise 2008 über neue Regeln für Finanzmärkte, Mindestlöhne oder eine aktivere Rolle des Staates passiert ist, auch nur ein erster Versuch, den marktliberal entglittenen Kapitalismus wieder für alle zum Vorteil zu machen. Nur dass das in Fortsetzung der Parallele nicht reichen könnte, um Wut und Unmut der Menschen aufzufangen und ein neues gesellschaftliches Paradigma zu etablieren. Und dann könnte das ganz große politische Desaster noch bevorstehen – wie in Europa in den 1930er-jahren. 

Düster? Gruselig. Nur könnte diese Deutung zu dem auch passen, was gerade droht – eine neue Welle politisch-populistischer Entgleisungen. Nur diesmal – anders als damals – auch und zuerst in den USA. Womit wir im März 2024 wären – und der Aussicht, dass es gar nicht unwahrscheinlich in ein paar Monaten wieder einen US-Präsidenten Donald Trump gibt, der vieles von dem zu zertrümmern droht, was Joe Biden unter dem Label Bidenomics gerade an Schäden der marktliberalen Exzesse aus den vergangenen Jahrzehnten zu reparieren versucht hat. Anders als in 1930ern, als die USA sehr wahrscheinlich auch dank des New Deals vom verbreiteten Kollaps der Demokratien verschont blieben.

Darum geht’s, wenn jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit Joe Biden gegen Donald Trump antritt. Und darum, dass von dem, was Biden an wirtschaftlichem US-Boom gerade auslöst, so wenig in Form von Zustimmung aus dem Volk zurückkommt. Ob das noch aussteht oder nicht – darüber wird eine Studie Auskunft geben, die der Kieler Populismusforscher Robert Gold gerade für uns vorbereitet; und die er auf dem großen Event vorstellen wird, das wir für Ende Mai planen.

Dort werden die international führenden Forscher und Praktikerinnen auch darüber sprechen, was die Leute überhaupt überall in diesen Zeiten so auffällig zu den Populisten treibt – und wie gut das dagegen taugt, was seit einiger Zeit als neue Industriepolitik konzipiert wird. Mit dabei wird dann der große Vordenker Dani Rodrik sein, ebenso wie die frühere Clinton-Beraterin Laura Tyson, die Institutspräsidenten Moritz SchularickMarcel Fratzscher und Jeromin Zettelmeyer– und Simon Jäger, der kürzlich den Job als Berater des Bundeswirtschaftsministers angetreten hat. Um nur einige zu nennen. Historische Besetzung zu historischem Anlass. Mehr dazu in Kürze.

Nur so viel vorab: das Treffen soll mit einem öffentlichen Podium in Berlin am 27. Mai am Nachmittag starten. Vormerken!

Dieser Text stammt aus unserer zweiwöchig erscheinenden Newsletter-Reihe. Zur Anmeldung geht es hier.

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