NEUES LEITMOTIV
Harvard-Ökonom Dani Rodrik fordert neue Wirtschaftspolitik
Marktfundamentalismus kann die aktuellen Probleme nicht lösen, so Dani Rodrik in einem Handelsblatt-Interview. Auch die ordoliberale deutsche Finanzpolitik sei unzureichend. Stattdessen sieht er Zeichen für einen Paradigmenwechsel.
VON
SONJA HENNENVERÖFFENTLICHT
12. NOVEMBER 2021LESEDAUER
1 MINDie Corona-Krise verschärft und verändert die wirtschaftspolitische Debatte. Vom Freihandel bis zur Inflationsrate, Schulden und Industriepolitik werden alte Glaubenssätze in Frage gestellt. Immer häufiger stehen auch die ordoliberalen Vorstellungen der deutschen Finanzpolitik in der Kritik. Zuletzt sprach sich Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz gegen einen deutschen Finanzminister Christian Lindner aus.
Dani Rodrik äußert nun eine noch fundamentalere Kritik: In einem Handelsblatt-Interview fordert der Harvard-Ökonom eine gänzlich neue Wirtschaftspolitik. Diese solle sich stärker an Wachstum und Beschäftigung orientieren. Für Europa fordert er flexiblere Schuldenregeln und warnt vor voreiligen Zinserhöhungen. Marktfundamentalismus und weitreichende Globalisierung könnten die aktuellen Probleme nicht lösen. Stattdessen solle eine veränderte Wirtschaftspolitik pragmatisch nach konkreten Lösungen suchen.
Die Säulen eines solchen neuen wirtschaftspolitischen Paradigmas sieht Rodrik in der Betonung von Arbeitnehmerinteressen gegenüber den Interessen von Unternehmen und Kapitaleignern, einer höheren Akzeptanz für wirtschaftliche Eingriffe des Staates und der Bereitschaft, höhere Inflationsrisiken in Kauf zu nehmen, um mehr Wachstum und Beschäftigung zu ermöglichen. Außerdem glaubten immer weniger Ökonomen an die Selbstheilungskraft der Märkte. Die Sprache in der Wirtschaftspolitik verändere sich dabei rechts wie links. Genug Signale für Rodrik, um von einem Politik- und sogar Paradigmenwechsel zu sprechen.
Insbesondere die Debatte um Fiskalpolitik hat sich laut Rodrik stark verändert.
„Der Konsens ist heute, dass die fiskalpolitische Zwangsjacke des Maastricht-Vertrags nicht mehr hilfreich ist.“
In den USA sei man bereits soweit, in expansiver Fiskalpolitik einen wichtigen Motor für Innovationen und Produktivitätsfortschritte zu sehen. Statt des klassischen „Crowding-out Effect“ privater Investitionen, gebe es Hinweise auf ein „Crowding-in“, also dafür, dass eine expansive Nachfragepolitik des Staates zusätzliche private Investitionen anregen könne.
Das ganze Interview zum Nachlesen gibt es hier (Hinweis: Bezahlschranke).